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Telefonmarketing – Mut zur Kreativität

Seit einem halben Jahr ist die UWG-Novelle in Kraft. Die Rechtsanwälte Christina Schmitt und Franz Dänekamp über erste Erfahrungen der Branche mit dem neuen Gesetz.

Bis zuletzt hatte die Branche gehofft, die von der Regierung im Zusammenhang mit Direktmarketing-Maßnahmen favorisierte Opt-In-Lösung würde in den Beratungen von Bundestag und Bundesrat gekippt werden (vgl. Artikel „Bei Anruf Anzeige?“, dnv 10/2004, 32 f.). Diese Hoffnung war durchaus berechtigt. Noch in der Begründung ihrer Empfehlung an den Bundesrat, den Vermittlungsausschuss anzurufen, haben sich der Rechts- und der Wirtschaftsausschuss gegen die vom Bundestag favorisierte Opt-In-Regelung ausgesprochen und unter dem Gesichtspunkt der Standortkonkurrenz im Vergleich zu den anderen EU-Staaten für eine Opt-Out-Regelung plädiert.

Die Hoffnung wurde allerdings enttäuscht. Seit Juli 2004 ist die Opt-In-Regelung Gesetz. Sie ist fortan von allen Akteuren im Telefonmarketing zu beachten, die nicht in das benachbarte Ausland abwandern.

§ 7 UWG (n. F.) verbietet die „unzumutbare Belästigung“ eines Marktteilnehmers, die bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern dann anzunehmen ist, wenn deren Einwilligung nicht vorliegt; sonstige Marktteilnehmer müssen zumindest ihre mutmaßliche Einwilligung erklärt haben.

Obwohl diese gesetzlichen Regelungen weitestgehend die über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten entwickelten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspiegeln (BGH, GRUR 1970, 523 f.; GRUR 1989, 753 ff.; GRUR 1990, 280 f.; GRUR 1995, 220 f.; GRUR 2000, 818 ff.; NJW-RR 2004, 978 ff.), ist seit der gesetzlichen Fixierung ein Wandel im Umgang mit dem Recht zu beobachten.

Seit Inkrafttreten der Gesetzesnovelle werden die Unternehmen der Branche deutlich häufiger als bislang mit Abmahnungen überzogen.

Neben Wettbewerbern, insbesondere Mitgliedern der Verbände der Lotto- und Totoverkaufsstellen, sind zunehmend auch Verbraucherverbände Urheber entsprechender Abmahnungen.

Dies scheint eine Konsequenz der breiten Diskussion des Themas in den Medien zu sein, durch die die Verbraucher sensibilisiert worden sind.

Wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung wettbewerbsrechtlicher Verfahren für die beteiligten Unternehmen ist es daher wichtiger denn je, den Rahmen des rechtlich Zulässigen zu kennen und rechtliche Nischen zu nutzen. Wer die Realität ignoriert, akzeptiert nicht unerhebliche Risiken. Allein die erstinstanzlichen Verfahrenskosten, die der zu Recht abgemahnte Unternehmer im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu tragen hat, erreichen mit etwa 4.000 bis 10.000,00 Euro eine Größenordnung, die umsichtiges Handeln erfordert.

In diesem Zusammenhang ist ein kürzlich ergangenes Urteil des LG Hamburg (Geschäfts-Nr.: 312 O 975/04) von richtungsweisender Bedeutung.

Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob der in der Branche vielfach verwendete Satz: „Ich bin damit einverstanden, dass mir die Firma XYZ telefonisch weitere interessante Angebote macht (ggf. bitte streichen).“ als – zumindest konkludente – Einwilligung eines Verbrauchers im Sinne von § 7 II 2 UWG (n. F.) zu qualifizieren ist, wenn der Verbraucher von der Aufforderung, eine etwaige Streichung vorzunehmen, keinen Gebrauch macht.

Im konkreten Fall wurde der Verbraucher von einer selbstständigen Vertriebsfirma per Telefon zu Zwecken des Abschlusses eines Zeitschriftenabonnementvertrages kontaktiert. Der Verbraucher hatte zuvor an einem Gewinnspiel teilgenommen, in dem ein Mittelklassefahrzeug ausgelobt worden war. Die Gewinnspielkarten sahen Rubriken für Namen, Anschrift und Telefonnummer des Verbrauchers vor. Der umstrittene Satz, der das Einverständnis des Verbrauchers zum Ausdruck bringen sollte, war unter der Abbildung des ausgelobten Fahrzeugs gedruckt. Nach Auffassung des Landgerichts Hamburg ist der verwendete Satz keine ausreichende Einwilligung des Verbrauchers im Sinne des § 7 II 2 UWG (n. F.). Die Entscheidung ist sorgfältig begründet. Einerseits bestimmt sie im konkreten Fall den Bereich dessen, was unzulässig sein soll. Andererseits sind den Gründen der Entscheidung aber auch Anhaltspunkte zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen von einer zulässigen Telefonwerbung auszugehen ist.

Folgende Überlegungen stehen dabei im Vordergrund:

1. Der beanstandete Satz läuft nach Auffassung des Landgerichts Hamburg, wäre er zulässig, auf eine Opt-Out-Lösung hinaus, weil er an das Schweigen oder die Passivität des Verbrauchers anknüpft und eine Zustimmung fingiert. Die – im europäischen Ausland überwiegend praktizierte – Opt-Out-Lösung geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Telefonwerbung aus, unterstellt gewissermaßen eine allgemeine Zustimmung der Verbraucher, räumt ihnen jedoch die Option ein, nicht mitzumachen, auszusteigen (to opt out). Seinen Ausstieg (Austritt) erklärt der Verbraucher beispielsweise dadurch, dass er sich in eine „Robinsonliste“ eintragen lässt, die alle „Aussteiger“ erfasst. Der Begriff „opt-in“ geht demgegenüber von der grundsätzlichen Unzulässigkeit des Telefonmarketings aus. Wer demgegenüber bei einer telefonischen Werbemaßnahme „mitmachen“ möchte (to opt in) muss ausdrücklich zustimmen, also für eine Werbemaßnahme ausdrücklich optieren. Weil der Gesetzgeber dem sog. Opt-In-Modell“ folgt, verlangt er ein aktives Handeln des Verbrauchers. Demgemäß kann aus einer Passivität – etwa aus der unterbliebenen Streichung des Einverständnisses – nicht auf eine Zustimmung geschlossen werden, denn andernfalls würde – so das Landgericht – das bestehende Opt-In-Modell in eine Opt-Out-Lösung umgekehrt werden.

2. Die Teilnahme am Gewinnspiel unter Verwendung der mit einem Zusatz versehenen Teilnahmekarte reicht nach Auffassung der Richter als Zustimmung nicht aus, wenn der Zusatz aufgrund der grafischen Gestaltung übersehen werden kann, etwa wenn er im Kleindruck erfolgt oder die Aufmerksamkeit des Verbrauchers durch die optische Hervorhebung des Gewinns abgelenkt wird. Ausreichend sei auch nicht, dass der Teilnehmer aktiv seine Telefonnummer eintrage, weil dies – den Gewinn vor Augen – in der Hoffnung geschehe, möglichst bald von der erfolgreichen Teilnahme unterrichtet zu werden.

Im Umkehrschluss ergibt sich aus diesen Argumenten für die Zulässigkeit des Telefonmarketing Folgendes:

Der Verbraucher muss der Telefonwerbung durch aktives Handeln (Ankreuzen, Unterschrift etc.) zustimmen. Das Einverständnis muss einen eindeutigen Bezug zur Telefonwerbung haben und sich von sonstigen Erklärungen – etwa von der Bereitschaft zur Teilnahme an einem Gewinnspiel – abheben.

Darüber hinaus muss die Werbung optisch so angelegt sein, dass eine in ihr enthaltene Zustimmungserklärung nicht „untergeht“.

Unter Berücksichtigung dieser Grenzen lassen sich durchaus Lösungen erarbeiten, die auch einen Marketingerfolg gewährleisten. Die Kunst der Gestaltung besteht darin, eindeutig unzulässige Werbemaßnahmen zu vermeiden und mit dem Mut zum Risiko die Grenze zulässigen Telefonmarketings auszuloten.

Die verbleibenden Unsicherheiten sind jenen Unwägbarkeiten zuzurechen, denen man bekanntlich „vor Gericht und auf hoher See“ ausgesetzt ist. Mit diesem Risiko lässt sich leben.

Autoren: Franz Dänekamp und Christina Schmitt-Zink, veröffentlicht in „der neue vertrieb 1-2/05, S. 56 f.“

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