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Gemeinsamer Ehrenkodex für das Direktmarketing – ein Beitrag zur Unternehmensethik

I. Einheitlicher Ehrenkodex für das Telemarketing

Ausweislich einer aktuellen Pressemitteilung des DDV hat der Verband eine Version für einen standardisierten Ehrenkodex der Deutschen Telefonmarketing-Branche vorgelegt. Die beiden DDV-Councils Direct Sales & Relations und TeleMedien- & CallCenter-Services hatten den Entwurf im Frühjahr gemeinsam erarbeitet, wobei im Dezember 2007 auch das Call Center Forum (CCF) am Diskussionsprozess beteiligt wurde. Der Verband geht davon aus, dass sich das CCF seinem Vorschlag anschließen wird, wenngleich für den 07.07.2008 zwischen den Beteiligten eine weitere Diskussion geplant ist.

In den vorausgegangenen Diskussionen haben sich die Vertreter der Councils auf eine straffe Version des Ehrenkodex verständigt.

Folgende Gründe waren dafür ausschlaggebend:

Der Ehrenkodex soll einerseits den Unternehmen, die sich seinen Regelungen unterwerfen, eine verbindliche und klare Handlungsanweisung für ihre Marketingaktivitäten geben. Vor dem Hintergrund einer kritischen Medienberichterstattung über das Telemarketing richtet sich der Ehrenkodex aber auch an die Öffentlichkeit. Er ist der Versuch, gegenüber Politik und Verbraucherverbänden deutlich zu machen, dass die Branche ernsthaft bemüht ist, durch Maßnahmen der Selbstregulierung Auswüchse im Direktmarketing zu unterbinden. Gerade deshalb muss der Ehrenkodex so gefasst sein, dass er auch für den mit der Materie nicht im Detail vertrauten Leser verständlich und nachvollziehbar ist. Die zur Diskussion gestellten Entwürfe waren teilweise derart detailreich, dass auf einen Anhang ausgewichen werden musste. Ein mit einem Anhang versehener Kodex, der die abstrakten Regeln kommentiert und jeden Zweifelsfall zu klären versucht, genügt dem Erfordernis nach Überschaubarkeit nicht. Es sollte daher den nach der DDV-Satzung vorzusehenden Kontrollorganen überlassen bleiben, im Einzelfall zu klären, ob

ein Regelverstoß vorliegt und welche Konsequenzen dieser nach sich zieht. Zweifellos zeichnen sich die Probleme im Telemarketing durch ihre Komplexität aus, aber es ist fraglich, ob derartige Probleme durch ein kompliziertes und überfrachtetes Regelwerk gelöst werden können.

Die Vertreter der DDV-Councils haben es vorgezogen, vor allem die Verbraucher und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den persönlichen Schutzbereich des Ehrenkodex einzubeziehen. Es mag gute Gründe dafür geben, auch Wettbewerber und Auftraggeber auf den Kodex zu verpflichten, aber Wettbewerber und Auftraggeber begegnen den unterzeichnenden Unternehmen eher auf der Gleichordnungsebene, sind also weniger schutzwürdig. Das Wettbewerbsrecht (UWG) gestattet es den Wettbewerbern, unlautere Werbung zu unterbinden. Auftraggeber können die Konditionen der Zusammenarbeit im Rahmen der Vertragsverhandlungen beeinflussen, wenngleich nicht verkannt wird, dass diverse Marktteilnehmer Konditionen diktieren. Medien und Parteien sowie insbesondere auch die Verbraucherminister der Länder kritisieren Auswüchse im Marketing, die die Interessen der Verbraucher und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – etwa der im Call-Center – maßgeblich beeinträchtigen. Es macht deshalb Sinn, den Kodex in den Dienst dieser Personengruppen zu stellen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die aktuelle Version des Ehrenkodex im Anhang verwiesen.

II. Der Ehrenkodex – ein Element der Unternehmensethik

Die Gründung des Councils DSR, die Formulierung eines Ehrenkodex und schließlich auch die Bemühungen, einen einheitlichen Ehrenkodex für das Direktmarketing zu etablieren, folgen der Einsicht diverser Unternehmen, dass un-

seriöse Verhaltensweisen im Direktmarketing die Existenz einer ganzen Branche gefährden.

Solche Verhaltensweisen sind keineswegs nur eine Erfindung von Günter Wallraff, der mit seiner Sendung „Bei Anruf Abzocke!“ am 11.12.2007 ein beachtliches Echo in der Öffentlichkeit auslöste. Polemische Diskussionen, plakative Äußerungen und Schwarz-Weiß-Malereien gehören zum redaktionellen Konzept bestimmter Medien und entsprechen dem Bedürfnis der Öffentlichkeit, auf komplexe Fragen möglichst einfache Antworten zu finden. Es nützt deswegen auch wenig, über derartige Berichterstattungen zu lamentieren.

Eine ganze Branche muss sich selbstkritisch die Frage stellen, weshalb es Journalisten gelingt, die gesamte Öffentlichkeit zu mobilisieren und Gesetzesinitiativen eine neue Dynamik zu geben.

Die Präambel des Ehrenkodex gibt darauf eine Antwort, nämlich in ihrer Abgrenzung gegenüber unseriös agierenden Unternehmen, die den Imageschaden bewirken.

Dort heißt es:

„Wer langfristig das Vertrauen seiner Kunden gewinnt, schafft werthaltige Vertragsbeziehungen, die für die Unterzeichner Priorität haben. Die so entstehende Nachhaltigkeit setzt einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen Verbrauchern und Unternehmen voraus.“

Diese Abgrenzung müsste nicht formuliert werden, wenn es nicht diverse Unternehmen gäbe, die sich ausschließlich vom Gedanken der Profitmaximierung in der Kundenbeziehung leiten lassen.

Nachhaltigkeit, auf die sich die Mitglieder des Councils verständigt haben, steht deutlich im Gegensatz zum kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg und setzt auf die dauerhafte Vertragsbeziehung zum Kunden. Das lässt sich nur erreichen durch

die Qualität des Produkts, durch Fairness, Vertrauen und Respekt, auch und vor allem gegenüber der Privatsphäre.

Der Ehrenkodex formuliert also, das macht bereits seine Präambel deutlich, moralische Werte, die bei ernstzunehmenden Diskussionspartnern kaum auf Widerspruch stoßen werden und sich gut „verkaufen lassen“. Wer aber mit einem moralischen Anspruch auftritt, ist auf Dauer nur authentisch, wenn er die Moral auch konsequent umsetzt.

Ein Ehrenkodex ist schnell unterschrieben, er eignet sich als „Gütesiegel“ hervorragend, um die Marketingaktivitäten zu unterstützen, aber er ist eben nicht nachhaltig, wenn er von den Unternehmen nicht verinnerlicht wird und als Chance begriffen wird, eine Diskussion über die Unternehmensethik auszulösen.

Die Unternehmensethik ist ein Teilgebiet der Wirtschaftsethik und beschäftigt sich mit der Frage, welche moralischen Wertvorstellungen für Unternehmen maßgeblich sein sollen.

Dabei stellt sich die Frage, wie unternehmerisches Gewinnstreben und moralische Ideale zusammenpassen. Nicht wenige pragmatisch Orientierte dürften auch weiterhin der Auffassung sein, dass das Philosophieren über Wirtschaftsethik eher „Sonntagsreden“ und „akademischen Sandkastenspielen“ an den Lehrstühlen von Universitäten vorbehalten bleiben sollte.

„Deutschland lebt noch immer in einer wirtschaftsethischen Steinzeit“, sagt Jesco Kreft, ein Politikwissenschaftler aus Hamburg. „Wenn jemand Gutes tut und damit erfolgreich ist oder auch seinen Gewinn steigert, gilt sein Engagement in Deutschland typischerweise als desavouiert.“

Ethik wird – jedenfalls in Deutschland – unter Kostengesichtspunkten gesehen, sie gilt als teuer und eignet sich offenbar allenfalls für Hochglanzbroschüren.

„The business of business is business“, sagt der US-amerikanische Wirtschaftsprofessor und Nobelpreisträger Milton Friedman und meint damit: Ein Unternehmen lässt sich vom Profit leiten, von sonst nichts. Dass aber Unternehmensethik auch als Teil des Risikomanagements verstanden werden kann, belegen Beispiele aus der Vergangenheit:

Als der Ölkonzern Shell 1995 seine Ölplattform Brent Spar im Meer versenken wollte, erhob sich weltweit Protest. Die Ignoranz des Unternehmens hatte einen desolaten Imageverlust zur Folge. Aus Schaden wird allerdings der Mensch klug, weshalb sich Shell heute besonders im Umweltschutz engagiert.

Die Mobilfunkgesellschaft O2 setzt sich mit dem Jugendschutz auseinander und folgt einem Verhaltenskodex. Minderjährige werden vor Inhalten geschützt, die nur Erwachsenen zugänglich sein sollen. Damit wird das Unternehmen zum aufmerksamen und sachkundigen Vertragspartner im Bereich Telekommunikationstechnik und der Informationstechnologien.

Der Henkel-Konzern hat ein Programm zum schonenden Umgang mit der Umwelt aufgelegt und will damit nicht nur Verantwortung übernehmen, sondern auch wirtschaftlichen Erfolg haben.

Warum stellen zukunftsorientierte Unternehmen soziale, moralische und ökologische Standards auf?

Der US-amerikanische Investor Warren Buffett meint dazu: „Es dauert 10 Jahre, einem Unternehmen ein positives Image zu verleihen, aber nur 10 Sekunden, dieses zu verlieren“.

Was hat das alles konkret mit dem Ehrenkodex zu tun?

Mit dem Ehrenkodex unterwerfen sich die Unterzeichner – ob nun zähneknirschend oder positiv gestimmt – einer Moral. Wir haben uns viel damit befasst, welche Standards Geltung haben sollen, aber wir müssen den Weg konsequent zu Ende gehen und uns Gedanken über die Ethik machen. Die Ethik ist dabei nichts anderes als die Systematisierung und die Anwendung der Moral. Moral und Ethik stehen also im Verhältnis von Theorie und Praxis.

Praxis meint dabei die Umsetzung der Moral – des Ehrenkodex – auf Verbandsebene (Verbandsethik) und auf der Ebene der Unternehmen (Unternehmensethik).

Auf Verbandsebene bedeutet das, dass ein Ehrenkodex regelmäßig zu überprüfen ist und fortentwickelt werden muss. Der Ehrenkodex ist ein lebendiges Dokument. Das bedeutet auch, dass die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, dass gegen den Ehrenkodex verstoßen wird, auf Basis einer Satzung formuliert werden müssen. Wenn die Konsequenzen im semantischen Nebel der Satzung verschwinden, wird der Ehrenkodex zum „Papiertiger“. Deswegen müssen klare Sanktionen das pädagogische Mittel der Disziplinierung sein, etwa im Sinne einer internen Rüge, einer öffentlichen Rüge, bestimmter Verbandsstrafen oder des Ausschlusses aus dem Verband. Auf der Verfahrensebene könnte ein Kontrollgremium tätig werden, etwa ein „Ehrenrat“, dem sachkundige Persönlichkeiten angehören und der deswegen auch den verzeihlichen vom nachhaltigen Verstoß unterscheiden kann.

Je nachhaltiger der Verband bereit ist, einen Ehrenkodex als authentisches „Gütesiegel“ durchzusetzen, umso mehr empfiehlt er sich als ernstzunehmender Partner in der öffentlichen Debatte.

Umsetzung des Ehrenkodex auf Unternehmensebene bedeutet: Jedes Unternehmen, das den Ehrenkodex unterzeichnet, muss die Regeln verinnerlichen. Große Unternehmen beschäftigen inzwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Master- und MBA-Programme in den Bereichen Ethik- und Nachhaltigkeitsmanagement absolviert haben.

Es mag Konzernen und großen Unternehmen vorbehalten sein, ein Ressort Unternehmensethik zu schaffen und personell entsprechend zu besetzen, aber auch kleinere und mittelständische Unternehmen können sich diese Thematik erschließen, indem sie eine Unternehmensphilosophie entwerfen. Im konkreten Fall geht es darum, die Umsetzung des Ehrenkodex im eigenen Unternehmen zu thematisieren, diese Aufgabe an geeignetes Führungspersonal zu delegieren und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Regelwerk zu sensibilisieren.

Die Wirkung des Ehrenkodex verpufft, wenn die Unternehmensführung keine Struktur für die Umsetzung schafft.

Dazu ein Beispiel:

Vertragspartner, die in den Aufbau, die Vermittlung und Pflege von Kundenbeziehungen eingebunden werden, sind nach dem Ehrenkodex schriftlich zu verpflichten, die Regeln zu beachten und etwaige Subunternehmer einzubinden.

Wer prüft, ob die im Unternehmen verwendeten Verträge (Arbeits-, Vertriebs- oder beispielsweise Kooperationsvertrag) eine entsprechende Klausel vorsehen? Wird Sorge dafür getragen, dass der Ehrenkodex auf diese Weise auch auf Dienstleister übertragen wird, die ihn nicht unterzeichnet haben?

Aus der Umsetzung eines Ehrenkodex im Unternehmen, aus der Beschäftigung mit dem Thema Unternehmensethik können sich Impulse ergeben, die die Identifikation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit ihrem Unternehmen stärken und das Profil des Unternehmens im Wettbewerb schärfen. Wer solchermaßen Unternehmensethik praktiziert, bewirkt Vertrauen und hat Wettbewerbsvorteile.

Ethisches Verhalten schafft Attraktivität, motiviert, ist messbar und wird profitabel. Moral und Markt müssen nicht im Widerstreit zueinander stehen.

Für ein Unternehmen lassen sich daraus langfristige Strategien entwickeln, die mit dem Ehrenkodex beginnen und über Modelle der Corporate Social Responsibility (CSR) fortentwickelt werden können.

Im Leitfaden der in Kaiserslautern ansässigen Consulting-Akademie Unternehmensethik heißt es:

„Künftige Führungskräfte werden Kompetenzen brauchen, die weit über die Instrumente der traditionellen Betriebswirtschaft hinausreichen. Sie werden die Stellung von Unternehmen (ethisch) reflektieren und geeignete Maßnahmen zur Umsetzung eines verantwortungsvollen Handelns initiieren müssen.“

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