Verwirkung der Courtage bei formnichtiger Ankaufsvereinbarung
1. Eine Doppeltätigkeit ist im Immobiliengeschäft regelmäßig nur dann Verwirkungsgrund, wenn eine Vermittlungstätigkeit (keine bloße Nachweistätigkeit) auf beiden Seiten vorliegt und dies dem Kunden nicht vorher offengelegt oder von ihm ausdrücklich gestattet wird.
2. Eine Reservierungsvereinbarung ist unwirksam, wenn auf den Kunden unzulässiger wirtschaftlicher und scheinbar rechtlicher bzw. tatsächlich moralischer Druck in erheblichem Ausmaß ausgeübt wird.
3. Bei formnichtigen Ankaufsvereinbarungen verwirkt ein Immobilienmakler seinen Lohnanspruch, wenn er mit an Vorsatz grenzender Leichtfertigkeit seinen Auftraggeber veranlasst, eine „Ankaufsverpflichtung“ zu unterzeichnen, um bei dem Auftraggeber den Eindruck einer Verpflichtung zum Kauf und zur Zahlung von erfolgsunabhängigem Maklerlohn zu erwecken.
Problem/Sachverhalt
Die Kläger verlangen von der beklagten Maklerin die Rückzahlung einer geleisteten Provision in Höhe von € 21.955,00. Die Beklagte hatte sich von den Klägern eine „Reservierungs-/ Ankaufsvereinbarung“ unterzeichnen lassen. Eingangs der umfangreichen Erklärung heißt es: „Käufer erklärt hiermit rechtsverbindlich handelnd, das von vorgenannter Immobilienfirma nachgewiesene und nachstehend bezeichnete Objekt, wie angeboten zu kaufen. Der Kaufpreis beträgt: € 615.000,00.“ Das Landgericht hat die Rückzahlungsklage abgewiesen. Zwischen den Parteien sei ein Maklervertrag zustande gekommen. Der seitens der Kläger behauptete Verwirkungstatbestand gemäß § 654 BGB läge nicht vor, weshalb die auf § 812 BGB gestützte Klage unbegründet sei. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Berufung.
Entscheidung
Mit Erfolg! Es kann dahinstehen, ob die Beklagte für beide Kaufvertragsparteien tätig geworden ist. Eine Doppeltätigkeit ist im Immobilienmaklergeschäft durchaus üblich und grundsätzlich zulässig, sofern der Makler für beide Teile als Nachweismakler oder für den einen als Vermittlungs- und für den anderen als Nachweismakler tätig geworden ist. Eine unzulässige Doppeltätigkeit hat das OLG nicht festgestellt. Die Provision ist aber verwirkt, weil sich die Beklagte durch die Verwendung der von ihr vorformulierten Reservierungs-/Ankaufsvereinbarung ihres Maklerlohns für unwürdig gezeigt habe. Dies deshalb, weil durch die vorzitierte Regelung bei den Käufern der falsche rechtliche Eindruck erweckt worden ist, dass sie sich bereits mit der Unterschrift unter diese Vereinbarung rechtlich bindend zum Abschluss eines Kaufvertrages verpflichtet hätten.
Praxishinweis
Die Verwirkungsrechtsprechung zu § 654 BGB hat eine lange, bereits vom Reichsgericht begründete Tradition. Der BGH betont deren Ausnahmecharakter und hat hierzu in ständiger Rechtsprechung folgende Formulierung entwickelt: „Die Verwirkung des Maklerlohnanspruchs hat Strafcharakter. Nicht jede objektiv erhebliche Pflichtverletzung des Maklers und damit auch nicht jedes Informations- und Beratungsverschulden lässt den Provisionsanspruch nach § 654 BGB entfallen, vielmehr ist in erster Linie subjektiv eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung zu fordern; der Makler muss sich seines Lohnes ‚unwürdig‘ erwiesen haben. Das ist nach der Rechtsprechung erst dann der Fall, wenn er seine Treuepflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer dem Vorsatz nahekommenden grob leichtfertigen Weise verletzt hat.“ (BGH NJW 2012, 3718 m. w. N.).
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Wolfgang Lehner, Heidelberg