OLG Düsseldorf: Keine Verpflichtung zum Nachweis einer Netzzusammenschaltung bei mittelbarer Transitterminierung
UWG §§ 8 Abs. 1; 3; 4 Nr. 10
Urteil vom 27.11.2007 – I-20 U 22/07 (LG Düsseldorf); rechtskräftig
Leitsatz der Redaktion
Ein Netzbetreiber, der die Anrufzustellung (Terminierung) von Verbindungen aus dem Festnetz in ein Mobilfunknetz nicht auf Grund einer unmittelbaren Netzzusammenschaltung mit dem Mobilfunknetzbetreiber, sondern mittelbar über zwischengeschaltete Netzbetreiber (Transitnetzbetreiber) vornimmt, ist nicht verpflichtet, gegenüber dem Mobilfunknetzbetreiber auf Verlangen den Nachweis zu erbringen, dass der von ihm angewählte Transitnetzbetreiber die Anrufzustellung auf Grundlage einer Netzzusammenschaltung mit dem Mobilfunknetzbetreiber erbringt.
Sachverhalt
Die Kl. zu 2. betreibt das Mobilfunknetz X. Die Kl. zu 1. ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Kl. zu 2. und bietet Dienstleistungen – Verbindungsaufbau, Gesprächsübertragung und Anrufzustellung – für Endkunden an. Zu diesem Zweck bietet sie Endkunden sog. SIM-Karten an. Die ursprüngliche Bekl. zu 1., über deren Vermögen währen des Berufungsverfahrens mit Wirkung v. 1.3.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und hinsichtlich derer der Rechtsstreit daher mit B. des Senats v. 18.6.2007 abgetrennt worden ist, war Großhändlerin für die TK-Dienstleistungen. Die Bekl. zu 2., 3. und 4. waren die Vorstandsmitglieder der Erstbekl. Dabei betrieb die Erstbekl. den Großhandel mit TK-Dienstleistungen technisch in der Weise, dass sie in Frankfurt/M. einen Vermittlungsrechner betrieb, an den auf Grund von Verträgen (Carrier-Verträge) eine Vielzahl von Netzbetreibern angeschlossen waren. Auf diesem Wege leitete die Bekl. Verbindungen von einem Netzbetreiber an einen anderen Netzbetreiber weiter, der die Weiterleitung zum Zielanschluss übernahm.
Die Verbindung zwischen den Netzen einzelner Netzbetreiber wird dabei grds. über eine Zusammenschaltung bewirkt, hinsichtlich derer die Netzbetreiber untereinander Zusammenschaltungsvereinbarungen getroffen haben. Die Zusammenschaltung erfolgt durch Übergabe der Daten an vertraglich festgelegten „Points of Interconnection“ (POI). Da nicht sämtliche weltweit tätigen Netzbetreiber jeweils miteinander Zusammenschaltungsvereinbarungen geschlossen haben, kann die Zusammenschaltung auch in der Weise bewirkt werden, dass der Betreiber des Ausgangsnetzes sein Netz mit einem anderen Netzbetreiber zusammenschaltet, der wiederum sein Netz mit dem Teilnehmernetz zusammenschaltet, in dem der Zielanschluss sich befindet (von den Parteien als „unmittelbarer Transitfall“ bezeichnet). Ein solcher Transitnetzbetreiber ist z. B. die DTAG. Darüber hinaus ist es technisch möglich, dass der Betreiber des Ausgangsnetzes sein Netz mit einem Drittnetz zusammenschaltet, in welchem die Terminierung dann durch Weiterleitung an einen weiteren Netzbetreiber bewirkt wird, der nun seinerseits eine Zusammenschaltung mit dem Zielnetz durchführt (von den Parteien als „mittelbarer Transitfall“ bezeichnet). Für die Übernahme und Terminierung des Gesprächs fällt eine von den übergebenden Netzbetreiber zu zahlende Interconnection (IC-)Gebühr an. Ferner erheben die Transitnetzbetreiber Gebühren für die Durchleitung von Gesprächen.
Nach einem von den Kl. eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren haben die Bekl. eine Abschlusserklärung abgegeben, nach der sie verpflichtet sind, es zu unterlassen, SIM-Karten zum Zwecke der Ein- oder Weiterleitung von Verbindungen eines Dritten aus einem fremden Kommunikationsnetz in das X-Mobilfunknetz zu nutzen. Die Bekl. haben damals aber darauf verwiesen, die Verwendung von SIM-Karten durch die Fa. B.T. sei auf deren Veranlassung erfolgt, weshalb sie sich nur als Mitstörer ansähen.
Die Kl. haben den Bekl. dann aber vorgeworfen, von ihnen weitergeleitete Gespräche seien überhaupt mittels GSM-Gateways in ihr, der Kl., Netz zur Terminierung eingeleitet worden. Sie haben diesbezüglich geltend gemacht, die von den Bekl. vorgenommenen Netzzusammenschaltungen seien von vornherein nur wirtschaftlich sinnvoll, wenn GSM-Gateways verwendet würden. Es sei zudem nicht akzeptabel, dass durch die mittelbaren Trasitfälle eine Art anonymer Transitverkehr entstehe. Die Vermittlung an Drittnetzbetreiber, die nicht über eine Zusammenschaltungsvereinbarung mit der Kl. zu 2. verfügten, stelle sich als unlautere Wettbewerbshandlung nach §§ 3, 4 Nr. 10 UWG dar.
Das LG hat die Klage abgewiesen, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Zur Begründung hat das LH ausgeführt, zwar stelle sich der bewusste Einsatz von GSM-Gateways und die damit verbundene Ausnutzung von Tarifdifferenzen als unlautere Wettbewerbshandlung i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 10 UWG dar. Die Kl. könnten dementsprechend von jedem Unternehmen und jeder Person, die eine solche Behinderung im Wettbewerb vornehme, Unterlassung verlangen. Es bestehe aber keine wettebwerbsliche Pflicht, Dritte dahingehend zu überprüfen, ob diese die Anrufweiterleistung in das X-Netz nur auf Grundlage einer mit der Kl. zu 2. geschlossenen Weiterleitungsvereinbarung durchführten. Es bestehe keine rechtliche Pflicht, vorbeugend das rechtswidrige Tun eines Dritten zu verhindern. eine evtl. Erstbegehungsgefahr könne nicht so weit ausgelegt werden, dass ohne konkrete Anhaltspunkte eine Prüfung bei Dritten vorgenommen werden müsste.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien unstreitig gestellt, dass die Betreiber von Transitnetzen unterschiedlich hohe Verbindungsentgelte verlangen und dass eine unmittelbare Netzzusammenschaltung mit dem Netz der Kl. zu 2. einen hohen technischen und finanziellen Aufwand erfordert, sodass die Nutzung eines Transitnetzes durchaus wirtschaftlich sinnvoll sein kann.
Aus den Gründen
… Die Kl. zu 2. hat gegen den Bekl. … keinen Anspruch darauf, dass dieser es unterlässt, Gespräche zur Terminierung in das X-Netz an Dritte weiterzuleiten, die ihrerseits nicht nachweisen, dass die Terminierung unmittelbar oder mittelbar auf Grund einer Zusammenschaltungsvereinbarung mit der Kl. zu 2. erfolgt. Ein solcher Anspruch kann sich nur aus §§ 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 10 UWG ergeben.
Nach § 4 Nr. 10 UWG handelt unlauter, wird Mitbewerber gezielt behindert. Eine gezielte Behinderung in diesem Sinne liegt vor, wenn die wettbewerbsrechtliche Handlung weniger auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung gerichtet ist als auf die Störung der fremden wettbewerblichen Entfaltung (Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 UWG Rdnr. 10.7). Dabei liegt eine kundenbezogene unlautere Behinderung in der Regel dann vor, wenn die von oder für einen Mitbewerber geschaffenen Einrichtungen ausgenutzt werden, um Kunden abzufangen (Köhler, a. a. O., Rdnr. 10.27).
Aus diesem Grunde ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, dass die Vermittlung von Telefonaten von einem Drittnetz in das Mobilfunknetz vermittels der für Endkunden bestimmten SIM-Karten der Kl. Zu 1. in sog. GSM-Gateways eine gezielte Behinderung des Wettbewerbs der Kl. Darstellt. Dieses Verhalten ist i. Ü. nicht nur unter dem Gesichtspunkt unlauter, dass die Einrichtung der Kl. (Basisstationen, SIM-Karten) zur Umgehung der eigentlich zu entrichtenden IC-Gebühr eingesetzt werden, sondern auch, weil dies nur möglich ist, indem Endkunden der Kl. zu 1. gezielt zum Vertragsbruch veranlasst werden.
Die Kl. zu 2. verlangt von dem Bekl. jedoch nicht, dass dieser eine Mitwirkung an Terminierungen mittels derartiger GSM-Gateways unterlässt. Insoweit würde es einer entsprechenden Klage wegen der vom Bekl. abgegebenen Abschlusserklärung auch am Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Sie verlangt vielmehr, dass dieser bei Terminierungen in ihr Netz von seinem Vertragspartner nachweisen lässt, dass dieser die Terminierungsleistung letztendlich auf Grund einer Netzzusammenschaltungsvereinbarung erbringt.
In der Rspr. ist anerkannt, dass zumindest auch derjenige selber unlauter handelt, der einen Wettbewerbsverstoß durch sein eigenes Verhalten gefördert oder gar erst ermöglicht hat, indem er zumindest bedingt vorsätzlich zu einer Lage beigetragen hat, die nach der Lebenserfahrung zu einem bestimmten wettbewerbswidrigen Verhalten führt (BGH GRUR 2003, 624; BGH GRUR 1973, 370, 371). Ein Anspruch auf das von der Kl. begehrte Verhalten wäre danach aber nur dann gegeben, wenn die Vermittlung der Terminierung mittels der von den Parteien sog. „mittelbaren Transitlösung“ nur bei Verwendung von GSM-Gateways wirtschaftlich vernünftig wäre, denn dann würde bereits das Angebot einer solchen Leistung indizieren, dass die Terminierung auf unlauterem Wege erfolgt und der Bekl. müsste sich entgegenhalten lassen, an dieser unlauteren Wettbewerbshandlung mitgewirkt zu haben.
So ist es hier aber gerade nicht. Wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt haben, ist die unmittelbare Netzzusammenschaltung technisch und finanziell sehr aufwändig, weil die Kl. zu 2. z. Zt. eine Realisierung der Netzzusammenschaltung an mindestens acht bundesweit verteilten POIs verlangt. Das ist eine Startinvestition, die sich für andere Angebote nur bei einem entsprechend hohen Terminierungsaufkommen in das Netz der Kl. lohnt. Ferner ist zwar die von der Kl. zu 2. verlangte Gebühr stets gleich, die Transitgebühren sind jedoch variabel, sodass es durchaus wirtschaftlich sinnvoll sein kann, auch die Transitleistung z. B. über einen Transitnetzbetreiber besonders günstige Konditionen – etwa wegen eines hohen Gesprächsaufkommens – erhält. Es gibt daher eine Vielzahl von Konstellationen, in denen auch ohne den Einsatz von GSM.Gateways die „mittelbare Transitlösung“ wirtschaftlich vernünftig ist, sodass aus dem Angebot mittelbaren Transits nicht auf den unlauteren Einsatz derartiger Geräte geschlossen werden kann.
Die sog. „mittelbare Transitlösung“ stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als unlauter dar. Bei ordnungsgemäßer Durchführung führt die „mittelbare Transitlösung“ weder zu einer anonymen Terminierungskette, noch erschwert sich der Kl. zu 2. die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen. Anders als beim Einsatz von GSM-Gateways, bei denen das Gespräch ja scheinbar seinen Ursprung im Netz der Kl. zu 2. hat, werden bei der „mittelbaren Transitlösung“ alle erforderlichen Daten weitergeleitet, da ja lediglich mehrere Netzzusammenschaltungen hintereinander geschaltet werden. Der Fall der „mittelbaren Transitlösung“ unterscheidet sich insoweit technisch nicht von dem unstreitig zulässigen Fall der „unmittelbaren Transitlösung“.
Auch verstößt die „mittelbare Transitlösung“ entgegen der Ansicht der Kl. zu 2) nicht gegen § 613 BGB enthält nämlich kein gesetzliches Verbot, sondern eine Auslegungsregel (Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 613 Rdnr. 1). Beim TK-Vertrag, bei dem ein Teilnehmer aus dem Anschlussnetz eines Betreibers ggf. unter bewusster Wahl einer Verbindungsnetzbetreibers eine Kommunikationsverbindung in das Netz eines anderen Anschlussnetzbetreibers wählt, ergibt sich aber bereits aus den Umständen, dass die Dienstleistung nicht nur vom Vertragspartner des Anrufers erbracht wird. Vielmehr muss die Terminierungsleistung in einem solchen Fall unter Mitwirkung der beiden Teilnehmernetzbetreiber hergestellt werden. Der Verbindungsnetzbetreiber kann in einem derartigen Fall auch ohne weiteres davon ausgehen, dass es dem Dienstberechtigten gleichgültig ist, welche Netzbetreiber an der Verbindungsherstellung beteiligt sind, sodass im Falle von TK-Dienstleistungen in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien des jeweiligen Dienstvertrages § 613 BGB zumindest stillschweigend abbedungen haben. Andernfalls wäre i. Ü. auch der – unstreitig zulässige und technisch zwingend notwendige – „unmittelbare Transit“ z. B. über das Netz der DTAG unzulässig, denn auch in diesem Fall wird ein erheblicher Teil der Terminierungsleistung von einem Dritten, der DTAG nämlich, und einem Vierten, der Kl. zu 2. nämlich, erbracht.
Letztlich aus dem gleichen Grund haftet der Bekl. … auch nicht als Störer auf Unterlassung dahin, Gespräche zur Terminierung in das X-Netz an Dritte weiterzuleiten, die ihrerseits nicht nachweisen, dass die Terminierung unmittelbar oder mittelbar auf Grund einer Zusammenschaltungsvereinbarung mit der Kl. zu 2. erfolgt.
Als Störer haftet derjenige auf Unterlassung, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt. Weil die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rspr. des BGH de Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist(BGH GRUR 2007, 708 =MMR 2007, 507 m. Anm. Spindler – Internetversteigerung II; BGH GRUR 2003, 969). Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich wiederum nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommen sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGH GRUR 2003, 969).
Die in Rede stehende Vermittlungsleistung des Bekl. … reicht nach diesen Grundsätzen nicht aus, um seine Haftung als Störer zu begründen. Grds. ist es Sache desjenigen, der dem Bekl. … eine Gesprächsterminierung in das X-Netz anbietet, dafür Sorge zu tragen, dass diese in rechtlich einwandfreier Weise, d.h. über eine Kette von Netzzusammenschaltungsvereinbarungen, erfolgt. Diese Dienstleistung erbringt der anbietende Netzbetreiber daher grds. selbstständig und in eigener Verantwortung. Eine Prüfungspflicht kann daher den Bekl. … nur treffen, wenn dieser Anhaltspunkte dafür hat, dass sich sein Vertragspartner seinerseits unlauter verhält. Da aber die Terminierung über die „mittelbare Transitlösung“ als solche aus den vorstehend erörterten Gründen nicht unlauter ist und auch nicht den Schluss auf ein unlauteres Verhalten zulässt, kann von dem Bekl. … auch nicht verlangt werden, dass er ohne konkrete Verdachtsmomente das Verhalten seiner Vertragspartner auf die Lauterkeit hin prüft. Das verlangt die Kl. Aber letztendlich.
Dem lässt sich auch nicht … entgegenhalten, dass es in der Vergangenheit mehrfach zu Terminierungen in ihr Netz mittels GSM-Gateways gekommen ist, wobei die ursprüngliche Erstbekl. an der Vermittlung der Terminierungsleistung beteiligt war. Der Bekl. hat ohne Frage die wissentliche Mitwirkung an derartigen unlauteren Handlungen zu unterlassen. Das Begehren der Kl. geht hierüber jedoch weit hinaus: Es wird von dem Bekl. verlangt, dass dieser ohne jeden konkreten Verdacht die Überwachung des lauteren Verhaltens anderer Marktteilnehmer übernimmt. Eine derartige Verpflichtung kann auch dann, wenn einzelne Vertragspartner in der Vergangenheit ein auf Grund konkreter Anhaltspunkte die Annahme, es werde in unlauterer Weise unter Verwendung von GSM-Gateways terminiert, naheliegt.
Der Fall lässt sich insoweit mit dem Verkauf gestohlener Ware vergleichen. Auch beim Ankauf gebrauchter Gegenstände muss sich der Käufer vom Verkäufer ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich um Diebesgut handelt, nicht nachweisen lassen, dass dieser die Ware durch eine ununterbrochene Kette von Erwerbsvorgängen erworben hat. Erst dann, wenn er auf Grund der Umstände, z.B. eines verdächtig niedrigen Preises, Grund zu ernsthaften Zweifeln hat, trifft ihn eine Nachforschungspflicht und andernfalls der Vorwurf der Hehlerei. Das gilt auch dann, wenn der Händler in der Vergangenheit schon einmal Diebesgut erworben hat. Es wird dann nicht ernsthaft gefordert werden können, dass auf Grund dieses Vorfalls ein derartiger Händler sich von jedem künftigen Verkäufer die Herkunft der Ware lückenlos nachweisen lässt. Übertragen auf den hier zu entscheidenden Fall bedeutet dies, dass der Bekl. … wohl Veranlassung zur Nachforschung haben könnte, wenn ihm jemand Terminierungsleistungen in das X-Netz unterhalb der von der Kl. … erhobenen IC-Gebühr anbietet. Dass dies der Fall gewesen wäre, ist aber nicht vorgetragen. Ohne einen solchen konkreten Anlass ist ihm eine Überprüfung jedoch nicht zuzumuten. Es wäre eine schwere dem Bekl. … nicht zumutbare Belastung, ihm allein im Wettbewerb die Beschaffung von Nachweisen aufzuerlegen und ihn damit in eine Außenseiterstellung zu bringen, nur weil er in der Vergangenheit auf Partner getroffen ist, die Gespräche in einer Weise weitergeleitet haben, dass es zum Einsatz von GSM-Gateways gekommen ist.
Es trifft schließlich auch nicht zu, dass die ursprüngliche Erstbekl. eine „anonyme Terminierungskette“ ermöglicht hätte. Eine anonyme Terminierungskette entsteht zwar beim Einsatz von GSM-Gateways deshalb, weil z.B. die CLI-Daten nicht übermittelt werden. Die Vermittlungsleistung der ursprünglichen Erstbekl. schafft eine solche anonyme Terminierungskette jedoch nicht, denn die Gespräche und ihre Weiterleitung lassen sich letztlich lückenlos rückverfolgen, da die jeweiligen Netzbetreiber jeweils den Netzbetreiber kennen, von dem sie die Daten übernommen haben, und denjenigen, an den die Daten weiterübermittelt worden sind. So hat in dem von der Kl. vorgetragenen Fall … die frühere Erstbekl. ohne weiteres mitteilen können, dass dieses Gespräch an die besagte Firma weitergeleitet wurde. Von einer anonymen Terminierungskette kann daher schon in tatsächlicher Hinsicht keine Rede sein. …
Anmerkung
Die Kl. betreibt ein Mobilfunknetz. Bei der ursprünglichen Bekl. Zu 1. handelt es sich umeine zwischenzeitlich insolvente Großhändlerin für TK-Minuten, an dessen Vermittlungsrechner eine Vielzahl von Netzbetreibern zwecks Kauf und Verkauf von Telefonminuten angeschlossen waren. Bei den weiteren Bekl. handelt es sich um die ehemaligen Vorstandsmitglieder der Erstbekl., gegen die die Kl. das Verfahren aus den Grundsätzen der Mitstörerhaftung fortführte.
Die Erstbekl. wurde zunächst von der Kl. als Mitstörer abgemahnt, weil ein an dem Vermittlungsrechner der Erstbekl. auf Grundlage einer Netzzusammenschaltung angeschlossener Netzbetreiber die Terminierung in das Mobilfunknetz der KL. in unzulässiger Weise über ein GSM-Gateway vornahm. Nachdem die Erstbekl. diesbezüglich eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte und das Verfahren insoweit für erledigt erklärt wurde, erweiterte die Kl. ihren Klageantrag dahingehend, dass die Bekl. es zu unterlassen hatten, Telefonate zum Zwecke der Anrufzustellung in das Mobilfunknetz an Dritte weiterzuleiten, ohne sich von diesen den Nachweis erbringen zu lassen, dass die Anrufzustellung in das Mobilfunknetz auf Grundlage einer mit der Kl. geschlossenen Zusammenschaltungsvereinbarung erfolgte.
I.E. wandte sich die Kl. damit gegen die sog. „mittelbare Transitlösung“, bei der die Erstbekl. das Gespräch zwecks Terminierung in das Mobilfunk(ziel)netz an einen Zusammenschaltungspartner übergibt, der die Terminierungsleistung in das Teilnehmerzielnetz nicht auf Grund einer eigenen Netzzusammenschaltung mit dem Teilnehmerzielnetz, sondern über weiter dahintergeschaltete Netzbetreiber anbietet (auch „mittelbarer Transitfall“ genannt).
Die Kl. sah diesen mittelbaren Transitfall als eine Art „anonyme Terminierungskette“ an, der die Gefahr begründe, dass sich unbekannte Dritte hinter dieser Terminierungskette verstreckten und am Ende doch GSM-Gateway einsetzten.
Das OLG Düsseldorf ist unter Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils des LG Düsseldorf zu Recht dieser Auffassung nicht gefolgt. Denn es besteht keine wettbewerbliche Pflicht, Netzbetreiber als Zusammenschaltungspartner dahingehend zu prüfen, ob diese die Anrufweiterleitung in das Mobilfunk(ziel)netz nur auf Grundlage einer mit dem Zielnetzbetreiber umittelbar geschlossenen Zusammenschaltungsvereinbarung vornehmen. Dies würde einer rechtlichen Verpflichtung gleichkommen, vorbeugend ein mögliches rechtswidriges Tun eines Dritten zu verhindern. Eine eventuelle Erstbegehungsgefahr kann jedoch nicht so weit ausgelegt werden, dass ohne konkrete Anhaltspunkte eine Prüfung bei Netzbetreibern vorgenommen werden müsste. Dies käme i.E. auch dem Verlangen gleich, von Wettbewerbern generell, ohne konkreten Anlass und ohne konkret gesetzten Ursachenbeitrag die Mitwirkung bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen zu verlangen. Einen derartigen Rechtsanspruch kennt die Rechtsordnung jedoch nicht.
Im Hinblick auf den tk-rechtlichen Grundsatz, dass nicht jeder Netzbetreiber mit jedem anderen Netzbetreiber zusammengeschaltet sein muss, andererseits aber jedes Drittnetz für jeden Netzbetreiber erreichbar sein und es deshalb entgegen der klägerischen Auffassung Transitnetzbetreiber geben muss, die die Anrufzustellung in das Zielnetz entweder unmittelbar selbst oder über weiter dahintergeschaltete Netzbetreiber vornehmen, hätte ein stattgebendes Urteil auch verheerende Folgen im TK- Markt gehabt. Denn jeder Ausgangsnetzbetreiber hätte sich von seinem Netzzusammenschaltungspartner den Nachweis erbringen lassen müssen, dass die Terminierung in das Zielnetz am Ende einer Terminierungskette durch einen unmittelbar mit dem Zielnetzbetreiber zusammengeschalteten Terminierungsanbieter erfolgt. Abgesehen davon, dass dies in der Praxis nicht durchführbar wäre und dass i.R.e. Gesprächsübergabe innerhalb von Zusammenschaltungsverträgen die ordnungsgemäße Terminierung in das Zielnetz durch einen mit dem Zielnetz direkt zusammengeschlateten Netzanbeiter mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte auch bei Terminierungsketten ohnehin unterstellt werden kann, hätte eine anderslautende Entscheidung den Grundsatz der Interoperabilität der Dienste auf den Kopf gestellt. Solange jedoch die Anrufzustellung auf Grund von Netzzusammenschaltungsverträgen erfolgt, bedarf es keiner weiteren Kontrolle dahingehend, ob die Terminierung letztlich wirklich durch einen mit dem Zielnetz unmittelbar zusammengeschalteten Netzbetreiber erfolgt, da dies der Anrufzustellung auf der Grundlage bestehender Netzzusammenschaltungsverträge immanent ist.
Solange also die Übergabe des zu terminierenden Verkehrs wie vorliegend auf Grundlage eines Netzzusammenschaltungsvertrags erfolgt, besteht keine Pflicht zur Überprüfung, ob der terminierende Zusammenschaltungspartner die Anrufzustellung entweder auf Grund einer unmittelbaren Netzzusammenschaltung mit dem Zielnetz selbst vornimmt oder ob er seinerseits bei weiteren Drittnetzbetreibern die Anrufzustellung einkauft.
Bemerkenswert ist, dass sich selbst die Kl. der von ihr eingeforderten Verpflichtung in vergleichbaren Fällen nicht unterzieht. Denn auch die Kl. unterhält ihrerseits mit einer Vielzahl von in Deutschland bzw. im Ausland ansässigen Teilnehmernetzbetreibern keine direkten Zusammenschaltungsverhältnisse, weswegen sie ihrerseits die DTAG oder eine Vielzahl anderer in- und ausländischer Netzbetreiber als sog. Transitnetzbetreiber in Anspruch nehmen muss. Die Kl. käme hierbei sicherlich auch nicht auf die Idee, sich jeweils bei der DTAG bzw. bei den zahlreich auch von ihr genutzten nationalen und internationalen Transitnetzbetreibern jeweils die Versicherung nachweisen zu lassen, dass die Terminierung in das Zielnetz jeweils nur auf Grund einer ordnungsgemäßen Netzzusammenschaltung erfolgt. Denn solange – wenn auch mittelbar – Anrufzustellungen i.R.v. Netzzusammenschaltungen von Netzbetreibern erfolgen, ist die Terminierungskette entgegen der Ansicht der Kl. weder anonym noch unsauber. Zu diesem Ergebnis gelangt auch das erkennende Gericht, wenn es feststellt, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung auch die „mittelbare Transitlösung“ weder zu einer anonymen Terminierungskette führt noch der Kl. die Erfüllung öffentlich-rechtlicher bzw. datenschutzrechtlicher Verpflichtungen erschwert.
Autor: Frank Joachim Mayer, veröffentlicht in „MMR 2008, 336“