Anmerkung zu Reg TP: Missbräuchliches Verhalten beim Zugang zur TAL – „Letzte Meile“
TKG §§ 33, 35; NZV § 2, 3, 5; RL 90/387/EWG i.d.F. RL 97/51/EG Art. 3 Abs. 2
Entscheidung der Beschlusskammer 3 vom 07.06.2000 BK 3-2-99/033
mit Anmerkung Mayer (nachfolgend in Auszügen)
Leitsätze der Redaktion
1. Beim Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) als besonderen Netzzugang handelt es sich um eine wesentliche Leistung i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG, da eine wirtschaftlich realisierbare Alternativtechnik für die „Letzte Meile“ noch nicht zur Verfügung steht. Das Merkmal der Wesentlichkeit i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG bezieht sich hierbei nur auf die Leistung selbst (hier Zugang zur TAL), nicht aber auf den Umfang oder die Bedingungen ihrer Nutzung.
2. Unter Diskriminierung i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG ist nicht nur ein Verhalten zu verstehen, das gegen den Grundsatz formaler Gleichbehandlung der Betroffenen zu den Wettbewerbern oder der Wettbewerber untereinander verstößt, sondern vielmehr auch solche Verhaltensweisen, die die nachfragenden Wettbewerber trotz formaler interner und externer Gleichbehandlung mittelbar oder unmittelbar unbillig behindern.
3. Die Deutsche Telekom (DTAG) nutzt ihre marktbeherrschende Stellung entgegen § 33 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 35 Abs. 2 TKG hinsichtlich einzelner den Vertragspartnern im Wesentlichen einseitig auferlegter Klauseln des TAL-Standardvertrags aus, in dem sie den Zugang zur TAL nur zu diskriminierenden Konditionen gewährt, die nicht auf objektiven Maßstäben beruhen, nicht nachvollziehbar sind und keinen gleichwertigen Zugang zu ihrem TK-Netz gewährleisten, ohne dass ihr Vorgehen insoweit sachlich gerechtfertigt wäre.
4. Die von der DTAG in ihrem TAL-Standardvertrag verwendeten Klauseln, wonach der Vertragspartner bei der Verlegung des Kollokationsraumes die hiermit verbundenen Kosten alleine zu tragen hat und die Bereitstellungsfristen in Bezug auf die Kollokationsvarianten und den Zugang zur TAL nur Regelbearbeitungsfristen sind, sind nicht nachvollziehbar, beruhen nicht auf objektiven Maßstäben und verhindern somit in diskriminierender Weise einen gleichwertigen Zugang.
5. In Bezug auf die Kostenregelung bei der Verlegung eines Kollokationsraums wird der DTAG auferlegt, die Klausel dahingehend abzuändern, dass sie sich zur Übernahme der hälftigen Kosten verpflichtet. Hinsichtlich der Bereitstellungsfristen wird der DTAG auferlegt, diese als verbindlich auszugestalten, ferner bei bloßer Erweiterung der Kollokationsflächen oder dem Hinzutreten eines neuen Wettbewerbers in eine bestehende Kollokationsfläche die Bereitstellungsfrist von 16 Kalenderwochen auf sieben Kalenderwochen zu verkürzen und die Bereitstellungsfrist für den Zugang zur TAL von zehn Werktagen auf sieben Werktage zu verkürzen.
6. Die von der DTAG in ihrem TAL-Standardvertrag verwendete Klausel, wonach der an den Vertragspartner überlassene Zugang zur TAL ausschließlich für die eigene Nutzung durch den Vertragspartner bestimmt und eine Überlassung an Drittunternehmen nicht gestattet ist, ist insoweit missbräuchlich, als hierdurch dem Vertragspartner ein eigenes (Resale) –Angebot von TK-Dienstleistungen unter Einbeziehung der TAL an Drittunternehmen nicht erlaubt ist, die diese zur Erbringung eigener Dienstleistungen beim Vertragspartner nachfragen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Vertragspartner der DTAG die TAL weiterhin zum Angebot eigener TK-Dienstleistungen an Endkunden nutzt. Eine Untervermietung der TAL als solcher wird hiervon nicht umfasst.
7. Als Leistung i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG ist ein vom marktbeherrschenden Anbieter oder seinem Rechtsvorgänger geschaffenes oder erworbenes Vorprodukt auf niederer betrieblicher Wertschöpfungsebene zur Erbringung von TK Dienstleistungen auf höherer Ebene zu verstehen, wobei der Begriff der Leistung weit auszulegen und nicht auf TK-Dienstleistungen zu beschränken ist. Besteht die intern in Anspruch genommene Leistung aus Teilen einer Anlage, kann von einem Vorprodukt nur die Rede sein, wenn bei deren Zusammenfügung ein funktionell eigenständiges, abgrenzbares Ergebnis erzielt wird, welches sich als solches ohne weiteres aus der – wenn auch niederen Wertschöpfungskette des Marktbeherrscher – herausgelöst und ohne weiteres in diejenige des Wettbewerbers eingefügt werden kann. Diese Voraussetzungen des Leistungsbegriffs sind beim Zugang zur TAL gegeben. Die einzelnen Komponenten/Bedingungen der Zugangsgewährung stellen hierbei nur einen unselbständigen Charakter der Leistung dar.
8. Der Begriff der „Netzzugangsbeschränkung“ nach § 35 Abs. 2 TKG, die nur unter den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 ONP-Richtlinie zulässig ist, ist eng auszulegen und umfasst nur solche Maßnahmen, die physisch oder faktisch den Zugang zu dem gesamten Netz oder Teilen des Netzes, zu dem Zugang gewährt wird, beschränken. Bei sonstigen einzelnen Reglungen der Zugangsgewährung handelt es sich hingegen um Zugangsbedingungen, die in ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch nach § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG unzulässig sein können.
Autor: Frank Joachim Mayer, veröffentlicht in „MMR 2000, 500 ff.“