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„Ewigkeitsgarantie“ im Generalagenturvertrag

Generalagenturen erfolgreich vor dem Landgericht Köln (Az.: 89 O 15/11 u. a.)

Nichts ist für die Ewigkeit, heißt es. Eines Besseren musste sich ein weltweit führendes Versicherungsunternehmen im Konflikt mit 3 Generalagenturen vom LG Köln belehren lassen. In den Urteilen des LG Köln vom 25.11.2011 (Az.: 89 O 15/11; Az.: 89 O 7/11; Az.: 89 O 11/11) stellt das Gericht fest, die Versicherung könne den Generalagenturen das Recht zum Inkasso nicht durch ordentliche Kündigung entziehen, das Inkassorecht stehe den Generalagenturen vielmehr dauerhaft zu. Auf den ersten Blick mag verblüffend erscheinen, dass eine Partei im Wirtschaftsleben der anderen Partei eine Art „Ehe“ antragen kann, Scheidung – abgesehen vom groben Treuebruch – ausgeschlossen. Doch, meint das LG Köln übereinstimmend mit den Klägern, – das geht!

Der „Treuebund“ zwischen Generalagenturen und Versicherungen im Familienschutzgeschäft

Wer das Vertragsverhältnis zwischen Generalagenturen und Versicherungen im Familienschutzgeschäft verstehen will, wer zu ergründen versucht, weshalb der dnv ein solches Thema aufgreift, muss sich mit der Historie des WBZ auseinandersetzen. Der Rückblick ist auch erforderlich, um den vor dem LG Köln ausgetragenen Konflikt zu verstehen:

Querverkäufe, also das, was man heute als Cross-Selling oder Up-Selling bezeichnet, gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Ein findiger Verleger aus Leipzig kombinierte den Verkauf einer Zeitschrift mit einem Versicherungsvertrag (vgl. Brummund, Struktur und Organisation des Pressevertriebs, München 2006, S. 394 ff.). Das war die Geburt der „Versicherungszeitschrift“, die auch deshalb so erfolgreich war, weil der „Sprung“ und die Kündigungsquoten erheblich reduziert wurden (vgl. Brummund, a. a. O., S. 394). Später wurde die Koppelung der Produkte verboten, den Versicherungsschutz übernahmen Versicherungsgesellschaften und das Familienschutzgeschäft etablierte sich als selbstständiger Zweig innerhalb des WBZ, wobei die Versicherungen auch weiterhin „Vertriebskanäle“ nutzten, die sich bewährt hatten. Die mit dem Vertrieb betrauten Unternehmen überlebten den erzwungenen Prozess der Umstrukturierung nur, weil ihnen das „Inkasso“ belassen wurde. Das „Inkasso“ ist historisch eine Art „Überlebensgarantie“ der Generalagenturen. Mit der Inkassoprovision wird einerseits eine entsprechende Dienstleistung der Generalagenturen vergütet, andererseits soll mit der fortlaufenden Zahlung einer Inkassoprovision auch der Beitrag der Generalagenturen zum Aufbau von Versicherungsbeständen honoriert werden.

Was hat die Geschichte der Versicherungs-Zeitschrift mit dem Urteil des LG Köln zu tun?

Wer die Vorgänge in der Gegenwart richtig verstehen will, muss sich bisweilen mit der Historie beschäftigen. Vertragsparteien beziehen sich oft auf Verträge, die vor Jahrzehnten geschlossen wurden, im konkreten Fall etwa auf einen Vertrag aus dem Jahre 1958, der folgende Klausel enthält.

„Wir verpflichten uns, Ihnen den Beitragseinzug auch über die Dauer des obigen Vertrages hinaus solange zu belassen, wie Sie dazu bereit sind und Ihren Verpflichtungen aus diesem Vertrag nachkommen.“

Das war 1958, aber 2008/2009 fusionierte der Vertragspartner von 1958 mit einem großen Versicherungskonzern, der kein Interesse mehr an dieser Sparte hatte und nunmehr versuchte, die Generalagenturen durch Kündigung „loszuwerden“.

Die Generalagenturen bezogen sich indessen auf die zitierte Klausel im Vertrag, auf eine „Ewigkeitsgarantie“, die zumindest das Inkasso erfasste.

Bei der Auslegung eines Vertrages kommt es auf den wirklichen Willen der Parteien an, auf das, was nach Treu und Glauben maßgeblich sein soll (§§ 133,157 BGB). Aber wer weiß, was die Vertragsparteien vor 50 Jahren gewollt haben? In solchen Fällen helfen die Archive des Bundesverbandes der Medien- und Dienstleistungshändler e. V., mit dessen Hilfe belegt werden konnte, was die Parteien seinerzeit veranlasst hatte, den Generalagenturen ein dauerhaftes Inkasso einzuräumen, das Recht der Versicherungen zur ordentlichen Kündigung auszuschließen.

Entsprechend war die Klage der Generalagenturen gegen die Versicherung erfolgreich. Das Landgericht Köln stellte fest, die Kündigung führe nicht zur Beendigung des Generalagenturvertrages, soweit die Klägerinnen zum Inkasso für die Beklagte berechtigt und verpflichtet seien.

Das Gericht wies auch das Argument der Beklagten zurück, die Inkassotätigkeit sei der Klägerin ab dem 01.01.2012 nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) untersagt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt – so das Argument der Versicherung – ende zumindest die Vertriebstätigkeit der Klägerin durch ordentliche Kündigung, folglich sei das Inkasso nicht mehr Neben- sondern Haupttätigkeit, und zwar mit der Folge, dass es erlaubnispflichtig werde. Über eine entsprechende Erlaubnis – so das Argument der Beklagten – verfügten die Generalagenturen nicht.

Das Landgericht Köln folgte indessen auch insoweit der Rechtsauffassung der Klägerinnen und stellte fest, die Inkassotätigkeit sei gem. § 5 RDG erlaubnisfrei. Sie sei Nebenleistung zum Berufs- bzw. Tätigkeitsbild der Generalagenturen als Versicherungsvertreterinnen.

Fazit:

Das Recht zur „ordentlichen Kündigung“ kann in Verträgen dauerhaft ausgeschlossen werden, und zwar mit der Folge, dass sich die Parteien „ewig“ binden. Nur die „außer-ordentliche“ Kündigung bleibt zulässig, setzt aber voraus, dass ein grober Pflichtverstoß nachgewiesen werden kann. Vermitteln Generalagenturen Versicherungsverträge und üben sie gleichzeitig eine Inkassotätigkeit bezüglich der vermittelten Verträge aus, so ist die Inkassotätigkeit erlaubnisfrei i. S. d. § 5 RDG.

Autor: Franz Dänekamp, veröffentlicht in „der neue Vertrieb 10/12, S. 34 f.“

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