LG Berlin – Vorkenntnis des Käufers vom Objekt: Anspruch auf Maklerlohn?
Die Innenbesichtigung eines Mietobjekts stellt grundsätzlich eine wesentliche Maklerleistung dar, die eine Mitursächlichkeit des Nachweises trotz einer Vorkenntnis des Kaufinteressenten vom Objekt begründet.
LG Berlin, Urteil vom 09.12.2011 – 19 O 284/11
§ 652 BGB
Problem/Sachverhalt
Der klagende Makler verlangt von dem Beklagten Maklerprovision in Höhe von € 17.778,60. Der Beklagte hatte sich auf ein Eigeninserat der Verkäufer in einem Immobilienportal im Internet gemeldet. Von den Verkäufern hatte er deren Namen und Anschrift sowie ein Exposé erhalten. Sodann wandte er sich an den Kläger, der dasselbe Objekt im Auftrag der Verkäufer ebenfalls in einem Immobilienportal angeboten hatte. Von diesem erhielt er ebenfalls ein Exposé. Dies enthielt ein eindeutiges Provisionsverlangen in Höhe von 7,14% des Kaufpreises. Aufgrund entsprechender Vereinbarung fand dann mit dem Kläger ein ausführlicher Besichtigungstermin statt. Anlässlich des Besichtigungstermins erteilte der Kläger dem Beklagten zahlreiche wichtige Informationen über das Objekt. Einige Monate später kam es dann nach einer erneuten Besichtigung unmittelbar mit den Eigentümern zum Abschluss des Kaufvertrages. Die von dem Kläger daraufhin gestellte Rechnung bezahlte der Beklagte nicht, weshalb der Makler Klage erhob.
Entscheidung
Mit Erfolg! Das Gericht bejaht die Voraussetzungen für die Entstehung des Provisionsanspruchs (allerdings nur in Höhe des hälftigen Provisionsbetrages; nach Durchführung einer Beweisaufnahme war das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Zusage des Klägers vorlag, im Falle der Provisionsentstehung nur den hälftigen Betrag zu berechnen). Obwohl dem Beklagten bei Beauftragung des Klägers Name und Adresse der Verkäufer sowie das Objekt bereits bekannt waren, bejaht das Gericht ohne nähere Begründung eine Nachweistätigkeit des Klägers im Sinne des § 652 BGB. Wegen des zeitlich nahen Abschlusses des Kaufvertrages wird die Kausalität der Maklerleistung für den Abschluss des Kaufvertrages – widerleglich – vermutet. Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte Vorkenntnis, da er bereits sämtliche für den Abschluss des Kaufvertrages relevanten Informationen von den Eigentümern erhalten hatte, und zwar schon bevor er sich an den Kläger wandte. Diese Vorkenntnis ist aber unschädlich, da nach Abschluss des Maklervertrages eine sehr intensive und informative Innenbesichtigung stattfand. Diese war jedenfalls mitursächlich für den Abschluss des Kaufvertrages. Mitursächlichkeit reicht für die Entstehung des Provisionsanspruchs grundsätzlich aus. Der Beklagte schuldet daher die (wegen der Parteivereinbarung auf die Hälfte reduzierte) Provision.
Praxishinweis
Das Urteil ist im Ergebnis richtig. Es ist allerdings fraglich, ob überhaupt eine Nachweisleistung im Sinne des § 652 BGB vorliegt. Als sich der Beklagte an den Kläger wandte, hatte er bereits sämtliche Informationen, die er zum Abschluss des Kaufvertrages benötigte. Ihm konnte deshalb nichts mehr „nachgewiesen“ werden. Wird allerdings bereits die Nachweistätigkeit verneint, kann es im Grunde auch keine Mitursächlichkeit mehr geben. Deshalb steht der BGH auf dem Standpunkt, dass eine bereits vorliegende vollständige Vorkenntnis nicht die Nachweisleistung als solche, sondern deren Ursächlichkeit für das Zustandekommen des Hauptvertrages ausschließen kann (BGH NJW-RR 1998, 411, Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht, 6. Auflage, Rn. 264, 561 m. w. N.). Besser ist folgende Lösung: Der Maklerkunde hat dem Makler in Kenntnis der Umstände, die der Entstehung eines Provisionsanspruchs entgegenstehen (Vorkenntnis), einen provisionspflichtigen Maklerauftrag erteilt. Er schuldet dem Makler deshalb die vereinbarte Provision auch dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Provisionsanspruchs (fehlende Nachweisleistung) nicht vorliegen. Es handelt sich dann um ein sog. selbstständiges Provisionsversprechen (BGH NJW 1998, 1552; Hamm/Schwerdtner, a. a. O., Rn. 208, Lehner NJW 2000, 2405).
Autor: Wolfgang Lehner, IMR 2012, 518