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Wer Zeitschriften – oder andere Waren – vertreibt, haftet auch für kriminelles (betrügerisches) Verhalten seiner Sub-Affiliates. Das ergibt sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.08.2011 (Az.: I ZR 134/10). Es konstituiert eine Art „Gefährdungshaftung“ im Affiliate-Marketing und zwingt Unternehmen im b2c-Geschäft verbraucherorientierte Prävention zu betreiben.

Ein Unternehmen im Zeitschriftenvertrieb hatte Kundendaten im sog. „Affiliate-System“ erhoben, eine internetbasierte Vertriebslösung, bei der ein kommerzieller Anbieter seine Vertriebspartner erfolgsorientiert durch eine Provision vergütet. Nach der beim Zeitschriftenvertrieb vorhandenen Datenlage hatte eine Kundin den „Harvard Business Manager“ bestellt, verifiziert durch eine Bestätigungs-E-Mail. Guten Gewissens übersandte der Zeitschriftenvertrieb eine „Auftragsbestätigung“ an die Kundin, die sodann durch eine Verbraucherzentrale mitteilen ließ, sie habe das Magazin nicht bestellt. Die Verbraucherzentrale machte einen Unterlassungsanspruch geltend, und zwar mit dem Argument, bereits die Ankündigung der Zusendung einer unbestellten Ware sei eine „unzumutbare Belästigung“ i. S. d. § 7 Abs. 1 UWG. Die erhobenen Kundendaten stellte die Verbraucherzentrale – zur Überraschung des Zeitschriftenvertriebs – als unzutreffend dar. Weder sei das Geburtsdatum der Kundin richtig, noch verfüge diese über einen Internet-Anschluss oder einen E-Mail-Account.

Der Zeitschriftenvertrieb stornierte die vermeintliche Kundenbestellung umgehend und stellte Recherchen zur Erhebung der Kundendaten an. Dabei wurde festgestellt, dass der E-Mail-Account der Kundin unmittelbar nach Übersendung der Bestätigungs-E-Mail gelöscht worden war. Ein nicht mehr zu ermittelnder Sub-Affiliate hatte Kundendaten manipuliert und eine Bestellung vorgetäuscht, um Provisionen zu erschleichen.

Da der Zeitschriftenvertrieb die Abmahnung der Verbraucherzentrale nicht akzeptieren wollte, stritten die Parteien in drei Instanzen um folgende Frage:

Können unverschuldete Belästigungen eines Verbrauchers dem Unternehmer auch dann zugerechnet werden, wenn der Unternehmer selbst Opfer betrügerischer Manipulationen wird?

Nachdem das Landgericht Heilbronn (21 O 70/09 KfH) dem Zeitschriftenvertrieb Recht gegeben hatte, hob das Oberlandesgericht Stuttgart (2 U 96/09) die Entscheidung auf und argumentierte wie folgt:

Der Unterlassungsanspruch der Verbraucherzentrale folge aus § 7 Abs. 1 S. 1 UWG. Die Zusendung der „Auftragsbestätigung“ sei objektiv eine „unzumutbare Belästigung“. Auf subjektive Faktoren – etwa die Erkennbarkeit der Belästigung für den Unternehmer – komme es nicht an. Die betrügerische Manipulation eines Dritten sei dem Zeitschriftenvertrieb auch zurechenbar. Mit der Teilnahme am Affiliate-Marketing sei eine Gefahrenquelle eröffnet worden, weshalb den Zeitschriftenvertrieb eine wettbewerbsrechtliche Verkehrssicherungspflicht und damit im Ergebnis eine Haftung treffe. Die grundrechtlich geschützte unternehmerische Freiheit habe gegenüber den Interessen der Verbraucher keinen Vorrang. Ein Geschäftsmodell müsse immer so beschaffen sein und unterhalten werden, dass ein Verbraucher von Belästigungen verschont werde.

Mit Urteil vom 17.08.2011 (Az.: I ZR 134/10) hat der Bundesgerichtshofs die Entscheidung des OLG Stuttgart bestätigt und den Unterlassungsanspruch der Verbraucherzentrale sowohl aus § 7 Abs. 1 S. 1 UWG als auch aus § 3 Abs. 3 UWG – Anhang Nr. 29 – hergeleitet. Der Irrtum des Zeitschriftenvertriebs sei irrelevant, denn er müsse sich jede Böswilligkeit der in seinem Geschäfts- und Verantwortungsbereich tätig gewordenen unbekannten Personen zurechnen lassen. Aus der zitierten Entscheidung des BGH geht hervor, dass sich dieser die detaillierten Begründungen des OLG Stuttgart zu Eigen macht.

Die Entscheidung des BGH unterstreicht zum wiederholten Male die Bedeutung des Verbraucherschutzes. Für Online-Händler dürfte es ratsam sein, in zweifacher Weise auf das Risiko zu reagieren:

Zum einen sollte die Empfehlungskette im Affiliate-System noch überschaubar sein, so dass die Qualität der Vermittlung überprüft werden kann. Zum anderen ist zu überlegen, ob Provisionen nicht erst dann fällig werden sollten, wenn der angeschriebene Verbraucher (Kunde) innerhalb eines gewissen Zeitraums keinen Widerspruch erklärt. Je nach Gestaltung des Provisionssystems erhöht oder verringert sich die Gefahr betrügerischer Manipulationen (Vertragsgestaltung).

Und schließlich – entgegen aller Aufregung – noch ein Hinweis zur Beruhigung:

Richtig teuer wird es erst dann, wenn im Wiederholungsfalle ein Ordnungsgeld droht. Eine Sanktion aus § 890 Abs. 1 ZPO setzt nämlich – anders als beim Unterlassungsanspruch – Verschulden voraus. Im Ordnungsgeldverfahren würden daher „die Karten neu gemischt“, denn das Verschulden des Zeitschriftenvertriebs dürfte nach Sachlage äußerst zweifelhaft sein.

1. Das Direktmarketing kennt verschiedene Vorgehensweisen. Telefonwerbung wird jedoch als seine effektivste Ausprägung angesehen. Dies erscheint vor dem Hintergrund verständlich, dass entsprechende Werbemaßnahmen verhältnismäßig einfach und kostengünstig durchgeführt und sehr individuell auf den jeweils Angerufenen abgestimmt werden können. Deshalb bestand aus Sicht des Gesetzgebers Regelungsbedarf, um eine massenhafte und ungebremste Entwicklung von Telefonmarketing zu Lasten aller Marktteilnehmer – insbesondere der Verbraucher – zu verhindern. § 7 II Nr.2 UWG klassifiziert daher solche werblichen Telefonanrufe gegenüber Verbrauchern als wettbewerbswidrig, die ohne deren Einwilligung erfolgen, also die so genannten „Cold Calls“. Dasselbe gilt für entsprechende Anrufe gegenüber sonstigen Marktteilnehmern – also Unternehmern –, denen nicht zumindest eine mutmaßliche Einwilligung zugrunde liegt.

2. Dreh- und Angelpunkt der Frage, ob Telefonwerbung im Einzelfall durchgeführt werden darf, ist damit die Frage, ob und wann eine Einwilligung im Sinne von § 7 II Nr.2 UWG vorliegt. Wie ist also der Begriff der Einwilligung zu verstehen?

Das BGB – nicht das UWG – definiert die Einwilligung in § 183 BGB als die „vorherige Zustimmung“. Dies erscheint logisch. Doch wie hat die ausdrückliche Einwilligung des Verbrauchers in der Praxis konkret zu erfolgen? Wann liegt eine konkludente, also schlüssige Einwilligung vor? Dazu schweigt das Gesetz – weder im BGB noch im UWG oder sonstigen Gesetzen findet sich eine ausdrückliche Regelung. Die Rechtsprechung hat sich daher zunehmend mit dieser Frage auseinanderzusetzen.

Sensibilisiert durch die öffentliche Debatte, die das Telefonmarketing seit der Novellierung des UWG begleitet, mahnen vor allem die klagebefugten Verbraucherverbände wettbewerbswidriges Verhalten ab, erwirken einstweilige Verfügungen oder erheben Klagen. Das damit verbundene Kostenrisiko liegt – je nach Entwicklung des Rechtsstreits – leicht jenseits einer Grenze von € 5.000,00. Deshalb ist das Bemühen um eine Klärung der Begrifflichkeit nicht nur akademischer Natur, sondern überaus praxisrelevant.

Der Idealfall der ausdrücklichen Einwilligung liegt nach der Rechtsprechung des BGH dann vor, wenn der Adressat des werblichen Telefonanrufs konkret oder generell um einen Anruf zum Zwecke der Werbung für entsprechende Produkte oder Dienstleistungen gebeten hat.

Demgegenüber ist von einer konkludenten Einwilligung auszugehen, wenn sich aus dem Handeln des Adressaten bzw. aus den Umständen heraus mittelbar sein Einverständnis mit Anrufen zu Werbezwecken ergibt; dabei ist entscheidend auf die objektive Erklärungsbedeutung des konkreten Verhaltens des Anrufempfängers im Einzelfall abzustellen.

Demnach liegt eine konkludente Einwilligung dann vor, wenn ein Kunde einem Unternehmen sowohl seine Adresse also auch seine Telefonnummer in der erkennbaren Absicht mitteilt, diese werde zu Werbezwecken genutzt werden. Eine schlüssige Einwilligung in Werbeanrufe kann auch dann zu bejahen sein, wenn ein Kunde sich selbst telefonisch mit einem Unternehmen in Verbindung gesetzt hat, ohne dabei um Rückruf zu bitten, desgleichen auch dann, wenn der Kunde Anrufe eines Unternehmens in der Vergangenheit begrüßt oder dort sogar Bestellungen getätigt hat.

Wird also eine derartige konkludente Einwilligung angenommen, dann ist ihr Umfang jedoch dahingehend einzuschränken, dass sie nur solche Werbeanrufe zulässt, die das konkrete Vertragsverhältnis oder den Voranruf des Kunden betreffen.

3. Wer Kostenrisiken vermeiden möchte, wird sich nicht auf die von Einzelumständen abhängige und schwer zu beweisende konkludente Einwilligung verlassen. Für die Praxis ist daher das Vorliegen bzw. der Nachweis einer ausdrücklichen Einwilligung zur Vermeidung wettbewerbsrechtlicher Auseinandersetzungen empfehlenswert. Obwohl sich die Rechtsprechung bereits vielfach mit der Frage der Einwilligung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr.2 UWG auseinandergesetzt hat, liegt – soweit ersichtlich – noch keine Entscheidung vor, die konkret eine Aussage zu zwingenden Grundvoraussetzungen einer zulässigen Einwilligungserklärung getroffen hat. Werden die einschlägigen Urteile ausgewertet, lassen sich dennoch Empfehlungen aus ihnen herauslesen, wie die Rahmenbedingungen für eine wirksame ausdrückliche Einwilligungserklärung zu gestalten sind.

Ausgehend vom wohl häufigsten Fall der vorformulierten Einwilligungserklärung auf einer Werbekarte ist primär darauf zu achten, dass die entsprechenden Passagen einer Prüfung anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen standhalten. Diese Bestimmungen entfalten deswegen Wirkung für vorformulierte Einwilligungserklärungen zu werblichen Telefonanrufen, da der jeweilige Kunde keinen Einfluss auf ihre Gestaltung hat.

Vor diesem Hintergrund ist zu differenzieren:

Vorformulierte Einwilligungserklärungen müssen für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Kunden klar und verständlich sein. Ferner dürfen derartige Erklärungen nicht überraschend an versteckter Stelle im Begleittext oder in AGB enthalten sein. Schließlich ist die vorformulierte Einwilligung auf solche werbliche Telefonanrufe zu beschränken, die sich auf die bestehende oder angebahnte konkrete Vertragsbeziehung richten. Es darf also die Werbung für andere Produkte oder mögliche Vertragsbeziehungen nicht von der Einwilligungserklärung erfasst sein. Selbst wenn die Möglichkeit eingeräumt wird, eine entsprechende Einwilligung zu widerrufen, ändert sich dadurch nichts an dem Verbot, den von der Einwilligung umfassten Bereich auszuweiten.

Im Ergebnis ist eine vorformulierte Einwilligungserklärung unter folgenden Voraussetzungen als zulässig anzusehen:

a) Der Unternehmer muss die vorgesehene Telefonwerbung ganz klar und deutlich einschränken. Es ist daher zu empfehlen, neben dem Gegenstand der Werbung – z. B. Zeitschriftenwerbung – auch das Werbemedium – z. B. Anruf oder Email – und den Werbeberechtigten – Name und Anschrift des werbenden Unternehmens –verständlich und unmissverständlich zu beschreiben. Auf diese Weise wird der Kunde über sämtliche entscheidungserheblichen Umstände informiert – und zwar vor Abgabe seiner Erklärung.

b) Desgleichen sollte die Einwilligungserklärung deutlich abgehoben zur gesonderten Unterschrift vorgelegt werden. Dringend abzuraten ist davon, die Einwilligung – wie gelegentlich beobachtet – in den „Lieferbedingungen“ aufzunehmen, weil der Verbraucher dort nicht mit einem entsprechenden Hinweis rechnen muss.

c) Dem Verbraucher muss die Wahl gelassen werden, ob er eine telefonische „Betreuung“ durch die jeweilige Firma wünscht oder nicht. Diese Wahlmöglichkeit kann insbesondere durch das Ankreuzen eines entsprechenden Kästchens umgesetzt werden. Klarheit über die Frage der tatsächlichen Einwilligung in werbliche Telefonanrufe und damit ihre Beweisbarkeit wird zudem dadurch erreicht, dass der Kunde nach dem Ankreuzen des „Ja“-Kästchens die vorformulierte Einwilligungserklärung signiert. Nur so wird bei der Verwendung der häufig zum Einsatz kommenden Gewinnspielkarte hinreichend deutlich, ob der Verbraucher an einem Gewinnspiel teilnehmen möchte und darüber hinaus an Werbeanrufen interessiert ist.

d) Folgende Einwilligungserklärung ist nach diesseits vertretener Auffassung geeignet, den strengen Maßstäben des Gesetzes textlich zu genügen, wenngleich dieser Hinweis mit Rücksicht auf anderweitige Anforderungen (vgl. a) – c)) in keinem Fall die Beratung im Einzelfall ersetzt:

Außerdem bin ich damit einverstanden, dass mir telefonisch weitere Zeitschriftenangebote gemacht werden. Dies bestätige ich mit meiner Unterschrift.

Datum Unterschrift

e) Soweit der Unternehmer seine Marketingaktivitäten nicht selbst steuert, die Vertragsvermittlung vielmehr Dritten – etwa einem Call-Center – überlässt, sollte ihm stets bewusst sein, dass ihm eine wettbewerbswidrige Telefonwerbung zugerechnet wird, denn er setzt das Call-Center für seine Zwecke ein. Werden dabei Adressen verwendet, deren Herkunft der Unternehmer nicht kennt, so ist es empfehlenswert, sich nicht ungeprüft auf die Zusicherung zu verlassen, es liege eine wirksame Einwilligung im Sinne des Gesetzes vor. Der Unternehmer ist gut beraten, wenn er die konkreten Einwilligungen prüft oder zumindest Vorgaben macht, wie die Einwilligung beschaffen sein muss.

Es mag sein, dass die aufgezeigten – vergleichsweise strengen – gesetzlichen Grenzen zu Lasten eines effizienten Telefonmarketings gehen, sodass die Praxis eher im Bereich der juristischen „Grauzone“ agiert.

Dem Unternehmer sollte allerdings stets bewusst sein, wo die Grenze zum Risiko verläuft.

Sie wissen alle, mit welcher Kriegslist die antiken Griechen den Trojanischen Krieg gewannen. Metaphorisch versteht man unter einem „Trojaner“ bekanntlich jene List, die zum Ziel hat, harmlos getarnt in einen geschützten Bereich einzudringen. Kassandra, die Tochter des Königs, sah in Troja das Unheil voraus. Sie wurde nicht gehört, und heute bestaunen wir die Trümmer.

Was der Trojanische Krieg mit dem BMD zu tun hat? Nun, in fast jeder BMD-Ausgabe, die parallel auch als digitales Produkt zu haben ist, steckt ein „Trojaner“, der die Kundenbeziehung zwischen Abonnent und BMD untergräbt.

Das soll am Beispiel des Magazins „Spiegel“ erläutert werden, und zwar wie folgt:

Für den treuen Spiegel-Abonnenten, der im Beispielsfall eine BMD-Ausgabe bezieht, ist schon die Print-Ausgabe das Lesevergnügen am Montag. Ist dieser Abonnent 46 Jahre alt, verfügt er über einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss und ein überdurchschnittliches Einkommen, erfüllt er alle Merkmale eines durchschnittlichen IPad-Besitzers (vgl. 2. VDZ-Studie „Zeitschriftennutzung auf dem IPad“ vom 01.08.2012).

„Sie mögen den Spiegel und Sie haben ein Tablet oder ein Smartphone“, wird der BMD-Abonnent in der Print-Ausgabe gefragt, „dann entdecken Sie den Spiegel neu“, „Sie sehen, was andere nur lesen können, 360° Fotos eröffnen Ihnen neue ungewöhnliche Perspektiven, viele interaktive Grafiken verhelfen Ihnen schneller zu verstehen, was wirklich wichtig ist. Der Spiegel in der digitalen Welt kann mehr und das schon sonntags ab 8.00 Uhr. Wenn Sie schon Spiegel-Abonnent sind, kostet die digitale Ausgabe nur € 0,50 mehr.“

In der griechischen Mythologie widerstand Odysseus dem betörenden Gesang der Sirenen, während der BMD-Abonnent sich dem Charme der Werbestrategen des Spiegel-Verlags kaum zu entziehen vermag. Also meldet er sich unter www.spiegel.de/spiegel an und… scheitert bei der Eingabe der Kundennummer, die der Verlag nicht kennt. Kunststück, er ist nur BMD-Abonnent. Die freundliche Dame des sodann telefonisch kontaktierten Abonnenten-Services weiß Abhilfe, identifiziert ihn als BMD-Abonnenten und liefert auch ihm die „Eintrittskarte zur digitalen Welt“ à la Spiegel. Wie im Werbeslogan versprochen, erlebt er den Spiegel neu und hat – ganz nebenbei – auch einen neuen (weiteren) Vertragspartner, nämlich den Spiegel-Verlag. Harmlos getarnt hat sich ein „Trojaner“ in Form der Print-Ausgabe des Magazins in die Vertragsbeziehung zum BMD eingeschlichen. Von den Trojanern ist die Torheit überliefert, dass sie – listig getäuscht – den „Trojaner“ selbst hinter ihre sichergeglaubte Festung zogen und so „das eigene Grab schaufelten“. Den BMD-Unternehmern geht es ganz ähnlich, denn sie sorgen dafür, dass ihre Abonnenten jeden Montag „frei Haus“ einen „Trojaner“ erhalten, sie finanzieren die List über die Zustellungskosten und werden so zum Werkzeug ihres eigenen „Untergangs“. An die friedliche Koexistenz von Verlag und BMD-Unternehmer mag so recht niemand glauben, denn wenn der Leser die Werbebotschaft verstanden hat, dass der digitale Spiegel mehr kann als die Print-Ausgabe, entscheidet er sich früher oder später für den Verlag. Spätestens mit dem Ende des vielleicht befristeten Print-Abos bei seinem BMD-Vertragspartner endet das preisgünstige digitale Zusatzangebot. Und dann? Wird der Verlag „seine“ Vertragsbeziehung zum Kunden nicht nutzen? Wie interessant ist das Angebot des BMD-Unternehmers noch, der das (noch) nicht kann, was dem Verlag möglich ist, und folglich nur „alte Hüte“ anbietet?

Wer dann doch die Kassandra-Rufe des Advokaten hört, stellt die Frage: Dürfen die Verlage das?

Nun, ein Unterlassungsanspruch könnte sich aus dem Gesichtspunkt der sog. „positiven Vertragsverletzung“ (§ 280 Abs. 1 BGB) ergeben. Das würde voraussetzen, dass die Verlage eine ihnen obliegende Pflicht aus dem Vertragsverhältnis verletzen. Was aber macht die Rechtsbeziehung zwischen Verlagen und BMD-Unternehmen aus? Wer die Frage beantworten will, muss sich – historisch interessiert – mit verstaubten Relikten aus den 50er Jahren auseinandersetzen, wird dann allerdings auch belohnt. „Schriftlich fixierte Lieferungs- und Zahlungsbedingungen werden durch Usancen ergänzt, die durch jahrzehntelange Praktizierung inzwischen zu ungeschriebenem Handelsbrauch geworden und zum Teil durch Rechtsprechung erhärtet worden sind“ (vgl. Brummend, Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung, Struktur und Organisation des Pressevertriebs, München 2006, S. 406). Aus Handelsbräuchen der 50er Jahre ist bekannt, dass sich Verleger und Buch- und Zeitschriftenhändler gegenseitig „unbedingten Kundenschutz“ zusichern. Zwischen den Parteien besteht ein Dauerlieferungsvertrag, dessen wesentliches Ziel es ist, langfristige Abonnements zum wechselseitigen Nutzen zu schaffen. Das kommt vor allem in den Vergütungsregelungen zum Ausdruck. Der Werbekostenzuschuss (WKZ) wird häufig nur unter der Voraussetzung gezahlt, dass die Abonnements eine bestimmte „Haltbarkeit“ haben. Das wechselseitige Bemühen um eine dauerhafte Kundenbeziehung ist seit Jahrzehnten ein prägendes Merkmal in der Vertragsbeziehung zwischen Verlagen und BMD-Unternehmen.

Dieses durch Verkehrssitte und Vereinbarungen festgelegte Ziel wird aber geradezu konterkariert, wenn die Verlage die BMD-Auflage als Blattform für ein Produkt nutzen, das sie in ihrer Werbung als „überlegen“ herausstellen und damit den Leser früher   oder später zum Anbieterwechsel provozieren. In einer bestehenden Vertragsbeziehung gilt darüber hinaus der Grundsatz der wechselseitigen Rücksichtnahme, der verletzt wird, wenn das Verlags-Marketing die „Umdeckung“ der BMD-Bestände zur Konsequenz hat.

Wegen der Gefährdung der Bestände durch laufende „Umdeckung“ besteht also ein Unterlassungsanspruch, der jedenfalls – sollen weitergehende Konflikte vermieden werden – Veranlassung sein muss, den Umgang mit dem digitalen Produkt zu ordnen. Brisant ist das Problem, solange den BMD-Unternehmen der Zugang zum digitalen Produkt verweigert wird. Der Aufwärtstrend beim Verkauf von Tablets hält nämlich an. Die Verkaufszahlen stiegen in Deutschland 2012 um 29 % auf 2,7 Mio. Stück (www.bitkom.org/de/markt_statistik/64050_70631.aspx). Die Verlage tragen mit ihren rabattierten Tablet-Angeboten zur Verbreitung der „Easy to use“-Geräte bei. Platziert in der BMD-Auflage wird der „Trojaner“ so zum existentiellen Problem der BMD-Unternehmen.

IMR-Beitrag: Entscheidungsbesprechung

Folgt der Nachweistätigkeit des Maklers der Hauptvertragsabschluss in angemessenem Zeitabstand, spricht eine tatsächliche Vermutung für deren Kausalität. An den Gegenbeweis sind strenge Anforderungen zu stellen.

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 01.12.2015 – 8 U 2/14, BGB § 652

Sachverhalt

Der klagende Makler veröffentlichte im Internet ein Exposé mit einem eindeutigen Provisionsverlangen. Der Beklagte meldete sich daraufhin bei dem Makler, und bat um Vereinbarung eines Besichtigungstermins, den der Makler für den nächsten Tag organisierte. Die Besichtigung fand in Anwesenheit des Verkäufers statt. Gut zwei Monate später kam es zum Abschluss des Kaufvertrages. Die entsprechende Provisionsrechnung zahlte der Beklagte nicht. Die Tätigkeit des Maklers sei nicht ursächlich für den Abschluss des Kaufvertrages gewesen. Der daraufhin erhobenen Provisionsklage gab das Landgericht ohne Beweisaufnahme statt. Aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts spreche eine tatsächliche Vermutung für die Kausalität der Maklerleistung für den Abschluss des Kaufvertrages. Diese tatsächliche Vermutung habe der Beklagte nicht zu erschüttern vermocht. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das OLG bestätigt zunächst den Abschluss des Maklervertrages und die Nachweistätigkeit des Maklers. Diese sei auch für den Abschluss des Kaufvertrages kausal gewesen. Grundsätzlich trägt zwar der Makler die Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität zwischen Maklertätigkeit und Kaufvertragsabschluss. Der Schluss auf den Ursachenzusammenhang ergibt sich dabei jedoch von selbst, wenn der Nachweistätigkeit der Vertragsabschluss in angemessenem Zeitabstand folgt (BGH IMR 2008, 98). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Maklerkunde die ihm vom Makler gegebenen Informationen bereits zuvor anderweitig erlangt hat. Denn dann spricht nichts dafür, dass gerade die Tätigkeit des klagenden Maklers zum Erfolg geführt hat. Jedoch steht, da Mitursächlichkeit ausreicht, eine Vorkenntnis dem Vergütungsanspruch des Maklers nicht entgegen, wenn dieser
über die Mitteilung der bereits bekannten Umstände hinaus – dem Kunden eine wesentliche Maklerleistung erbringt (BGH NJW-RR 2014, 1272, 1274 Nr. 16 a. E.). Der die tatsächliche Vermutung begründende angemessene zeitliche Zusammenhang zwischen der Nachweistätigkeit des Klägers und dem Abschluss des Hauptvertrages ist im vorliegenden Fall gewahrt. Bei der tatsächlichen Vermutung handelt es sich um einen Fall des Anscheinsbeweises (BGH NJW 1993, 3259). Den für den Kläger sprechenden Anscheinsbeweis hat der Beklagte nicht zu erschüttern vermocht. An den Gegenbeweis zur Erschütterung des Anscheinsbeweises sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Auftraggeber hat substantiiert Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Kausalverlaufs ergibt. Der Vortrag des Beklagten genügt diesen strengen Anforderungen nicht.

Praxishinweis

Die Entscheidung folgt ständiger Rechtsprechung. Als angemessener Zeitabstand, der die tatsächliche Kausalitätsvermutung rechtfertigt, sind drei bis fünf Monate (BGH NJW 1980, 123), vier Monate (BGH IBR 1999, 286), mehr als ein halbes Jahr (BGH NJW 2005, 3779, 3781) und acht Monate (OLG Bamberg, IMR 2012, 299) angenommen worden. Sind zwischen dem Nachweis und dem Abschluss des Hauptvertrages ein Jahr (oder mehr) vergangen, streitet dagegen nicht mehr ein sich von selbst ergebender Schluss auf den Ursachenzusammenhang für den Makler (BGH IMR 2006, 89; OLG Stuttgart NJW-RR 2010, 486; OLG München IMR 2015, 424). Im Übrigen kommt es hinsichtlich der Angemessenheit des Zeitabstandes auf die Besonderheiten des Einzelfalles an.

 

Rechtsanwälte Franz Dänekamp und RAin Dr. Melanie Kölln*

Dauerbezugsverträge werden nicht selten von selbstständigen Vertriebspartnern gegen Provision vermittelt. Dabei ergeben sich erhebliche wirtschaftliche Risiken, denn in den mit dem Massengeschäft befassten Branchen wird vielfach übersehen, dass die gesetzlichen Provisionsregelungen nicht dispositiv sind. Für Zündstoff sorgt die aktuelle Entscheidung des BGH vom 12.3.2015 (NJW 2015, 1754), weil dort die Grenzen vertraglicher Gestaltungsfreiheit in Bezug auf so genannte Sprunghaftungsklauseln aufgezeigt werden. Dieser Beitrag zeigt einerseits die enge Verzahnung zwischen vertraglicher Provisionsgestaltung und prozessualer Durchsetzung streitiger Ansprüche und lotet andererseits aus, welche Folgen bestimmte Gestaltungsvarianten – vor allem im Massengeschäft – haben können.

I.
Einleitung:
Die wirtschaftliche Bedeutung der Vermittlung von Dauerschuldverhältnissen

Die wirtschaftliche Bedeutung von Vertriebsverträgen in den angesprochenen Branchen (Telekommunikation, Energie, Verlage etc) ist erheblich. Der Vertrieb umfasst zunächst generell den Unternehmensbereich, der unmittelbar auf den Absatz von Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens gerichtet ist, mit anderen Worten den Bereich, in dem das Unternehmen Geld verdient. Ist ein Vertriebspartner effizient und verfügt er gegebenenfalls über ein Netz von Untervertriebspartnern, so erwirtschaftet er nicht selten jährlich Provisionsumsätze in Millionenhöhe. Telekommunikations- und Energieversorgungsunternehmen zahlen etwa im B2C-Geschäft (Business-to-Customer) 3-stellige Beträge als Einmalprovisionen pro vermitteltem Endkundenvertrag. Einmalprovisionen zeichnen sich dadurch aus, dass die gesamte Vermittlungstätigkeit, die auf den jeweiligen Kundenvertrag entfallen ist, abgegolten wird. Angesichts der beachtlichen wirtschaftlichen Bedeutung der Vermittlung von Dauerschuldverhältnissen ist es erstaunlich, dass sich die Rechtsprechung bisher wenig mit der Verprovisionierung derartiger Verträge beschäftigt hat.

II.
Die Komplexität von Provisionsstreitigkeiten im Massengeschäft

Ein Grund dafür, dass Provisionsstreitigkeiten im Massengeschäft relativ selten in gerichtliche Auseinandersetzungen münden, dürfte der Umstand sein, dass Vertriebspartner den insoweit erforderlichen Aufwand scheuen. Wer beurteilen will, ob er die ihm – nach Vertrag oder Gesetz – zustehenden Provisionen erhalten hat, muss wissen, ob der Vermittlungserfolg (§ 87 I HGB) eingetreten und ob der Provisionsanspruch entstanden und fällig ist (§ 87 a HGB), zum Beispiel, ob der Unternehmer und/oder der Dritte (Kunde) das Geschäft ausgeführt haben. Prozessual ist dieses Wissen im Fall der Klage von Bedeutung, weil der Vertriebspartner (Handelsvertreter) als Anspruchsteller Grund und Höhe seines Provisionsanspruchs darlegen und beweisen muss.

1. Darlegung des Provisionsanspruchs

Die Konsequenzen der Vortrags- und Beweislast sind im Massengeschäft erheblich. Denn bezogen auf jeden einzelnen Vertrag, den der Vertriebspartner vermittelt hat, muss substanziiert in einer Qualität vorgetragen werden, die den Anforderungen des § 253 II Nr. 2 ZPO an eine wirksame Klageerhebung genügt. Folglich ist für eine Vielzahl von Einzelfällen der Nachweis zu führen, dass sämtliche Provisionsentstehungsvoraussetzungen vorliegen und der Provisionsanspruch – in der geltend gemachten Höhe – besteht.

2. Darlegung des Anspruchs auf Provisionsrückzahlung

Das gleiche Problem kann sich stellen, wenn der Unternehmer Ansprüche auf Rückzahlung bereits ausbezahlter Provisionen mit einer Klage geltend macht. Der Provisionsanspruch kann etwa auf Grund vertraglicher Bestimmungen wieder entfallen. Aber auch das Gesetz sieht Rückforderungsansprüche vor, wenn der vermittelte Vertrag scheitert (§ 87 a II und III 2 HGB).

Keinesfalls reicht es aus, wenn sich der Vertriebspartner hinsichtlich des Anspruchs auf Provisionsvergütung oder der Unternehmer bezüglich seines Rückforderungsanspruchs im Wesentlichen auf Anlagenkonvolute (Abrechnungsunterlagen) bezieht, wie es häufig zu beobachten ist. Dies ist allenfalls zulässig, wenn die Anlagenkonvolute aus sich heraus verständlich sind, also die Anspruchsvoraussetzungen für jede einzelne Forderung belegen, die in der Summe den mit der Klage geltend gemachten Betrag ergeben. In der Praxis ist dies jedoch häufig nicht der Fall.

Bedeutung haben aus sich heraus verständliche Anlagenkonvolute für den fakultativen Inhalt eines Schriftsatzes. Sie können aber den zwingenden Inhalt eines Schriftsatzes nicht ersetzen, das heißt, diejenigen Voraussetzungen, welche die Klageschrift nach § 253 II Nr. 2 ZPO enthalten muss.

3. Unzulässigkeit der Klage/Verjährung

Der Erfolg oder Misserfolg einer derartigen Klage, die auf die Zahlung oder Rückzahlung von Provisionen gerichtet ist, entscheidet sich – häufiger als sonst – bereits bei Klageerhebung. Denn wenn vorab nicht sorgfältig geprüft wird, ob der Prozessstoff ausreichend ist, um den jeweils einzelnen Anspruch substanziiert darlegen und beweisen zu können, ist der Fehler bisweilen kaum noch korrigierbar. Die Folgen, die sich aus einer den Anforderungen des § 253 II Nr. 2 ZPO nicht genügenden Klage ergeben, können fatal sein. Verletzt nämlich der Kläger die obligatorischen Voraussetzungen der Klageschrift (§ 253 II ZPO), so ist die Klage nicht ordnungsgemäß erhoben und daher unzulässig. Mängel, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vor allem aber die wesentlichen Formerfordernisse des § 253 II ZPO berühren, sind im Hinblick auf die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche problematisch. Zwar hemmt auch die zunächst unzulässige Klage die Verjährung, allerdings kommt es darauf an, dass der Mangel bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung behoben wird und auch noch behoben werden kann. Die praktische Hürde, die es zu nehmen gilt, stellen Abrechnungstabellen mit oft mehreren tausend Kundensätzen dar, welche die notwendigen Angaben nicht immer in der erforderlichen Detailliertheit vorhalten.

Die praktische Relevanz der Verjährungsprobleme ergibt sich aus Folgendem: Der Provisionsanspruch unterliegt der Regelverjährung von drei Jahren (§ 195 BGB). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 I BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmalen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit objektiv erlangen müsste. Viele Provisionsstreitigkeiten entstehen aber erst, wenn Vertriebsverträge durch Kündigung beendet werden oder wenn – nach längerer Zeit – Unstimmigkeiten über die Abrechnungen entstehen. Rückwirkend wird dann betrachtet, welche Stornierungen provisionsrelevant sind, innerhalb eines Kontokorrentverhältnisses zu berechtigten oder unberechtigten Verrechnungen geführt haben, welche Provisionsforderungen noch bestehen oder welche Provisionen zurückgezahlt werden müssen. Innerhalb der vergleichsweise kurz bemessenen Regelverjährung von drei Jahren sind oft erhebliche Provisionsforderungen oder verrechnete Ansprüche auf Rückzahlung von Provisionen entstanden, und zwar auf Basis von Vermittlungsleistungen, die dann kurz vor Ende der Verjährung im Detail geprüft werden müssen. Es kommt zu einem Konflikt verschiedener Anforderungen. Einerseits soll die Verjährung durch Erhebung der Klage gehemmt werden (§ 204 I Nr. 1 BGB), andererseits wird diese Wirkung letztendlich nur erzielt, wenn es gelingt, jeden einzelnen Anspruch aus einer Vielzahl von Provisionsansprüchen so darzulegen, dass der Klageanspruch jeweils hinreichend individualisiert ist.

4. Individualisierung des Streitgegenstandes (Anforderungen)

In der Regel beziehen sich die Parteien bei der Darlegung ihrer Klageforderung auf Rechnungen oder Gutschriften, die eine Vielzahl von behaupteten Einzelforderungen enthalten, deren Individualisierung sich aber nicht aus den Rechnungen – zumeist auch nicht aus deren Anlagen – ergibt. Bleibt die Individualisierung bei Erhebung der Klage unklar, so kann nicht geklärt werden, welche konkreten Einzelforderungen streitgegenständlich sein sollen. Aus gutem Grund hat daher auch der BGH die Klage eines Handelsvertreters für nicht hinreichend bestimmt gehalten, bei der eine Forderung auf Zahlung restlicher Provisionen nur als Summe eingeklagt wurde, ohne dass der Kläger hinreichend präzisiert hatte, welche Einzelforderungen noch offen waren, nachdem der Beklagte unstreitig Zahlungen auf einzelne Forderungen erbracht hatte. Nur unter der Voraussetzung der Individualisierung kann im Übrigen das Gericht den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis beurteilen, und nur unter dieser Voraussetzung wird der Umfang der inneren (materiellen) Rechtskraft nach § 322 ZPO deutlich. Im Hinblick auf diese Anforderungen muss der Streitgegenstand klar umrissen sein.

5. Auskunftsklage

Ist die Klage aber bereits erhoben und erweist sie sich als nicht hinreichend individualisiert, so sind Korrekturen insbesondere für den klagenden Vertriebspartner kaum möglich, wenn dieser nicht auf die Unterlagen und Dateien zugreifen kann, aus denen sich die anspruchsbegründenden Umstände ergeben. Diese „lagern“ in der Regel in der Sphäre des Unternehmers, so dass der richtige und erfolgsversprechende Weg nur über die Auskunftsklage nach Maßgabe des § 87 c II HGB gehen kann.

III.
Leistungsklage oder vorbereitende Stufenklage

Die Beantwortung der Frage, ob der (verjährungshemmenden) Leistungsklage eine Auskunftsklage im Rahmen einer Stufenklage (§ 254 ZPO) vorgeschaltet sein sollte, ist von verschiedenen Faktoren abhängig.

1. Situation des Unternehmers

Der Unternehmer, der die Rückzahlung von Provisionen beansprucht, dürfte die Leistungsklage direkt erheben können, weil sich die Umstände, die als anspruchsbegründende Tatsachen vorzutragen sind, aus seiner Sphäre ergeben.

2. Situation des Vertriebspartners

Die Situation des Vertriebspartners ist wesentlich schwieriger. Er vermittelt in der Regel nur den Abschluss von Geschäften im Namen des Unternehmers, ohne aber auch den Abschluss selbst zu vollziehen. Soll der Vertriebspartner auch als Abschlussvertreter tätig sein, benötigt er einen gesonderten Auftrag und eine Vollmacht. Der Vertriebspartner nimmt zumeist einen Kundenauftrag entgegen, der Angebot iSd § 145 BGB ist und der Annahme (§ 146 BGB) durch den Unternehmer bedarf. Denn provisionspflichtig sind nach dem Gesetz nur die abgeschlossenen Geschäfte, die der Vertriebspartner vermittelt hat (§ 87 I HGB).

Im Massengeschäft übermittelt der Vertriebspartner die Kundenaufträge häufig via elektronischer Schnittstelle. Damit beginnt das Problem, denn im weiteren Verlauf erfährt der Vertriebspartner oft nichts über das Schicksal des vermittelten Auftrags. Zumindest bleibt in vielen Fällen unklar, woran der Provisionsanspruch gescheitert sein könnte, sei es, weil eine Annahme (§ 146 BGB) des Unternehmers ausgeblieben ist, sei es, weil nicht näher feststellbare Umstände zum Scheitern des vermittelten Vertrages geführt haben. Zwar ist der Unternehmer zur Abrechnung (§ 87c HGB) über die Provision verpflichtet, aber derartige Abrechnungen sind gerade im Massengeschäft häufig derart lückenhaft, dass eine präzise Einschätzung, ob der Provisionsanspruch – im jeweiligen Einzelfall – besteht oder nicht, nicht möglich ist.

Sind dagegen die Abrechnungen hinreichend präzise, kann sich der Vertriebspartner für die Leistungsklage entscheiden, falls sich aus diesen ergibt, dass Provisionen nicht in vollem Umfang ausgezahlt worden sind. Im anderen Fall bleibt nur der – wie sich noch zeigen wird – „steinige Weg“ der vorgeschalteten Auskunftsklage (§ 87 c II HGB). Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass der Hilfsanspruch aus § 87c II HGB nicht isoliert geltend gemacht wird, denn die nur isolierte Geltendmachung würde nicht die Verjährung hemmen.

IV.
Der Buchauszug bei der Vermittlung von Verträgen im Massengeschäft

1. Inhalt des Buchauszugs

Macht der Handelsvertreter seine Rechte aus § 87 c II HGB geltend, verlangt er also die Erteilung eines Buchauszugs, so bedient er sich eines Instruments, das Informationsdefizite bei der Durchsetzung von Provisionsansprüchen beheben soll. Der Buchauszug muss eine vollständige und lückenlose rechtliche Überprüfung der auf die Provisionen bezogenen Anspruchsvoraussetzungen ermöglichen. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass Buchauszüge grundsätzlich umfassender sind als Abrechnungen. Daher sei die Überlassung des Auszugs nur dann nicht erforderlich, wenn der Handelsvertreter Provisionsabrechnungen erhalten habe, die sich lückenlos über den gesamten Vertragszeitraum erstreckten, chronologisch geordnet seien und alle für den Buchauszug erforderlichen Angaben enthielten.

Gegen die Erfassung der oben genannten Individualisierungsmerkmale wird in der Praxis bisweilen eingewandt, der Vertriebspartner verfüge bereits aus den erhaltenen Abrechnungen über die Kunden- und Antragsdaten, weshalb kein entsprechender Auskunftsanspruch gegen den Unternehmer bestehe. Dem ist indessen entgegenzuhalten, dass Auskünfte zu den vermittelten Anträgen und Geschäften nur dann Sinn machen, wenn ein konkreter Bezug zu Kundendaten (Kundenname, Anschrift, Auftragsnummer etc) hergestellt wird.

2. Formulierung des Klageantrags

Um sodann den erforderlichen Inhalt des Buchauszugs beurteilen zu können, der Gegenstand eines spezifizierten Klagantrags sein muss, ist eine umfassende Analyse aller Tatbestandsmerkmale erforderlich, die für den jeweiligen Provisionsanspruch relevant sind. Fehlen derartige Merkmale oder werden sie nicht präzise beschrieben, wäre ein auf dieser Grundlage ergehendes Urteil entweder unzureichend oder hätte keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.

3. In den Buchauszug aufzunehmende „Geschäfte“

In einem weiteren Schritt ist – insbesondere im Massengeschäft – zu überlegen, welche vermittelten Anträge provisionsrelevant sein könnten, nach den Abrechnungen des Unternehmers aber offenbar nicht provisionsrelevant sein sollen, ohne dass insoweit nachvollziehbare Gründe gegeben sind. Zu klären ist daher das Schicksal der eingereichten (ggf. vom Unternehmer nicht angenommenen) Anträge und das Schicksal der tatsächlich zu Stande gekommenen Verträge. Diese Differenzierung ist erforderlich, weil der Wortlaut des Gesetzes irritierend ist. Gem. § 87 c II HGB kann der Handelsvertreter einen Buchauszug „über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 Provision gebührt“. Nach § 87 HGB hat der Handelsvertreter „Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte“.

Wird nur der Wortlaut der Vorschrift berücksichtigt, könnte tatsächlich der Eindruck entstehen, dass nur abgeschlossene Geschäfte in den Buchauszug aufzunehmen sind, also Verträge, die durch korrespondierende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) zu Stande gekommen sind. Die Konsequenzen wären allerdings absurd, denn der Unternehmer könnte das Schicksal vermittelter Angebote iSd § 145 BGB mit der pauschalen Begründung offenlassen, diese seien nicht iSd § 146 BGB angenommen worden, sie hätten keine „Geschäfte“ bewirkt. Damit würde § 87 c II HGB, der dem Handelsvertreter – wenn man so will – einen Blick „hinter die Kulissen“ gestatten soll, teilweise seinen Sinn verlieren. Aus diesem Grund wird nahezu einhellig vertreten, dass der Buchauszug alles erfassen muss, was die Bücher des Unternehmers im Zeitpunkt der Ausstellung über die fraglichen Geschäfte ausweisen und für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann. Weil alle provisionsrelevanten Umstände in den Buchauszug aufzunehmen sind, gehört auch die Annahmeerklärung – gegebenenfalls das Datum der Annahmeerklärung – zum notwendigen Inhalt des Buchauszugs. Das gilt selbst dann, wenn die Entstehung des Provisionsanspruchs nach den individuellen Regeln im Vertriebsvertrag vorverlagert wird, die Provision also schon dann auszuzahlen ist, wenn der vermittelte Antrag (§ 145 BGB), der ein definiertes „Prüfungsstadium“ erreicht hat, noch nicht einmal angenommen worden ist. Auch in diesem Fall kann die spätere Annahmeerklärung – wenn auch vertraglich nicht provisionsrelevant – rechtlich von Bedeutung sein, dann nämlich, wenn das Geschäft nicht ausgeführt wird und deshalb im Regelfall nach § 87 a III 1 HGB der Provisionsanspruch entstanden ist. Um den Provisionsanspruch nach § 87 a III 1 HGB begründen zu können, muss der Handelsvertreter den Geschäftsabschluss nachweisen.

4. Form des Buchauszugs

Im Massengeschäft ist von Bedeutung, dass die Daten ausschließlich rechnergestützt verarbeitet werden und die Vertragsparteien zumeist Excel-Listen mit Kundenstatus austauschen, die auch Gegenstand der Abrechnungen sind. Unter dieser Voraussetzung dürfte nicht zweifelhaft sein, dass der Buchauszug in entsprechender Form zu erteilen ist, denn eine manuelle Bearbeitung der Auskünfte ist nicht zumutbar, allemal dann nicht, wenn die rechnergestützte Verarbeitung der Übung der Parteien entsprach.

V.
Provisionsklauseln und Inhalt des Buchauszugs

Wie aufgezeigt wurde, sind nach der Rechtsprechung des BGH alle Angaben über die vermittelten Geschäfte und ihre Ausführung in den Buchauszug aufzunehmen, soweit sie nach der getroffenen Provisionsvereinbarung von Bedeutung sind.

1. Vertragsdetails im Massengeschäft

Im Massengeschäft enthält die Provisionsvereinbarung häufig komplizierte Details, insbesondere dann, wenn technische Leistungen Gegenstand des vermittelten Vertrags sind. Der Unternehmer versucht, regelmäßig alle Anforderungen zu berücksichtigen, die sich im Hinblick auf das vermittelte Geschäft ergeben können. Er definiert dabei die Anforderungen des Geschäfts, für dessen Vermittlung er eine Provision zahlen will, und bestimmt Merkmale, die dem Provisionsanspruch entgegenstehen oder diesen entfallen lassen. Er beschreibt in diesem Zusammenhang das Prüfungsprozedere (Clearing-Verfahren) und die Auswirkungen auf den Provisionsanspruch. Geprüft wird etwa die Bonität des Kunden, die Plausibilität der übermittelten Daten, die Wirksamkeit der Willenserklärung, der eventuelle Widerruf, die Anfechtung oder die technische Verfügbarkeit der dem Kunden angebotenen Leistung nach detaillierten Vorgaben. Teilweise sind derartige Merkmale als Provisionsentstehungsvoraussetzungen gestaltet, teilweise definieren die Merkmale Umstände, die den Provisionsanspruch erst rückwirkend wieder entfallen lassen.

2. Begründungsaufwand in der Provisionsklage

Nicht selten wird die Provisionsentstehung – abweichend von § 87a I 1 HGB – vorverlagert, um die Liquidität des Vertriebspartners zu verbessern. In Betracht kommt etwa, den Provisionsanspruch schon dann entstehen zu lassen, wenn das vermittelte Geschäft zu Stande gekommen ist. In solchen Fällen werden allerdings zumeist zahlreiche Umstände der geschilderten Art beschrieben, die – soweit sie vorliegen – den Provisionsanspruch rückwirkend wieder entfallen lassen. Je nach Gestaltung verschiebt sich die Vortrags- und Beweislast zu Gunsten oder zu Lasten des Handelsvertreters oder des Unternehmers. Ist die Provisionsentstehung von vielen Voraussetzungen abhängig, erfordert die Darlegung im Rahmen der Provisionsklage (Leistungsklage) einen ganz erheblichen Begründungsaufwand, nachdem der – entsprechend detailreich ausgestaltete – Buchauszug ausgewertet worden ist. An dieser Stelle zeigt sich der Zusammenhang zwischen der Gestaltung der Provisionsklausel und dem Inhalt des Buchauszugs. Je detailreicher die Provisionsentstehungsvoraussetzungen formuliert sind, umso mehr Informationen hat der Buchauszug auszuweisen.

3. Qualität des Abrechnungsverfahrens

Vordergründig mögen detailreich gestaltete Provisionsklauseln in der gerichtlichen Auseinandersetzung für den Unternehmer vorteilhaft sein, weil der vortrags- und beweispflichtige Handelsvertreter mit einem erheblichen Begründungsaufwand konfrontiert ist. Bei genauerer Betrachtung erweist sich eine derartige Gestaltungsvariante unter Umständen aber als „Damoklesschwert“, denn der Unternehmer muss die Abrechnungsverfahren rechnergestützt so wählen, dass er – gewissermaßen auf Knopfdruck – die Anforderungen des entsprechend auszugestaltenden Buchauszugs erfüllen kann. Sind indessen die Vertragsklauseln und das Abrechnungsprozedere nicht kompatibel, ergeben sich erhebliche Probleme, insbesondere in Bezug auf Stornierungstatbestände. Wurden die entsprechenden Informationen, etwa bei der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kunden, nicht präzise erfasst, so sind diese zu einem späteren Zeitpunkt kaum noch rekonstruierbar.

4. Problem: Nicht ausgeführte Geschäfte (§ 87 a III HGB)

Besonders folgenreich erweist sich dabei die Anwendung des bereits erwähnten § 87 a III HGB. Wird der vermittelte Antrag angenommen, das Geschäft aber nicht ausgeführt, so besteht grundsätzlich der Provisionsanspruch (Regelfall). Dieser Anspruch besteht zwingend, also unabhängig von einer abweichenden Provisionsvereinbarung, denn gem. § 87 a V HGB sind von diesem Grundsatz abweichende, für den Handelsvertreter nachteilige Vereinbarungen unwirksam. Der Anspruch kann gem. § 87 a III 2 HGB nur noch entfallen, wenn die Nichtausführung auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. In der gerichtlichen Auseinandersetzung muss der Handelsvertreter lediglich vortragen und beweisen, dass die Nichtausführung des Geschäfts feststeht. Sodann muss der Unternehmer – um der Provisionspflicht zu entgehen – vortragen und beweisen, dass er die Nichtausführung nicht zu vertreten hat. Hat allerdings der Unternehmer die Umstände, die für die Nichtausführung des Geschäfts maßgeblich waren, nicht ausreichend dokumentiert und finden sich diese im Buchauszug nicht wieder, so ist die Provision zu zahlen. Unklarheiten gehen also zu Lasten des Unternehmers, und zwar mit der Konsequenz, dass möglicherweise alle oder ein großer Teil der Geschäfte zu verprovisionieren sind, die Gegenstand der vom Unternehmer geführten Stornierungslisten sind. Hier liegt daher eines der vielen Probleme, die zu den typischen Risiken des Massengeschäfts gehören.

VI.
Ausschluss von Teilprovisionsansprüchen

Bei der Ermittlung des Provisionsanspruchs – respektive hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an den Buchauszug – ist nicht nur auf die vertraglichen Inhalte der Provisionsregelung abzustellen. Vielmehr ist auch unter Berücksichtigung des § 87 a I 3, 5 HGB zu fragen, ob bei der Gestaltung der Provisionsklauseln nicht dispositive Bestimmungen im Recht des Handelsvertreters verletzt wurden.

1. Sprunghaftung/Einmalprovision

Es geht im Kern um eine häufig in Vertriebsverträgen aufzufindende Klausel, die immer dann Anwendung findet, wenn die Vermittlung von Dauerschuldverhältnissen mit einer Einmalprovision vergütet wird. Da der Unternehmer im Dauerschuldverhältnis den Ertrag erst sukzessive, zumeist durch monatliche Zahlungen des Kunden, erwirtschaftet, versucht er zu definieren, unter welchen Voraussetzungen das vermittelte Geschäft für ihn so werthaltig geworden ist, dass die Provision bei seinem Vertriebspartner verbleiben kann. In den eingangs erwähnten Branchen werden entsprechende Haftungsklauseln verwendet. Der Unternehmer definiert eine so genannte „Sprunghaftung“ des Inhalts, dass eine gezahlte Provision rückerstattet werden muss, wenn der vermittelte Vertrag innerhalb einer festgelegten „Sprunghaftungsfrist“ scheitert. Gebräuchlich sind „Sprunghaftungsfristen“ von zwölf oder 18 Wochen, in dem vom BGH entschiedenen Fall gar von 27 Wochen. Es leuchtet ein, dass derartige Klauseln den Vertriebspartner unangemessen benachteiligen, und zwar auch dann, wenn – wie häufig behauptet – vergleichsweise hohe Einmalprovisionen gezahlt werden sollten. Wären derartige Klauseln wirksam, könnte der Unternehmer provisionsrelevant beliebig bestimmen, wann der Ertrag die Größenordnung erreicht, die seinen Vorstellungen entspricht, gegebenenfalls den von ihm für maßgeblich gehaltenen „Break Even“ übersteigt. Das hätte zur Konsequenz, dass Leistungen (Zahlungen) des Kunden, die innerhalb der „Sprunghaftungsfrist“ vom Kunden erbracht werden, vom Unternehmer vereinnahmt werden, ohne dass er als Äquivalent eine Provision ausschütten muss. Das wirtschaftliche Risiko des Unternehmers bis zur Erreichung des „Break Even“ würde dann auf den Handelsvertreter abgewälzt werden können. Darüber hinaus ergeben sich durch die Vermittlung des Geschäfts weitere Vorteile, etwa Kundenbindungen oder auch Kundendaten, die zweifellos einen wirtschaftlichen Wert haben, aber ohne Vergütungspflicht genutzt werden können.

2. Teilprovisionsanspruch nicht dispositiv

Wenn der vom Unternehmer bezweckte wirtschaftliche Erfolg indessen eingetreten ist, so hat der Vertriebspartner gem. § 87 a I 3 HGB zwingend einen Anspruch auf eine Teilprovision. Diese ist „unabhängig von einer Vereinbarung“ (vgl. § 87 a I 3 HGB) – also nicht dispositiv – zu zahlen, „soweit der Dritte das Geschäft ausgeführt hat“. Vor der HGB-Novelle 1990 konnte der Anspruch auf Teilprovision ausgeschlossen werden (vgl. § 87 a I 4 HGB aF). Die aktuelle Vorschrift des § 87 a I 3 HGB setzte die Vorgaben des Art. 10 II und IV der RL 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter in deutsches Recht um. Fortan war der Ausschluss des Teilprovisionsanspruchs nicht mehr zulässig. Dies hat der BGH in seinem Urteil vom 12.3.2015 bestätigt.

Auf das vorgenannte BGH-Urteil wird die Branche vermutlich mit veränderten Provisionsmodellen reagieren. Bei jedem Provisionsmodell ist allerdings zu überlegen, welche Konsequenzen es für den Ausgleichsanspruch (§ 89 b HGB) hat. Wird etwa eine Umsatzprovision gezahlt, so entsteht nach Beendigung des Vertriebsvertrags ein Ausgleichsanspruch, der im Fall der Zahlung einer Einmalprovision durchaus fraglich sein kann.

VII.
Umfang und Höhe des Teilprovisionsanspruchs

Hinsichtlich der Höhe des Teilprovisionsanspruchs hat der BGH in seiner Entscheidung vom 12.3.2015 festgestellt, dass der Handelsvertreter als Provision den üblichen Satz gem. § 87 b I HGB verlangen kann. Dies ist eine Konsequenz daraus, dass der BGH davon ausgeht, dass die „vertragliche Regelung über die Sprunghaftung nicht in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil aufgespalten werden“ kann. Danach soll das Provisionsmodell insgesamt seinen Sinn verlieren, wenn eine für den Provisionsanspruch maßgebliche Bedingung nicht wirksam vereinbart werden kann.

1. Anspruchsumfang

Diese Vorgaben des BGH sind bei der Ermittlung der Höhe des Teilprovisionsanspruchs mit der Regelungsanordnung von § 87 a I 3 HGB in Einklang zu bringen, da diese (zwingende) Norm ebenfalls Aussagen zur Höhe des Teilprovisionsanspruchs enthält: Nach dem unmittelbaren Wortlaut der Vorschrift hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision, sobald und – vor allem aber – „soweit“ der Dritte das Geschäft ausgeführt hat. In der praktischen Anwendung bedeutet dies, dass – gemessen an dem vollen Provisionsanspruch – ein lediglich anteiliger Provisionsanspruch entsteht, und zwar in dem Verhältnis der teilweisen zur vollen Ausführung. Entscheidend ist mithin bei der Vermittlung von Dauerbezugsverträgen, wie lange der Kunde tatsächlich Zahlungen erbracht hat und wie lange diese im Fall der vollen vertraglich vereinbarten Ausführung insgesamt erfolgt wären. Wenn man so will, gibt letztlich der Wortlaut des § 87 a I 3 HGB selbst vor, wie der jeweilige Umfang des Teilprovisionsanspruchs zu berechnen ist. Die zu Grunde zu legende Formel lautet demnach: Anzahl der tatsächlich bezahlten Wochen (oder Monate), das heißt, die Dauer der teilweisen Ausführung, im Verhältnis zur Anzahl der zu zahlenden Wochen (oder Monate) im Falle vollständiger Ausführung des Geschäfts durch den Dritten. Die Einfügung konkreter Zahlen des jeweiligen Einzelfalles in diese Formel liefert den Prozentsatz, zu welchem dem Handelsvertreter Provisionen gebühren, mithin den Umfang seines Teilprovisionsanspruchs.

2. Anspruchshöhe

Mit dieser Ermittlung des Anspruchsumfangs iSd § 87 a I 3 HGB steht jedoch noch nicht fest, in welcher konkreten Höhe der Teilprovisionsanspruch besteht. Aus der Anwendung von § 87 a I 3 HGB auf den jeweiligen Einzelfall folgt lediglich eine Quote, mit der der volle Provisionsanspruch zu multiplizieren ist. Erst daraus ergibt sich die konkrete Höhe des Teilprovisionsanspruchs. Sofern die vertragliche Vergütungsregelung im Vertriebsvertrag wirksam ist, folgt die Höhe des vollen Provisionsanspruchs aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Wenn aber ein Provisionsmodell im Hinblick auf § 87 a I 3 HGB nicht wirksam vereinbart werden kann, so ergibt sich nach Ansicht des BGH die Höhe des Teilprovisionsanspruchs des Weiteren aus § 87 b I HGB. Denn ein solches Provisionsmodell könne auch „nicht mehr entsprechend dem von den Parteien vereinbarten Inhalt und der damit einhergehenden Risikoverteilung teilweise aufrechterhalten werden“, so dass die Dauer der vereinbarten Sprunghaftungsfrist nicht Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Umfangs der Teilprovision gem. § 87 a I 3 HGB sein könne. Vielmehr stünde dem Handelsvertreter in diesem Fall „der übliche Satz nach § 87 b I HGB“ zu.

3. § 87 a I 3 HGB einschlägig

Da die vertragliche Sprunghaftungsfrist in dem vom BGH entschiedenen Fall 27 Wochen betrug, lehnte der BGH die erstinstanzliche und berufungsgerichtliche Berechnungsformel von x bezahlten Wochen, in denen der Kunde tatsächlich Zahlungen für das Abonnement geleistet hat, im Verhältnis zu dem Zeitraum der vertraglichen Sprunghaftungsfrist von 27 Wochen ab. Damit geht jedoch keine generelle Absage des BGH an eine Berechnungsmethode zur Ermittlung des Umfangs des Teilprovisionsanspruchs einher, die den Zeitraum der teilweisen Erfüllung durch den Kunden und den Zahlungszeitraum im Falle der vollen Ausführung durch den Dritten zueinander ins Verhältnis setzt. Wie gezeigt wurde, folgt die Ermittlung einer Quote aus den beiden genannten Zeiträumen vielmehr unmittelbar aus dem Wortlaut des § 87 a I 3 HGB, dessen Einschlägigkeit und Unabdingbarkeit der BGH gerade ausdrücklich bestätigt hat.

4. Provisionssatz gem. § 87 b I HGB

Der BGH hat in seinem Urteil nicht näher erläutert, wie der übliche Provisionssatz iSd § 87 b I HGB zu ermitteln ist. Weiteren Anhalt gibt jedoch auch an dieser Stelle das Gesetz. Nach § 87 b II HGB ist die Provision von dem Entgelt zu berechnen, das der Dritte an den Unternehmer zu leisten hat.

5. Entgeltberechnung

Zu den Entgelten iSd § 87 b II 1 HGB werden auch geldwerte Nebenleistungen gezählt, die dem Unternehmer zugutekommen. Demzufolge dürften bei der Ermittlung des provisionspflichtigen Umsatzes des Unternehmers neben dem vom Kunden vertragsgemäß zu leistenden Entgelt auch weitere Vorteile zu berücksichtigen sein, welche dieser durch die erfolgreiche Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters erzielt. Wie weit der Begriff des Entgelts reicht, haben unlängst Brönneke/Schmidt gezeigt, und zwar im Zusammenhang mit der Anwendung des § 312 I BGB (Anwendungsbereich und Grundsätze bei Verbraucherverträgen). Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass etwa die Hingabe von Daten zunehmend zu einer Art Ersatzwährung avanciert sei, die Weitergabe personenbezogener Daten bzw. die Einwilligung zu deren Speicherung, Nutzung oder Weitergabe könne eben auch Entgelt für eine Leistung des Unternehmers sein. Bedeutsam sind solche Daten etwa für die Kundenrückgewinnung (Winback) und das so genannte Cross-Selling, also die Nutzung der Daten in Kooperationen mit anderen Unternehmen zur Generierung weiterer Umsätze. In der Verlagsbranche, auf die sich die BGH-Entscheidung bezieht, spielt darüber hinaus eine Rolle, dass die vermittelten Endkundenverträgen die Auflagenzahlen steigern und deshalb höhere Werbeeinnahmen erzielt werden können. Denn Verlage finanzieren sich nicht nur durch den Verkauf des Titels. Sie erzielen ihre Erlöse auch durch Werbeanzeigen. Je höher die verbreitete Auflage ist, um so höher ist der vom Werbetreibenden für die Werbeanzeige zu zahlende Preis. Der Gesetzgeber hatte bei der Abfassung der §§ 87 ff. HGB vorwiegend den einfachen Warenaustausch im Blick. Dauerbezugsverträge – zumal in der Form des Massengeschäfts – waren bei Erlass des HGB im Jahre 1897 nicht existent und daher nicht vom Regelungsgehalt des Gesetzes umfasst. Auch die nachfolgenden HGB-Novellen haben diese Regelungslücke nicht geschlossen. Dementsprechend ist heute anerkannt, dass der Wortlaut des § 87 b I HGB in mancherlei Hinsicht zu eng geraten ist. Abweichend von der strikten gesetzlichen Formulierung „Entgelt, das der Dritte zu leisten hat“, entspricht es daher der heute herrschenden Meinung, dass „Provisionsbemessungsgrundlage der vom Handelsvertreter (mit-)verursachte Umsatz ist, dessen Wert sich im Regelfall nach dem für das Kundengeschäft in Rechnung gestellten Geldbetrag bestimmt“, aber eben nur im „Regelfall“. Individuelle Betrachtungsweisen sind im Hinblick auf Dauerbezugsverträge angezeigt.

VIII.
Fazit

Bei der prozessualen Durchsetzung seiner Provisionsansprüche ist der Handelsvertreter zunächst oft im Nachteil. Die Ursachen hierfür liegen in dem typischerweise bestehenden Informationsvorsprung des Unternehmers hinsichtlich der provisionsbegründenden Umstände, was sich im Massengeschäft besonders gravierend auswirkt. Das Verlangen eines exakt auf die Provisionsregelung abgestimmten Buchauszugs kann dieses Informationsdefizit des Handelsvertreters beheben. Diese Schwierigkeiten gilt es, schon im Vorfeld bei der Gestaltung von Vertriebsverträgen im Blick zu haben. Der Konflikt kann letztlich nur durch die kohärente Abstimmung von Abrechnungs- und Bearbeitungsprozessen des Unternehmers einerseits und der vertraglichen Provisionsregelung anderseits aufgelöst werden, das heißt, der Unternehmer muss die rechnergestützten Bearbeitungsvorgänge technisch und inhaltlich so gestalten, dass er den Anforderungen der eigenen Provisionsregelung gerecht werden kann.

Durch sein Urteil vom 12.3.2015 hat der BGH die Position des Handelsvertreters weiter gestärkt. Die in den Branchen Telekommunikation, Energie und Pressevertrieb weit verbreiteten Sprunghaftungsklauseln können den Teilprovisionsanspruch des Handelsvertreters wegen Verstoßes gegen § 87 a I 3 HGB nicht wirksam ausschließen. Der Handelsvertreter ist auf Basis der Rechtsprechung des BGH auch dann am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmers zu beteiligen, sobald und soweit der Kunde das Geschäft ausgeführt hat. Bei der Ermittlung der Höhe des Teilprovisionsanspruchs kommt § 87 a I 3 HGB insoweit eigenständige Bedeutung neben der Anwendung des § 87 b I HGB zu. Die Vorschrift des § 87 b I HGB ist – entsprechend ihrem Sinn und Zweck – über ihren Wortlaut hinaus so auszulegen, dass Provisionsbemessungsgrundlage der vom Handelsvertreter (mit-)verursachte Umsatz ist und nicht nur das „Entgelt, das der Dritte zu leisten hat“.

Die Provisionsregelung bildet das Herzstück jeder Vertriebsvereinbarung. Den Vertragsparteien stehen dabei verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die grundlegende Entscheidung ist zwischen der Gewährung einer Umsatzprovision oder einer Einmalprovision zu treffen. Vor allem, wenn Dauerschuldverhältnisse vermittelt werden, ergeben sich – je nach Provisionsart – Probleme, die zumeist übersehen werden.

I.
Umsatzprovision und Einmalprovision

Der Anspruch auf Umsatzprovision, in der Telekommunikationsbranche auch „Airtime-Provision“ genannt, erlischt zumeist mit dem Ende des Vertriebsvertrages, in jedem Fall mit der Beendigung des vermittelten Vertrages. Sie kann aber ggf. auch nach Vertragsende weitergezahlt werden und bildet vor allem in dieser Konstellation häufig eine wesentliche Motivation für den Vertriebspartner, nachhaltige Geschäfte zu vermitteln, weil er dadurch auch nach Ende seines Vertrages vom Geschäftserfolg des Prinzipals profitieren kann.

Die Einmalprovision fällt oft höher als die Umsatzprovision aus. Sie wird daher von den Vertriebspartnern wegen ihrer Liquiditätsfreundlichkeit geschätzt. Im Vertriebsvertrag ist exakt zu regeln, wann die Einmalprovision verdient ist und unter welchen Voraussetzungen sie wieder entfällt.

Die sich darüber hinaus ergebenden Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Provisionsarten bleiben allerdings im Verborgenen und zeigen sich häufig erst, wenn um Provisionen gestritten wird.

II.
Die Wahl der Provisionsart, Vor- und Nachteile aus Unternehmersicht

Des einen Freud, des anderen Leid? In der Vertriebspraxis gilt diese Regel nicht einschränkungslos, denn nicht wenige Unternehmen sind in einer Art „Zwitterstellung“ tätig. Einerseits vermitteln sie Geschäfte für einen Prinzipal, andererseits sind sie mit Untervertretern vertraglich verbunden und müssen einen Perspektivenwechsel vollziehen, etwa bezogen auf die Provisionsgestaltung.

Ausgleichsanspruch

Gemäß § 89 b HGB besteht nach Ende des Vertriebsvertrages ggf. ein Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters (Vertriebspartners). Die Einzelheiten sind kompliziert, der Anspruch ist abhängig davon, welche Provisionsgestaltung die Parteien gewählt haben. Grundidee des Gesetzgebers ist, dass der Vertriebspartner einen Ausgleich – bis zu einer Jahresprovision – erhalten soll, wenn der Prinzipal aus den vermittelten Geschäften weiterhin Vorteile hat, die durch die Provision bisher nicht in vollem Umfang ausgeglichen worden sind. Das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung drängt sich auf, wenn eine Umsatzprovision gezahlt wird, die mit dem Ende des Vertriebsvertrages entfällt. Bei seinen Kalkulationen muss der Prinzipal also berücksichtigen, dass weitere Ansprüche des Handelsvertreters „schlummern“, die vertraglich nicht ausgeschlossen werden können und innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht werden müssen (§ 89 b Abs. 4 HGB). Ist dagegen eine Einmalprovision vereinbart, so bestehen für den Unternehmer größere Chancen, sich gegen den Ausgleichsanspruch zu verteidigen. Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 19.09.2012, Az: 3 U 195/11, festgestellt, dass die Zahlung eines Ausgleichs ohne Provisionsverluste des Handelsvertreters – d. h. im Falle der Einmalprovision – in der Regel nicht der Billigkeit entspricht. Das von den Parteien vereinbarte Provisionssystem könne nicht nachträglich über den Ausgleichsanspruch korrigiert werden und dem Handelsvertreter damit letztendlich ein Mehr an Vergütung zugebilligt werden, als der bei Fortsetzung des Vertrages an Provision erhalten hätte (OLG Stuttgart, a. a. O., Rz. 46). Allerdings räumt das OLG Stuttgart in seinem Urteil gleichzeitig ein, dass Ausnahmefälle denkbar seien, die das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs auch ohne den Eintritt von Provisionsverlusten rechtfertigen könnten.

Abrechnung und Buchauszug

Gem. § 87 c Abs. 2 HGB kann der Vertriebspartner (Handelsvertreter) bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 HGB Provisionen gebühren. Zwar dürften Abrechnungen inzwischen nahezu ausschließlich digital abgewickelt werden, aber der Buchauszug ist nach wie vor ein „Damoklesschwert“ über dem Kopf des Prinzipals. Er muss alle Daten enthalten, die für die Feststellung der Provision maßgeblich sind (BGH, Urteil vom 21.03.2011, Az: 8 ZR 149/99; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2013, Az: I-16 U 89/11). Bei der Umsatzprovision dürfte das vergleichsweise leicht fallen, weil Transparenz in Bezug auf Umsätze in aller Regel mühelos herstellbar ist. Kompliziert wird es allerdings bei der Einmalprovision, denn häufig macht der Prinzipal die Entstehung der Provision oder das Entfallen des Anspruchs von zahlreichen Voraussetzungen abhängig, die er spezifizieren muss, wenn ein Buchauszug verlangt wird. Sehr häufig sind vertragliche Gestaltungen und faktische Abrechnungsprozesse nicht kompatibel, so dass der Prinzipal schon logistisch vor einer nicht zu bewältigenden Aufgabe steht. Die Durchsetzung etwaiger Rückforderungsansprüche gegen den Vertriebspartner (Handelsvertreter) wird zur Illusion, weil dieser von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen kann (vgl. etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 01.06.2012, Az: 14 U 15/12). Darüber hinaus stellt sich die Frage von Schadensersatzansprüchen, wenn der Prinzipal den Buchauszug in letzter Konsequenz nicht so zur Verfügung stellen kann, dass er verwertbar ist.

Teilprovisionsanspruch

Im Falle der Vermittlung von Dauerschuldverhältnissen wird zumeist ein sog. „Haftungszeitraum“ vorgegeben, wenn die Parteien eine Einmalprovision vereinbaren. Der Provisionsanspruch entsteht nicht oder entfällt, wenn der vermittelte Vertrag innerhalb eines definierten Zeitraums scheitert. Lange „Haftungszeiträume“ haben gravierende Nachteile für den Vertriebspartner (Handelsvertreter), weil sein Vermittlungsaufwand nutzlos wird, obwohl der Unternehmer bei teilweiser Ausführung des Vertrages mit dem Kunden erhebliche Vorteile hat. Solche Kalkulationsvorstellungen des Prinzipals verkennen allerdings, dass für einen Teilerfolg – Zahlungen des Kunden – auch eine Teilprovision gezahlt werden muss, denn der Vertriebspartner (Handelsvertreter) hat Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Dritte (Kunde) das Geschäft ausgeführt, folglich Zahlung geleistet hat (OLG Hamburg, Urteil vom 12.11.2013, Az: 9 U 11/12). Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Teilprovisionsanspruchs ist das Verhältnis zwischen tatsächlicher Laufzeit und vertraglich vereinbarter Laufzeit (OLG Hamburg, a. a. O., S. 13). Der Anspruch kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden, denn der Teilprovisionsanspruch besteht gem. § 87 a Abs. 1 S. 3 HGB „unabhängig von einer Vereinbarung“.

III.
Fazit

In allen Vertragsbeziehungen zwischen Prinzipal und Vertriebspartnern (Handelsvertretern) „schlummern“ (Provisions-)Ansprüche oder – je nach Perspektive – Risiken, solchen Ansprüchen ausgesetzt zu sein. Der Gesetzgeber schützt den Vertriebspartner (Handelsvertreter) und garantiert in einem gewissen Umfang die Angemessenheit der Vergütung. Eine Abwägung von Vor- und Nachteilen im Rahmen der Vertragsgestaltung setzt voraus, dass insbesondere der Prinzipal eine Vorstellung davon hat, an welcher Grenze das nicht dispositive Recht verläuft.

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I. Einheitlicher Ehrenkodex für das Telemarketing

Ausweislich einer aktuellen Pressemitteilung des DDV hat der Verband eine Version für einen standardisierten Ehrenkodex der Deutschen Telefonmarketing-Branche vorgelegt. Die beiden DDV-Councils Direct Sales & Relations und TeleMedien- & CallCenter-Services hatten den Entwurf im Frühjahr gemeinsam erarbeitet, wobei im Dezember 2007 auch das Call Center Forum (CCF) am Diskussionsprozess beteiligt wurde. Der Verband geht davon aus, dass sich das CCF seinem Vorschlag anschließen wird, wenngleich für den 07.07.2008 zwischen den Beteiligten eine weitere Diskussion geplant ist.

In den vorausgegangenen Diskussionen haben sich die Vertreter der Councils auf eine straffe Version des Ehrenkodex verständigt.

Folgende Gründe waren dafür ausschlaggebend:

Der Ehrenkodex soll einerseits den Unternehmen, die sich seinen Regelungen unterwerfen, eine verbindliche und klare Handlungsanweisung für ihre Marketingaktivitäten geben. Vor dem Hintergrund einer kritischen Medienberichterstattung über das Telemarketing richtet sich der Ehrenkodex aber auch an die Öffentlichkeit. Er ist der Versuch, gegenüber Politik und Verbraucherverbänden deutlich zu machen, dass die Branche ernsthaft bemüht ist, durch Maßnahmen der Selbstregulierung Auswüchse im Direktmarketing zu unterbinden. Gerade deshalb muss der Ehrenkodex so gefasst sein, dass er auch für den mit der Materie nicht im Detail vertrauten Leser verständlich und nachvollziehbar ist. Die zur Diskussion gestellten Entwürfe waren teilweise derart detailreich, dass auf einen Anhang ausgewichen werden musste. Ein mit einem Anhang versehener Kodex, der die abstrakten Regeln kommentiert und jeden Zweifelsfall zu klären versucht, genügt dem Erfordernis nach Überschaubarkeit nicht. Es sollte daher den nach der DDV-Satzung vorzusehenden Kontrollorganen überlassen bleiben, im Einzelfall zu klären, ob

ein Regelverstoß vorliegt und welche Konsequenzen dieser nach sich zieht. Zweifellos zeichnen sich die Probleme im Telemarketing durch ihre Komplexität aus, aber es ist fraglich, ob derartige Probleme durch ein kompliziertes und überfrachtetes Regelwerk gelöst werden können.

Die Vertreter der DDV-Councils haben es vorgezogen, vor allem die Verbraucher und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den persönlichen Schutzbereich des Ehrenkodex einzubeziehen. Es mag gute Gründe dafür geben, auch Wettbewerber und Auftraggeber auf den Kodex zu verpflichten, aber Wettbewerber und Auftraggeber begegnen den unterzeichnenden Unternehmen eher auf der Gleichordnungsebene, sind also weniger schutzwürdig. Das Wettbewerbsrecht (UWG) gestattet es den Wettbewerbern, unlautere Werbung zu unterbinden. Auftraggeber können die Konditionen der Zusammenarbeit im Rahmen der Vertragsverhandlungen beeinflussen, wenngleich nicht verkannt wird, dass diverse Marktteilnehmer Konditionen diktieren. Medien und Parteien sowie insbesondere auch die Verbraucherminister der Länder kritisieren Auswüchse im Marketing, die die Interessen der Verbraucher und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – etwa der im Call-Center – maßgeblich beeinträchtigen. Es macht deshalb Sinn, den Kodex in den Dienst dieser Personengruppen zu stellen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die aktuelle Version des Ehrenkodex im Anhang verwiesen.

II. Der Ehrenkodex – ein Element der Unternehmensethik

Die Gründung des Councils DSR, die Formulierung eines Ehrenkodex und schließlich auch die Bemühungen, einen einheitlichen Ehrenkodex für das Direktmarketing zu etablieren, folgen der Einsicht diverser Unternehmen, dass un-

seriöse Verhaltensweisen im Direktmarketing die Existenz einer ganzen Branche gefährden.

Solche Verhaltensweisen sind keineswegs nur eine Erfindung von Günter Wallraff, der mit seiner Sendung „Bei Anruf Abzocke!“ am 11.12.2007 ein beachtliches Echo in der Öffentlichkeit auslöste. Polemische Diskussionen, plakative Äußerungen und Schwarz-Weiß-Malereien gehören zum redaktionellen Konzept bestimmter Medien und entsprechen dem Bedürfnis der Öffentlichkeit, auf komplexe Fragen möglichst einfache Antworten zu finden. Es nützt deswegen auch wenig, über derartige Berichterstattungen zu lamentieren.

Eine ganze Branche muss sich selbstkritisch die Frage stellen, weshalb es Journalisten gelingt, die gesamte Öffentlichkeit zu mobilisieren und Gesetzesinitiativen eine neue Dynamik zu geben.

Die Präambel des Ehrenkodex gibt darauf eine Antwort, nämlich in ihrer Abgrenzung gegenüber unseriös agierenden Unternehmen, die den Imageschaden bewirken.

Dort heißt es:

„Wer langfristig das Vertrauen seiner Kunden gewinnt, schafft werthaltige Vertragsbeziehungen, die für die Unterzeichner Priorität haben. Die so entstehende Nachhaltigkeit setzt einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen Verbrauchern und Unternehmen voraus.“

Diese Abgrenzung müsste nicht formuliert werden, wenn es nicht diverse Unternehmen gäbe, die sich ausschließlich vom Gedanken der Profitmaximierung in der Kundenbeziehung leiten lassen.

Nachhaltigkeit, auf die sich die Mitglieder des Councils verständigt haben, steht deutlich im Gegensatz zum kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg und setzt auf die dauerhafte Vertragsbeziehung zum Kunden. Das lässt sich nur erreichen durch

die Qualität des Produkts, durch Fairness, Vertrauen und Respekt, auch und vor allem gegenüber der Privatsphäre.

Der Ehrenkodex formuliert also, das macht bereits seine Präambel deutlich, moralische Werte, die bei ernstzunehmenden Diskussionspartnern kaum auf Widerspruch stoßen werden und sich gut „verkaufen lassen“. Wer aber mit einem moralischen Anspruch auftritt, ist auf Dauer nur authentisch, wenn er die Moral auch konsequent umsetzt.

Ein Ehrenkodex ist schnell unterschrieben, er eignet sich als „Gütesiegel“ hervorragend, um die Marketingaktivitäten zu unterstützen, aber er ist eben nicht nachhaltig, wenn er von den Unternehmen nicht verinnerlicht wird und als Chance begriffen wird, eine Diskussion über die Unternehmensethik auszulösen.

Die Unternehmensethik ist ein Teilgebiet der Wirtschaftsethik und beschäftigt sich mit der Frage, welche moralischen Wertvorstellungen für Unternehmen maßgeblich sein sollen.

Dabei stellt sich die Frage, wie unternehmerisches Gewinnstreben und moralische Ideale zusammenpassen. Nicht wenige pragmatisch Orientierte dürften auch weiterhin der Auffassung sein, dass das Philosophieren über Wirtschaftsethik eher „Sonntagsreden“ und „akademischen Sandkastenspielen“ an den Lehrstühlen von Universitäten vorbehalten bleiben sollte.

„Deutschland lebt noch immer in einer wirtschaftsethischen Steinzeit“, sagt Jesco Kreft, ein Politikwissenschaftler aus Hamburg. „Wenn jemand Gutes tut und damit erfolgreich ist oder auch seinen Gewinn steigert, gilt sein Engagement in Deutschland typischerweise als desavouiert.“

Ethik wird – jedenfalls in Deutschland – unter Kostengesichtspunkten gesehen, sie gilt als teuer und eignet sich offenbar allenfalls für Hochglanzbroschüren.

„The business of business is business“, sagt der US-amerikanische Wirtschaftsprofessor und Nobelpreisträger Milton Friedman und meint damit: Ein Unternehmen lässt sich vom Profit leiten, von sonst nichts. Dass aber Unternehmensethik auch als Teil des Risikomanagements verstanden werden kann, belegen Beispiele aus der Vergangenheit:

Als der Ölkonzern Shell 1995 seine Ölplattform Brent Spar im Meer versenken wollte, erhob sich weltweit Protest. Die Ignoranz des Unternehmens hatte einen desolaten Imageverlust zur Folge. Aus Schaden wird allerdings der Mensch klug, weshalb sich Shell heute besonders im Umweltschutz engagiert.

Die Mobilfunkgesellschaft O2 setzt sich mit dem Jugendschutz auseinander und folgt einem Verhaltenskodex. Minderjährige werden vor Inhalten geschützt, die nur Erwachsenen zugänglich sein sollen. Damit wird das Unternehmen zum aufmerksamen und sachkundigen Vertragspartner im Bereich Telekommunikationstechnik und der Informationstechnologien.

Der Henkel-Konzern hat ein Programm zum schonenden Umgang mit der Umwelt aufgelegt und will damit nicht nur Verantwortung übernehmen, sondern auch wirtschaftlichen Erfolg haben.

Warum stellen zukunftsorientierte Unternehmen soziale, moralische und ökologische Standards auf?

Der US-amerikanische Investor Warren Buffett meint dazu: „Es dauert 10 Jahre, einem Unternehmen ein positives Image zu verleihen, aber nur 10 Sekunden, dieses zu verlieren“.

Was hat das alles konkret mit dem Ehrenkodex zu tun?

Mit dem Ehrenkodex unterwerfen sich die Unterzeichner – ob nun zähneknirschend oder positiv gestimmt – einer Moral. Wir haben uns viel damit befasst, welche Standards Geltung haben sollen, aber wir müssen den Weg konsequent zu Ende gehen und uns Gedanken über die Ethik machen. Die Ethik ist dabei nichts anderes als die Systematisierung und die Anwendung der Moral. Moral und Ethik stehen also im Verhältnis von Theorie und Praxis.

Praxis meint dabei die Umsetzung der Moral – des Ehrenkodex – auf Verbandsebene (Verbandsethik) und auf der Ebene der Unternehmen (Unternehmensethik).

Auf Verbandsebene bedeutet das, dass ein Ehrenkodex regelmäßig zu überprüfen ist und fortentwickelt werden muss. Der Ehrenkodex ist ein lebendiges Dokument. Das bedeutet auch, dass die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, dass gegen den Ehrenkodex verstoßen wird, auf Basis einer Satzung formuliert werden müssen. Wenn die Konsequenzen im semantischen Nebel der Satzung verschwinden, wird der Ehrenkodex zum „Papiertiger“. Deswegen müssen klare Sanktionen das pädagogische Mittel der Disziplinierung sein, etwa im Sinne einer internen Rüge, einer öffentlichen Rüge, bestimmter Verbandsstrafen oder des Ausschlusses aus dem Verband. Auf der Verfahrensebene könnte ein Kontrollgremium tätig werden, etwa ein „Ehrenrat“, dem sachkundige Persönlichkeiten angehören und der deswegen auch den verzeihlichen vom nachhaltigen Verstoß unterscheiden kann.

Je nachhaltiger der Verband bereit ist, einen Ehrenkodex als authentisches „Gütesiegel“ durchzusetzen, umso mehr empfiehlt er sich als ernstzunehmender Partner in der öffentlichen Debatte.

Umsetzung des Ehrenkodex auf Unternehmensebene bedeutet: Jedes Unternehmen, das den Ehrenkodex unterzeichnet, muss die Regeln verinnerlichen. Große Unternehmen beschäftigen inzwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Master- und MBA-Programme in den Bereichen Ethik- und Nachhaltigkeitsmanagement absolviert haben.

Es mag Konzernen und großen Unternehmen vorbehalten sein, ein Ressort Unternehmensethik zu schaffen und personell entsprechend zu besetzen, aber auch kleinere und mittelständische Unternehmen können sich diese Thematik erschließen, indem sie eine Unternehmensphilosophie entwerfen. Im konkreten Fall geht es darum, die Umsetzung des Ehrenkodex im eigenen Unternehmen zu thematisieren, diese Aufgabe an geeignetes Führungspersonal zu delegieren und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Regelwerk zu sensibilisieren.

Die Wirkung des Ehrenkodex verpufft, wenn die Unternehmensführung keine Struktur für die Umsetzung schafft.

Dazu ein Beispiel:

Vertragspartner, die in den Aufbau, die Vermittlung und Pflege von Kundenbeziehungen eingebunden werden, sind nach dem Ehrenkodex schriftlich zu verpflichten, die Regeln zu beachten und etwaige Subunternehmer einzubinden.

Wer prüft, ob die im Unternehmen verwendeten Verträge (Arbeits-, Vertriebs- oder beispielsweise Kooperationsvertrag) eine entsprechende Klausel vorsehen? Wird Sorge dafür getragen, dass der Ehrenkodex auf diese Weise auch auf Dienstleister übertragen wird, die ihn nicht unterzeichnet haben?

Aus der Umsetzung eines Ehrenkodex im Unternehmen, aus der Beschäftigung mit dem Thema Unternehmensethik können sich Impulse ergeben, die die Identifikation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit ihrem Unternehmen stärken und das Profil des Unternehmens im Wettbewerb schärfen. Wer solchermaßen Unternehmensethik praktiziert, bewirkt Vertrauen und hat Wettbewerbsvorteile.

Ethisches Verhalten schafft Attraktivität, motiviert, ist messbar und wird profitabel. Moral und Markt müssen nicht im Widerstreit zueinander stehen.

Für ein Unternehmen lassen sich daraus langfristige Strategien entwickeln, die mit dem Ehrenkodex beginnen und über Modelle der Corporate Social Responsibility (CSR) fortentwickelt werden können.

Im Leitfaden der in Kaiserslautern ansässigen Consulting-Akademie Unternehmensethik heißt es:

„Künftige Führungskräfte werden Kompetenzen brauchen, die weit über die Instrumente der traditionellen Betriebswirtschaft hinausreichen. Sie werden die Stellung von Unternehmen (ethisch) reflektieren und geeignete Maßnahmen zur Umsetzung eines verantwortungsvollen Handelns initiieren müssen.“

Nutzungszinsen nach § 452 BGB – Haftungsrisiko für Notare bei der Gestaltung von Grundstückskaufverträgen*

I. Einführung

Nach § 452 BGB ist der Käufer verpflichtet, den Kaufpreis von dem Zeitpunkt an zu verzinsen, von welchem an die Nutzungen des gekauften Gegenstandes ihm gebühren, sofern nicht der Kaufpreis gestundet ist. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist angeblich gering. Dabei wird allerdings übersehen, daß aufgrund der bisherigen Rechtsprechung der Anwendungsbereich erheblich ausgeweitet wird. Soweit Entscheidungen zu § 452 BGB in der Vergangenheit eher selten waren, dürfte dies darauf zurückzuführen sein, daß die Vorschrift vielfach übersehen wird und nur deswegen ein Schattendasein führt. Dies verdeutlicht die Entscheidung des LG Heidelberg, deren Sachverhalt in wenigen Worten geschildert ist:

Die Kläger hatten an die Beklagten ein Hausgrundstück verkauft, wobei die Fälligkeit des Kaufpreises von bestimmten grundbuchrechtlichen Voraussetzungen abhängig war. Vor Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen konnten die Beklagten das Grundstück nutzen. Obwohl die Verzinsungspflicht nur für den Verzugsfall geregelt war, begehrten die Kläger Zahlung von Zinsen gem. § 452 BGB seit Übergang der Nutzung. Das LG Heidelberg hat den geltend gemachten Zinsanspruch mit dem Hinweis zurückgewiesen, § 452 BGB setze die Fälligkeit des Kaufpreisanspruches voraus.

II. Praktische Bedeutung des § 452 BGB für die Notarhaftung

Verzugsregelung und § 452 BGB

In der Praxis kann die Regelung zu einer tückischen Haftungsfalle für den Notar werden, der einen Grundstückskaufvertrag gestaltet, nämlich immer dann, wenn – wie nicht selten – Besitz, Nutzen und Lasten auf den Käufer übergehen, bevor der Kaufpreis fällig wird und die Parteien keine Regelung zur Verzinsung des Kaufpreises vorgesehen haben oder diese an den Eintritt des Verzugs geknüpft haben. Auf Seiten des Verkäufers stellt sich in derartigen Fällen die Frage nach dem Anspruch auf Verzinsung des Kaufpreises spätestens dann, wenn der Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen lange auf sich warten läßt, etwa weil eine Auflassungsvormerkung noch nicht im Grundbuch eingetragen oder eine Grundschuld noch nicht gelöscht ist und somit die vertraglich vorgesehenen Fälligkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

Mag der Zinsanspruch für den Zeitraum zwischen dem Übergang der Nutzungen und der Fälligkeit des Kaufpreises in der Vergangenheit wirtschaftlich unbedeutend gewesen sein, so hat sich diese Situation dadurch gewandelt, daß inzwischen mit erheblichen Bearbeitungszeiten bei den Grundbuchämtern zu rechnen ist – ein Umstand, der von den Parteien vielfach nicht hinreichend bedacht wird.

Besteht in der konkreten Situation der Zinsanspruch des Verkäufers nach § 452 BGB, so hat der Käufer unter Umständen erhebliche finanzielle Nachteile, mit denen er nicht gerechnet hat, weil ihm nicht bekannt war, daß der Übergang der Nutzungen vor Fälligkeit die Rechtsfolgen des § 452 BGB auslösen kann. Versagt umgekehrt der Zinsanspruch des Verkäufers, weil § 452 BGB unter den genannten Voraussetzungen keine Anwendung findet, so stellt sich für ihn die Frage nach einer etwaigen Lücke des Vertrages. Es wird dabei nicht übersehen, daß notarielle Kaufverträge – so auch im Ausgangsfall – in der Regel eine Verzinsungspflicht für den Verzugsfall enthalten. Da § 452 BGB eine dispositive Vorschrift ist, stellt sich die Frage, ob durch die Verwendung der üblichen Verzugszinsklausel nicht die Vorschrift des § 452 BGB abbedungen wird, so daß eine Vertragslücke nicht besteht. Das Schrifttum vertritt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH die Auffassung, daß die Vereinbarung von Verzugszinsen im Falle nicht fristgemäßer Zahlung die Anwendung de § 452 BGB ausschließt.

Es erscheint jedoch problematisch, ob der zitierten Entscheidung des BGH ein derartiger Grundsatz entnommen werden kann, denn der Ausschluß der Vorschrift des § 452 BGB war mit der speziellen Erwägung begründet worden, daß die Parteien für den Fall nicht rechtzeitiger Zahlung „Zinsen vom Datum des Wareneingangs eingefordert hatten“. Es leuchtet ein, daß die vereinbarte Vorverlagerung des Verzinsungsbeginns im Verzugsfall auf den Zeitpunkt des Wareneingangs der Anwendung des § 452 BGB keinen Raum läßt, weil damit die Frage der Verzinsung des Kaufpreises in der vom § 452 BGB berücksichtigten Phase eine spezielle Regelung erfahren hat. Ein weitergehender Schluß kann dieser Argumentation jedoch nicht entnommen werden. Daraus folgt, daß sich auch im Falle der Vereinbarung von Verzugszinsen durchaus die Frage der Anwendbarkeit des § 452 stellen kann. Auch im Ausgangsfall hatte das LG Heidelberg seine Entscheidung für die Zurückweisung des Zinsanspruchs keineswegs mit dem Argument begründet, daß die Anwendung des § 452 BGB wegen der eindeutigen Verzugszinsklausel im notariellen Kaufvertrag nicht in Betracht kommt.

Notarpflichten

Ist somit § 452 BGB trotz Verzugszinsklausel grundsätzlich anwendbar, entsteht Handlungsbedarf für den beurkundenden Notar, will er eine eventuell entstehende Haftungsproblematik ausschließen. Regreßansprüche gegen Notare basieren häufig auf einer Verletzung der Belehrungspflicht. Der Notar hat nicht lediglich die Funktion eines Urkundsbeamten ohne Belehrungspflicht, sondern nach der Rechtsprechung des BGH eine erweiterte Betreuungspflicht, welche die wirtschaftlichen Auswirkungen der beurkundeten Erklärung zu berücksichtigen hat. Bezogen auf die Problematik des § 452 BGB in der beschriebenen Fallkonstellation bedeutet dies, daß der Notar in der Regel verpflichtet ist, die Parteien darüber aufzuklären, daß der
Übergang der Nutzungsmöglichkeit vor Fälligkeit die Verzinsungspflicht auslöst, sofern § 452 BGB nicht die Fälligkeit der Kaufpreisforderung voraussetzt. Andernfalls hat eine Aufklärung darüber zu erfolgen, daß nach dem Gesetz ein Zinsanspruch nicht besteht und die Frage der Verzinsung über den Verzugsfall hinaus ggf. zu regeln ist. Daraus folgt, daß eine ausreichende Belehrung ohne zutreffende Vorstellungen von der Reichweite der Vorschrift nicht möglich ist.

III. Zinsanspruch nach § 452 BGB vor Fälligkeit der Kaufpreisforderung

Ob der Zinsanspruch nach § 452 BGB neben einem wirksamen Kaufvertrag, dem Übergang der Nutzungsmöglichkeit und dem Fehlen einer Stundungsabrede auch die Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs – obwohl vom Gesetz nicht erwähnt – voraussetzt, ist streitig. Folgt man der bisher bekannten Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte, so ist die Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs im Rahmen der Anwendung des § 452 BGB unerheblich, mit der Folge, daß im Ausgangsfall ein Zinsanspruch bestehen würde. Demgegenüber vertritt die Literatur nahezu einhellig die Auffassung, daß ein Zinsanspruch vor Fälligkeit nicht besteht. Das LG Heidelberg ist nunmehr dem im Schrifttum vertretenen Analogieschluß gefolgt. Wenn, so das LG Heidelberg, eine Pflicht zur Verzinsung entfällt, soweit der Kaufpreis gestundet ist (d. h. also eine Vereinbarung zur Fälligkeit vorliegt), so muß dies erst recht – argumentum a maiore ad minus – dann gelten, wenn der Kaufpreis noch nicht einmal fällig ist. Der BGH hat – soweit ersichtlich – zu dieser Frage bisher jedenfalls nicht ausdrücklich Stellung genommen. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1986 zur Problematik der Unvereinbarkeit einer Zinsklausel mit § 9 AGBG scheint jedoch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 452 BGB die Auffassung vertreten zu werden, daß ein Zinsanspruch ohne Fälligkeit der Forderung nicht denkbar ist, wenn ausgeführt wird, „daß Zinsen regelmäßig nur bei Verzug oder seit Rechtshängigkeit, allenfalls bei Fälligkeit der Forderung zu zahlen sind“.

Ratio legis

Der Bestimmung liegt nach häufig vertretener Ansicht der Gedanke zugrunde, daß der Käufer nicht gegen den Willen des Verkäufers Kaufgeld und Sache zugleich nutzen sollte. Ein derartiger allgemeiner Rechtsgedanke – demzufolge Fälligkeit und Einredefreiheit der Kaufpreisforderung völlig irrelevant wären – kann jedoch den Materialien zum BGB nicht entnommen werden, worauf Huber und Kanzleiter zutreffend hinweisen. Die Argumente für die im Gesetzgebungsverfahren umstrittene Vorschrift, die vor allem für „bedeutende Objekte“ Relevanz haben sollte, deuten darauf hin, daß die Fälligkeit der Kaufpreisforderung nur deswegen als Gesetzesvoraussetzung keine Aufnahme in die Vorschrift gefunden hat, weil sie selbstverständlich war.

Die Reichstagskommission hat die knappe Annahme der Regelung damit begründet, daß sie vor allem einen Wert habe, für die „Fälle längerer Zahlungssäumnis, in denen es schließlich zur Klage komme“. In den Motiven wird darauf hingewiesen, daß die gesetzliche Verpflichtung des Käufers zur Verzinsung des „fälligen“ Kaufpreises von der Übergabe der Sache an in den Quellen des gemeinen Rechts und in der sonstigen Gesetzgebung aus Billigkeitsgründen abgeleitet wird. Auch vor der Schaffung eines einheitlichen Privatrechts für ganz Deutschland bestand kein davon abweichendes allgemeines Rechtsprinzip, wie vom OLG Oldenburg vertreten. So erwähnte beispielsweise § 277 I, XI ALR die Verzinsungspflicht („Zögerungszins“) nur für den Fall, daß der Käufer die Zahlung bei Übergabe ohne Rechtsgrund nicht leistet.

Aus alledem folgt, daß ratio legis des § 452 BGB ist, dem säumigen Schuldner einer fälligen Forderung den Zinsanspruch bereits vor Mahnung oder Klageerhebung zuzugestehen.

Das argumentum e contrario der Rechtsprechung

Neben dem wohl unzutreffenden Hinweis auf die ratio legis hat das OLG Oldenburg und ihm folgend das OLG Hamm die eigenen Auffassung mit einer – soweit ersichtlich – von der Literatur bislang nicht behandelten Wortlautinterpretation gestützt, deren Logik auf den ersten Blick bestechend erscheint. Das OLG Oldenburg differenziert zwischen der Stundung als der „rechtsgeschäftlichen Übereinkunft“ zur Frage der Fälligkeit und den „übrigen Fällen“ der Fälligkeit und zieht aus der Tatsache, daß § 452 Halbs. 2 BGB nur den Fall der „rechtsgeschäftlichen Übereinkunft“ erwähnt, den logisch an sich richtigen Schluß, daß es im Übrigen keine Rolle spielen kann, „ob der Kaufpreis im Zeitpunkt des Nutzungsüberganges bereits fällig ist oder nicht“.

Der gedankliche Schluß von der Unterschiedlichkeit der gesetzlichen Voraussetzungen auf die Unterschiedlichkeit der Rechtsfolgen (argumentum e contratio) geht nach diesseits vertretener Auffassung jedoch deswegen fehl, weil die Unterschiedlichkeit der einander gegenübergestellten Voraussetzungen auf einer unzutreffenden Interpretation des Begriffes der „Stundung“ beruht. Das OLG Oldenburg versteht die Stundung offensichtlich als eine die Fälligkeit begründende rechtsgeschäftliche Übereinkunft und stellt dieser jene Fälligkeit gegenüber, die auf dem Gesetz (etwa § 271 BGB) beruht. Nach überwiegend vertretener Ansicht ist jedoch unter Stundung „das Hinausschieben der Fälligkeit einer Forderung bei Bestehenbleiben der Erfüllbarkeit“ zu verstehen. Nicht jede rechtsgeschäftliche Übereinkunft zur späteren Fälligkeit einer Forderung bei Vertragsschluß (oder später) läßt sich demnach als „Stundung“ bezeichnen, sondern nur eine solche, bei der die Parteien über eine – an sich schon bestehende – Fälligkeit disponieren. Ein derartiges Verständnis der Stundung dürfte auch der Ansicht des BGH entsprechen, der nicht jede Übereinkunft der Parteien bei Vertragsschluß über die spätere Fälligkeit unter dem Begriff der Stundung subsumiert.

Dies hat zur Konsequenz, daß § 452 Halbs. 2 BGB, nämlich die Stundung als Ausnahmezustand, eine an sich bestehende Fälligkeit voraussetzt, so daß das Argument des OLG Oldenburg ins Leere geht. Ratio legis von § 452 Halbs. 2 BGB dürfte somit sein, daß der Gesetzgeber für den Fall eine Verzinsungspflicht entfallen lassen wollte, daß bei – an sich bestehender Fälligkeit der Kaufpreisforderung – eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung über den Aufschub getroffen wird.

IV. Zusammenfassung

Der Zinsanspruch nach § 452 BGB setzt die Fälligkeit der Forderung voraus. Der beurkundende Notar sollte die Parteien im Falle des vertraglich vereinbarten Übergangs der Nutzungsmöglichkeit vor Fälligkeit des Kaufpreises darüber belehren, daß ein gesetzlicher Anspruch auf Nutzungszinsen vor Fälligkeit der Kaufpreisforderung nicht besteht. Im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte besteht Veranlassung, die Anwendung des § 452 BGB auszuschließen bzw. die Frage der Nutzungszinsen eindeutig zu regeln, und zwar selbst dann, wenn eine Regelung für den Verzugsfall getroffen wird.

Franz Dänekamp greift die zentralen Probleme der Verträge auf und weist darauf hin, daß eine unzureichende Vertragsgestaltung ganz erhebliche wirtschaftliche und juristische Konsequenzen haben kann.

Wer sich mit den in der Praxis verwendeten Verträgen für Außendienstmitarbeiter beschäftigt, dem fällt auf, daß der Vertragsgestaltung nur wenig Bedeutung beigemessen wird, obwohl es in aller Regel um so viel Geld geht, daß ein sorgloser Umgang mit den Problemen geradezu existentielle Bedeutung für den Unternehmer haben kann. Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung werden die Tatbestände sein, die insoweit von besonderer Brisanz sind und denen daher besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist.

1. Abgrenzung Arbeitsvertrag / Handelsvertretervertrag

Für erhebliche Verunsicherung hat ein Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 31.07.1996 (2 Ca 4546/95) zum Thema „Schein-Selbständigkeit“ gesorgt. Die Entscheidung ist publikumswirksam in den Medien („Versicherungsvertreter sind Arbeitnehmer“) veröffentlicht worden. Die Bedeutung des Urteils wird, gemessen an seiner juristischen Qualität, überschätzt. Seine Relevanz besteht vor allem darin, daß es der Branche gewisse Risiken ihrer Geschäftstätigkeit bewusst macht und in diesem Sinne als durchaus heilsamer Schock bezeichnet werden kann. Das Urteil stellt keine Trendwende in der Rechtsprechung dar, sondern wendet in einer Einzelfallentscheidung lediglich Abgrenzungskriterien an, die höchstrichterlich in unterschiedlichen Gerichtszweigen über Jahrzehnte entwickelt worden sind (BGH, VersR 1964, 331; BSozG, BB 1980, 1471; BSozG, BB 1974, 233; BfH, DB 1970, 862).

Das Handelsgesetzbuch umschreibt die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien im Rahmen einer Legaldefinition (§ 84 I 1 HGB). Handelsvertreter sind danach, wer als selbständiger Gewerbetreibender Geschäfte vermittelt oder abschließt und dabei im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Im Unterschied zum Arbeitnehmer, der persönlich und wirtschaftlich abhängig ist, muss der Handelsvertreter stets in den Stand versetzt werden, seine persönliche Unabhängigkeit im Verhältnis zum Unternehmer aufrechtzuerhalten. Dies setzt voraus, daß er sowohl fachlich als auch hinsichtlich Ort und Zeit der von ihm zu erbringenden Leistung grundsätzlich weisungsunabhängig vom Unternehmer ist (BAG, VersR 1966, 382; BB 1982, 1877).

Richtlinien sind zwar entsprechend den §§ 662, 665 BGB grundsätzlich zulässig, dürfen jedoch nicht in den Kerngehalt der Weisungsfreiheit des Handelsvertreters eingreifen. Insbesondere ist darauf zu achten, daß als Handelsvertreter nur bezeichnet werden kann, wer ein unternehmerisches Risiko trägt (BAG, Urteil vom 21.01.1966 – 3 AZR 183/65 – AP, § 92 HGB Nr. 2). Die Abgrenzungsproblematik wird in den vorerwähnten Musterverträgen in besonderer Weise berücksichtigt und kommentiert. Es wird ausdrücklich empfohlen, die rechtliche Stellung des Handelsvertreters zum Gegenstand einer ausführlichen Regelung im Vertrag zu machen. Der Begriff „Handelsvertreter/Arbeitnehmer“ ist Anknüpfungspunkt für eine Vielzahl rechtlicher Regelungen. Gerichte, Behörden und Interessenvertreter werden sich im Rahmen der Einzelfallprüfung zunächst mit der Frage beschäftigen, ob der zwischen den Parteien bestehende Vertrag als Handelsvertretervertrag oder als Arbeitsvertrag gestaltet ist. Wenn in einem solchen Fall ein schriftlicher Vertrag fehlt oder allenfalls – wie vielfach beobachtet – Personalfragebögen Verwendung finden, verbleibt nur die Prüfung der Frage, wie das Vertragsverhältnis praktisch gehandhabt wird; dies geht nicht selten mit einer für den Unternehmer risikoreichen und unangenehmen Prüfung von Betriebsinterna und Organisationsdetails einher. Bereits dies zeigt, daß der Vertragstext von entscheidender Bedeutung sein kann, mag dabei allerdings nicht übersehen werden, daß die praktische Abwicklung und Vertragshandhabung nicht – jedenfalls nicht gänzlich – im Widerspruch zum geschriebenen Text stehen darf (vgl. BAG, DB 1966, 546). Wer daher nur auf den Vertrag vertraut und den Handelsvertreter in der Praxis zum Arbeitnehmer macht, setzt sich der Gefahr unangenehmer Konsequenzen aus.

Die steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen, die sich daraus ergeben, daß der Unternehmer das Vertragsverhältnis zum Außendienstmitarbeiter fälschlicherweise als „Handelsvertretervertrag“ einordnet, sind äußerst brisant. Insbesondere die Finanzämter greifen im Rahmen von Lohnsteuer-Außenprüfungen die Abgrenzungsproblematik gerne auf. Nach § 42 d des Einkommensteuergesetzes haftet der „Unternehmer“ (Arbeitgeber) für alle Steuerverbindlichkeiten. Die sich daraus unter Umständen ergebenden Nachforderungen setzen die Finanzämter im Rahmen von Haftungsbescheiden fest, wobei die steuerpflichtigen Beträge für alle Handelsvertreter gegebenenfalls über Jahre zurückgerechnet werden. Die entsprechenden Steuerbescheide sind grundsätzlich sofort vollziehbar (vgl. § 361 I AO). Überdies prüft das Finanzamt die straf- und bußgeldrechtliche Relevanz des festgestellten Sachverhalts. Der angestellte Außendienstmitarbeiter (§ 84 II HGB) hat im Unterschied zum selbständigen Handelsvertreter Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und unterliegt dem Schutz des Arbeitsrechts. Letzteres hat vor allem zur Konsequenz, daß die Kündigungsschutzvorschriften unter Umständen Anwendung finden und im Falle einer Kündigung möglicherweise Kündigungsschutzklage erhoben wird, die in der Regel kostenaufwendige Vergleiche zufolge hat, will sich der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer endgültig trennen.

Die Betriebsprüfer der Krankenkassen überprüfen die renten-, kranken- und pflegeversicherungsrechtliche Relevanz des Vertragsverhältnisses. Gemäß §§ 28 e ff. Sozialgesetzbuch IV haftet der Arbeitgeber für nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge, wobei den Sozialversicherungsträgern umfassende Prüfungs- und Auskunftsrechte zustehen. Das Arbeitsamt prüft, ob die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt worden sind.

Es ist leicht nachvollziehbar, daß die steuer- oder sozialversicherungsrechtlich veranlaßten Haftungsbescheide existenzvernichtend sein können. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Unternehmer im Hinblick auf nachentrichtete Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge – wenn überhaupt – nur beschränkt Regreß gegenüber dem Handelsvertreter / Arbeitnehmer nehmen kann. Ein verschuldet unterbliebener Abzug der Sozialversicherungsbeiträge kann nur bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen nachgeholt werden (§ 28 g SGB IV). Die Durchsetzung von Rückzahlungsansprüchen wegen nicht einbehaltener Lohnsteuer dürfte nicht nur praktisch, sondern auch juristisch schwierig sein, weil sich die Frage stellt, ob sich der Unternehmer nicht schadensersatzpflichtig gemacht hat, weil das Vertragsverhältnis in vorwerfbarer Weise falsch eingeordnet worden ist. Im Ergebnis wird dem Unternehmer daher dringend geraten, seine bisherige Handhabung zu überprüfen und seine Verträge überarbeiten zu lassen.

2. Provisionen

Die Provisionsregelungen sind, neben der vorerwähnten Abgrenzungsproblematik, gewissermaßen das Kernstück des Regelungswerks, denn sie sind für beide Vertragsparteien von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung. Der Unternehmer, der bei der Gestaltung der Provisionsregelung seinen wirtschaftlichen Vorstellungen Rechnung tragen will, hat sich zu vergegenwärtigen, daß er mit einer Gesetzesmaterie konfrontiert ist, die restriktiv die Rechte des Handelsvertreters schützen.

Das deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) aus dem Jahre 1900 ist 1953 und 1990 novelliert worden und in beiden Fällen hatten die Gesetznovellen den Zweck, die Rechtsstellung des Handelsvertreters zu verbessern. Aus diesen Gründen sind zahlreiche Regelungen im Handelsvertreterrecht nicht dispositiv, d. h. entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam. Dies gilt ganz besonders für die Provisionsregelungen der §§ 87, 87 a, 87 c, 92 HGB. Der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters hat in § 92 HGB eine besondere Regelung erfahren, die nach Auffassung des Verfassers in der Tendenz einen etwas größeren Gestaltungsspielraum beläßt, mögen auch die Unterschiede nur von marginaler Bedeutung sein. Im Übrigen sind die auf die Provisionsregelung bezogenen Schwierigkeiten in der Versicherungs- und Zeitschriftenwerbung teilweise identisch, teilweise unterschiedlich.

a. Teilprovisionsanspruch / Stornohaftungsklauseln

Gesetzlich zwingend hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision, wenn und soweit der Dritte das Geschäft ausgeführt hat, also etwa der Zeitschriftenabonnent gezahlt hat (§ 87 a I 3 HGB). Der Versicherungsvertreter hat Anspruch auf Provision, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet (§ 92 IV HGB). In der Versicherungswerbung wird in der Regel der Teilprovisionsanspruch korrekt gehandhabt.

Demgegenüber verwendet die Zeitschriftenbranche Stornohaftungsklauseln und schließt den Anspruch des Handelsvertreters grundsätzlich dann aus, wenn der Vertrag innerhalb einer bestimmten Stornohaftungszeit scheitert. Dies ist insoweit unzulässig, als definitiv Teilprovisionen für den Fall zu bezahlen sind, daß der Zeitschriftenbezieher den Vertrag teilweise erfüllt hat. Seit der vorerwähnten Gesetzesnovellierung im Jahre 1990 kann der Teilprovisionsanspruch im Vertrag nicht mehr ausgeschlossen werden („Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter“; Ankele, DB 1989, 2111 ff.).

b. Stornosicherheitsklauseln / Kautionskonten

Wegen des nachvollziehbar dringenden Erfordernisses in der Branche werden Stornosicherheitsklauseln vereinbart, und zwar des Inhalts, daß ein bestimmter Prozentsatz der Provision als Stornoreserve einbehalten wird. Die Bildung der Stornoreserve verstößt nach Auffassung des Verfassers gegen die nicht dispositiven Vorschriften der §§ 87 a I 3, 87 a IV HGB. Sie bezieht sich nämlich auf Provisionen, die definitiv entstanden und definitiv fällig sind, mithin ausgezahlt werden müssen. In der Versicherungswerbung mag wegen des Wortlauts des § 92 HGB die Stornoreserve eher zu rechtfertigen sein, als in der Zeitschriftenwerbung.

Grundsätzlich unzulässig ist es, die Auszahlung eines Kautionskontos – wie vielfach vorgesehen – über das Vertragsende hinaus vor Ablauf von zwei oder drei Jahren auszuschließen; derartige Klauseln verstoßen gegen § 9 AGBG (vgl. OLG Düsseldorf, BB 1990, 1086).

c. Einmalprovision / Ausgleichsanspruch

Gemäß § 89 b HGB hat der Handelsvertreter im Falle der Beendigung des Vertragsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen den sogenannten Ausgleichsanspruch, der bis zu einer Jahresprovision (Warenvertreter) bzw. drei Jahresprovisionen (Versicherungsvertreter) umfassen kann. Voraussetzung ist jedoch, daß der Unternehmer noch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses aus der Tätigkeit des Handelsvertreters erhebliche Vorteile zieht und dieser infolge der Beendigung des Vertrages Provisionen verliert.

Die Sorge, im Falle der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses Ausgleichsansprüchen ausgesetzt zu sein, ist dann grundlos, wenn die sogenannte Einmalprovision gezahlt wird, weil der Handelsvertreter in diesem Fall keine Provision verliert, wenn der Vertrag endet. Umgekehrt stellt sich die Frage des Ausgleichsanspruchs immer dann, wenn die Provisionsregelung die Zahlung mehrerer Provisionen vorsieht oder – bezogen auf den Warenvertreter – Folgeprovisionsansprüche nicht ausschließt und demgemäß mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses Provisionsansprüche entfallen. Deshalb ist jede Provisionsregelung unter Berücksichtigung auf ihrer auf den Ausgleichsanspruch bezogenen Wechselwirkung zu prüfen und zu gestalten.

d. Leistungsstörungen im mehrstufigen Handelsvertreter-Vertragsverhältnis

Der Mustervertrag bezieht sich auf die Untervertreter, die im mehrstufigen Vertragsverhältnis für die sogenannten Generalagenturen tätig werden. Im mehrstufigen Handelsvertreter-Vertragsverhältnis ist der Fall denkbar, daß zwar keine Leistungsstörungen im Verhältnis zwischen der Versicherungsgesellschaft und dem Versicherungsnehmer auftreten, vielmehr Leistungsstörungen ausschließlich im Verhältnis zwischen der Versicherungsgesellschaft und der Generalagentur festzustellen sind, etwa Provisionen nicht gezahlt werden.

In all diesen Fällen ist streitig, unter welchen Voraussetzungen davon ausgegangen werden kann, daß die Nichtleistung des Dritten, sei es des Versicherungsnehmers, sei es der Versicherungsgesellschaft, feststeht. Grundsätzlich dürfte die Versicherungsgesellschaft oder die Generalagentur verpflichtet sein, ihre Rechte einzuklagen, da anderenfalls keine die Provisionspflicht ausschließende Nichtleistung des Dritte vorliegt (Hopt, HGB-Kommentar, § 87 a, Rn. 15). Nur dann, wenn ein gerichtliches Vorgehen unzumutbar ist, kann auf die Klage verzichtet werden. Bei der Lebensversicherung soll das Einklagen der ersten Prämie in der Regel nicht zumutbar sein (BAG, NJW 1968, 518; OLG Frankfurt, VersR 1981, 480; anders in der Sachversicherung: OLG Frankfurt, VersR 1986, 462).

e. Buchauszug

Zur Überprüfung seiner Provisionsansprüche hat der Handelsvertreter gemäß § 87 c II HGB Anspruch auf einen Buchauszug, der alles enthalten muss, was die Bücher des Unternehmers über die fraglichen Geschäfte ausweisen und für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann (BGH, NJW 1981, 457). Der Anspruch auf den Buchauszug kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden (§ 87 c V HGB) und besteht auch dann, wenn der Handelsvertreter die Abrechnung über viele Jahre widerspruchslos hingenommen hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann aus dem insoweit untätigen Verhalten des Handelsvertreters kein Einverständnis mit den Provisionsabrechnungen geschlossen werden. Für eine Einigung über die Abrechnung ist vielmehr eine eindeutige Willenserklärung des Handelsvertreters erforderlich (BGH, Urteil vom 28.11.1963 – VII ZR 90/62, nicht veröffentlicht).

Der Anspruch besteht allerdings nicht mehr, wenn sich die Parteien über die Abrechnung der Provisionen geeinigt haben (BGH, Urteil vom 13.03.1961 – VII ZR 35/60; BGH, Urteil vom 28.11.1995 – VIII ZR 293/94). Deshalb wird empfohlen, vom Handelsvertreter ein sogenanntes „Saldoanerkenntnis“ zeichnen zu lassen, mit dem die Vollständigkeit und Richtigkeit der Abrechnung bestätigt wird.

Schlußbemerkung:

Die Verwendung eines Formularvertrags, mag er noch so sorgfältig abgefaßt sein, ersetzt nicht die Beratung im Einzelfall. Stets ist das Zusammenspiel zwischen dem zu vermittelten Vertrag und dem Handelsvertretervertrag zu prüfen, damit nicht nur juristisch korrekte, sondern auch wirtschaftlich angemessene Ergebnisse erzielt werden. Abweichungen vom Mustervertrag sind nur dann zulässig, wenn insbesondere das HGB oder das AGBG einen Gestaltungsspielraum zuläßt.

Autor: Franz Dänekamp, veröffentlicht in „der neue vertrieb 4/97, S. 30 ff.“

Franz Dänekamp stellt ein aktuelles Urteil vor und kommentiert es.

Urteile von Arbeitsgerichten und der „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit“ haben für erhebliche Verunsicherung sowohl in der Versicherungsbranche als auch im werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel geführt. Wer die Selbständigkeit von Handelsvertretern grundsätzlich in Frage stellt, greift erheblich in die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers für eine bestimmte Vertriebsform (angestellte oder selbständige Absatzmittler) ein. Angesichts der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen dieses Eingriffs sind die Reaktionen der Verbände und Unternehmen durchaus verständlich.

Urteil des Landesarbeitsgericht Nürnberg (Az.: Sa 670/97 – 12 Ca 4696/96)

Mit Urteil vom 17.12.1997 hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg den Arbeitnehmerstatus eines Versicherungsvertreters (Handelsvertreters) festgestellt. Es hat dabei inhaltlich Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe in einem vorinstanzlichen Parallelverfahren (Arbeitsgericht Nürnberg 2 Ca 4546/95), das bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Nürnberg ist seinerzeit publikumswirksam in den Medien („Versicherungsvertreter sind Arbeitnehmer“) veröffentlicht worden. In anderen Zusammenhängen wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Bedeutung der vorgenannten arbeitsgerichtlichen Entscheidung vielfach überschätzt wurde. Diese Einschätzung hat sich nicht geändert.

Auch nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg gilt, dass die Rechtsprechung keine Trendwende vorgenommen hat, sondern in einer Einzelfallentscheidung Abgrenzungskriterien anwendet, die höchstrichterlich in unterschiedlichen Gerichtszweigen über Jahrzehnte entwickelt worden sind (BGH, VersR 1964, 331; BSozG, BB 1980, 1471; BSozG, BB 1974, 233; BFH, DB 1970, 862).

a) Urteilstatbestand / Ausgangsfall

Im konkreten Fall war die Klägerin aufgrund eines schriftlichen Vertrages als Versicherungsvermittlerin für die Beklagte im Außendienst tätig. Die von der Beklagten vorformulierten allgemeinen Vertragsbedingungen waren unter anderem bis ins Detail reichende Weisungen („Arbeitsauftrag“) vor; der Klägerin war es – über das gesetzlich vorgesehene Konkurrenzverbot hinaus – generell auch versagt, versicherungsfremde Geschäfte zu vermitteln. In tatsächlicher Hinsicht war die Tätigkeit der Klägerin dadurch gekennzeichnet, dass von der Beklagten zur Verfügung gestelltes Adressmaterial im Rahmen der Vermittlungstätigkeit „abgearbeitet“ wurde, wobei sie sich der Telefonanlage und der örtlichen Büroorganisation der Beklagten bedienen konnte. Die Tätigkeit wurde ohne eigenes Personal und ohne eigenen Kapitaleinsatz ausgeführt. Auf die Auswahl der zu vermittelnden Versicherungsprodukte bestand seitens der Klägerin kein Einfluss. Gemäß dem Angebot der Beklagten hat die Klägerin an einer berufsbegleitenden Fortbildung (Versicherungsfachmann/Versicherungsfachfrau) teilgenommen.

b) Entscheidungsgründe / rechtliche Würdigung

Zutreffend erläutert das Arbeitsgericht zunächst die Kriterien, die vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung zum Arbeitnehmerbegriff judiziert werden, verweist auf die Legaldefinition in § 84 HGB und führt Folgendes aus:

„Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter unterscheiden sich durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung verpflichtete befindet. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist weder erforderlich noch ausreichend. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 I 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist.“

Vor diesem Hintergrund stellt das Arbeitsgericht – und ihm folgend das Landesarbeitsgericht Nürnberg – zunächst fest, daß die Klägerin in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit frei war und die vertraglich fixierten Weisungen insoweit nicht zu beanstanden sind, als komplizierte Produkte – wie etwa eine Lebensversicherung oder Krankenversicherung – fachliche Direktiven erfordern. Die Klägerin sei auch nicht in die Organisation der Beklagten eingebunden, da sie ungeachtet der ihr angebotenen Hilfsmittel nicht von der technischen Organisation der Beklagten abhängig sei.

Ungeachtet dieser Feststellungen wird das Vertragsverhältnis gleichwohl als Arbeitsvertrag qualifiziert, und zwar mit folgenden Erwägungen:

Ein Aspekt sei unter anderem, daß der Klägerin die Qualifizierung zur Versicherungsfachfrau nahegelegt worden sei und diese Qualifizierung auch finanziell unterstützt werde; dies sei ein typisches Phänomen der Arbeitswelt.

In der folgenden Argumentation wird sodann – und dies ist der eindeutige Schwerpunkt des Urteils – darauf abgestellt, dass die Klägerin ausschließlich ein unternehmerisches Risiko trage, dem als Äquivalent keine unternehmerische Freiheit gegenüberstehe. Da sie nicht in einem eigenen Unternehmen arbeite, erschöpfe sich die unternehmerische Freiheit darin, das zur Verfügung gestellte Adressmaterial aufzuarbeiten oder dies nicht zu tun. Insbesondere wird auf die fehlende Möglichkeit hingewiesen, mit eigenen Kapitalmitteln eine eigene Betriebsstätte zu errichten und weitere Mitarbeiter zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die allgemeinen Vertragsbestimmungen der Beklagten hingewiesen, insbesondere auf das erweiterte Verbot einer „Konkurrenztätigkeit“.

c) Kritische Würdigung

Die Entscheidung unterstreicht zunächst zutreffend, daß bei der rechtlichen Qualifizierung eines Vertragsverhältnisses nicht nur auf den Vertragstext, sondern darüber hinaus auch auf die tatsächlichen Umstände abzustellen ist (vgl. etwa BAG, DB 1966, 546). Soweit in diesem Zusammenhang allerdings auf das schriftlich fixierte Verbot der Konkurrenztätigkeit hingewiesen wird, das dem Arbeitsrecht entspreche, ist die Argumentation unzutreffend. Es wird verkannt, dass ein Wettbewerbsverbot für den Handelsvertreter ohne besondere Vereinbarung bereits aus § 86 I Halbs. 2 HGB folgt (vgl. Hopt, Handelsvertreterrecht, München 1992, § 86 Rdnr. 26). Insoweit ist also ein Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbot für den Handelsvertretervertrag geradezu typisch.

Für die Beklagte außerordentlich problematisch ist allerdings das vertraglich vorgesehene Verbot anderer Vermittlungstätigkeiten. Damit ist der Beklagten im Rahmen der Vertragsgestaltung ein klassischer Fauxpas unterlaufen, denn in der Tat wird die Klägerin in die Nähe einer abhängig Beschäftigten gerückt, wenn die Beklagte eine derart ausschließliche Anbindung in den Vertrag aufnimmt. Hier zeigt sich, dass die Gestaltung der Vertragsklauseln kein unnötiger Formalismus ist, weil sie in derartigen Fallgestaltungen Anknüpfungspunkt einer für den Unternehmer ungünstigen Argumentation sein kann. Dies ist in den vom Verfasser erarbeiteten Musterverträgen für Handelsvertreter in der Versicherungswerbung und im werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel berücksichtigt und kommentiert worden.

Schwerpunkt der Argumentation ist – wie bereits erwähnt – die fehlende unternehmerische Freiheit, die im konkreten Fall mit durchaus nachvollziehbaren Erwägungen betrieben wird. Wenn die Entscheidung gleichwohl nicht zu überzeugen vermag, so deswegen, weil die nach der Rechtsprechung gebotene Abwägung der Entscheidungskriterien unterblieben ist. Sowenig die persönliche Freiheit des Handelsvertreters i. S. d. § 84 I 2 HGB einziges Differenzierungskriterium sein kann, sowenig kann die fehlende unternehmerische Freiheit im engeren Sinne als alleinige Beurteilungsgrundlage herangezogen werden. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung stets das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung (BVerfG, NJW 1978, 365; BAG, VersR 1966, 382; BGH BB 1982, 1877, NJW 1982, 1758).

In den Entscheidungsbegründungen wird weder die persönliche Freiheit der Klägerin bezweifelt, noch die fehlende Einbindung in die technische Organisation der Beklagten oder die grundsätzliche Unhabhängigkeit von Weisungen, Kriterien also, die regelmäßig den Arbeitnehmerstatus entfallen lassen. Warum ausgerechnet das Kriterium der unternehmerischen Freiheit im Verhältnis dazu von derart ausschlaggebender Bedeutung sein soll, ist umso weniger verständlich, als diese einseitige Gewichtung sowohl der Rechtswirklichkeit als auch der Gesetzessystematik widerspricht.

Das Erscheinungsbild des Handelsvertreters ist in der Praxis außerordentlich vielgestaltig und reicht vom großen Vertriebsunternehmer mit Marktmacht über den wirtschaftlich abhängigen Handelsvertreter im Nebenberuf (§ 92 b HGB) bis zum Einfirmenvertreter mit arbeitnehmerähnlicher Stellung (§ 92 a HGB). Nach dem Verständnis des Arbeitsgerichts bzw. Landesarbeitsgerichts setzt unternehmerische Freiheit die Möglichkeit voraus, „unter Einsatz eigenen Kapitals eine Eigenorganisation mit eigenen Mitarbeitern aufzubauen, mithin ein eigenes Unternehmen, und damit eine unternehmerische Chance am Markt wahrzunehmen.“

Insoweit wird jedoch contra legem judiziert, weil auch der Handelsvertreter im Nebenberuf und der Einfirmenvertreter über eine derartige unternehmerische Freiheit nicht verfügen und gleichwohl das Gesetz den Status dieser Vertragspartner als Handelsvertreter nicht bezweifelt, vielmehr ausdrücklich voraussetzt.

Ausblick:

In seiner Entscheidung vom 17.12.1997 hat das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen. Es bleibt zu hoffen, daß die Entscheidungen der Vorinstanzen korrigiert werden. Es ist nicht Aufgabe der Judikative, vermeintlich schutzbedürftige Vertragspartner contra legem dem gesamten Schutz des Arbeitsrechts zu unterstellen. Mit dieser Kritik sollen die Verdienste der Arbeitsgerichtsbarkeit für einen sachgerechten Sozialausgleich in unserer Wirtschaftsordnung keineswegs in Frage gestellt werden. Wer sich jedoch vergegenwärtigt, daß etwa 50 % der Handelsvertreter Einfirmenvertreter sind, die in der Regel keine Untervertreter beschäftigen, dem werden die wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Entscheidung bewußt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Urteile über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben sollten. Eine extensive Interpretation des Begriffs „Scheinselbständigkeit“ greift in funktionierende Vertriebssysteme ein, so daß im Ergebnis ein gesamtwirtschaftlicher Flurschaden angerichtet wird, der alle Unternehmen und Handelsvertreter gleichermaßen betrifft. Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Nürnberg sind wegen der individuellen Besonderheiten des Ausgangsfalles nicht stets auf andere Handelsvertreterverträge übertragbar. Sie sind insoweit problematisch, als sie Ausdruck einer Tendenz sind, die in dem Bemühen verschiedener Gesetzesinitiativen gipfelt, mit Hilfe des Begriffs der Scheinselbständigkeit in die Vertragsautonomie einzugreifen. Das deutsche HGB aus dem Jahre 1900 ist mehrfach novelliert worden. Stets hatten die Gesetzesnovellen den Zweck, die Rechtsstellung des Handelsvertreters zu verbessern. Es gewährleistet einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen den Vertragspartnern. Einer Korrektur bedarf es nicht, schon gar nicht der Korrektur durch die Arbeitsgerichte.

Autor: Franz Dänekamp, veröffentlicht in „der neue vertrieb 5/98, S. 59 ff.“

Oder: Wenn die Wohltaten des Staates zur Pflege werden

Von den Gewerkschaften vielfach gelobt, soll es die „Flucht aus der Sozialversicherung“ stoppen (Finanztest 3/99), eine Antwort auf die „verschärfte Wettbewerbs- und Arbeitsmarktsituation“ (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/45) sein, den „Weg für die Beseitigung des Normalarbeitsverhältnisses“ verstellen (betrieb/gewerkschaften 1/99).

Was für die einen eine längst überfällige Korrektur bedeutet, charakterisieren andere – je nach politischer Couleur oder Verbandszugehörigkeit – als „Gesetz der industriellen Frühzeit“ (Die Welt, 17.03.1999).

Die Rede ist vom „Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte“ vom 18.12.1998, das die Einbeziehung von „Scheinselbstständigen“ in die Sozialversicherung erleichtern soll.

Die wichtigste Bestimmung dieser Neuregelung bildet der § 7 Abs. 4 SGB IV.

Danach wird zur Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft fortan geprüft, ob der „freie Mitarbeiter“

1. keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt

2. regelmäßig nur für einen Auftraggeber arbeitet

3. für Beschäftigte typische Arbeitsleistungen erbringt

4. nicht aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftritt.

Erfüllt der „freie Mitarbeiter“ mindestens zwei dieser vier Kriterien, wird vermutet, dass er Arbeitnehmer und somit sozialversicherungspflichtig ist und zwar mit gravierenden rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen, die noch aufzuzeigen sein werden.

Das Korrekturgesetz, ein Beschäftigungsprogramm für Anwälte?

Nicht ganz zu Unrecht wird die gesetzgeberische Maßnahme als „Beschäftigungsprogramm für Anwälte“ beschrieben. Die Juristen prüfen Verträge, entwerfen Fragebögen und denken über Schlupflöcher nach (Wirtschaftswoche Nr. 12/18.03.1999).

Der Verfasser ist mit Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet und aus nahezu allen Branchen konfrontiert, die belegen, dass eine erhebliche Verunsicherung eingetreten ist, die nachhaltigen Einfluss auf die Investitionsbereitschaft hat und daher alle nachdenklich stimmen sollte, die sich um einen sachgerechten Ausgleich unterschiedlicher Standpunkte und um eine funktionierende Wirtschafts- und Sozialordnung bemühen, und zwar im Interesse aller Beteiligten.

Die Furcht von Unternehmern, kaum überschaubaren finanziellen Risiken ausgesetzt zu sein, ist nicht unbegründet. Eben deswegen ist jedoch hektische Betriebsamkeit ebenso wenig ratsam, wie ein allzu sorgloser Umgang mit der Neuregelung. Die bisherigen Erfahrungen lassen vermuten, dass die zuständigen Sozialversicherungsträger mit einer lückenlosen Erfassung sog. Scheinselbstständiger beginnen.

So verständlich der Wunsch nach einfachen Lösungsmodellen sein mag, eine passe-partout-Variante gibt es nicht. Dennoch ist es möglich, Verhaltensmuster und individuelle vertragliche Lösungen zu entwickeln, die eine gesetzeskonforme und verlässliche Grundlage für Unternehmen und ihre Vertragspartner sind.

Zu empfehlen ist in jedem Fall:

  • problembehaftete Vertragsverhältnisse und ihre faktische Ausgestaltung zu überprüfen und gegebenenfalls der veränderten Situation anzupassen;
  • Bescheide der Sozialversicherungsträger wegen der zu erwartenden Fehlerhäufigkeit anzugreifen. Dabei sollte nicht ausschließlich formaljuristisch argumentiert werden; vielmehr sind die jeweiligen Verfahren zu nutzen, um den Entscheidungsträgern deutlich zu machen, daß die Regelung nicht praktikabel ist.

Richtig akzentuiertes präventives Verhalten setzt jedoch ein gewisses Verständnis für die rechtlichen und politischen Gesamtzusammenhänge voraus. Ohne dieses Verständnis ist eine richtige Reaktion im „Ernstfall“ kaum möglich.

Die Regelungswut des deutschen Gesetzgebers

Von Montesquieu stammt der Satz: „Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es nötig, kein Gesetz zu machen“ (De l’Esprit des Loix). Diese Weisheit des französischen Rechts- und Staatsphilosophen hat nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt, und sie gilt allemal für die Regelungswut des deutschen Gesetzgebers.

Fragwürdige „Scheinarbeitsverhältnisse“ gibt es seit langer Zeit. Wer vertragliche Konstruktionen so wählt, dass der Vertragspartner in den Betrieb eingeordnet wird und weisungsabhängig ist, beschäftigt Arbeitnehmer. Wer in diesem Fall die Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen nicht zahlt, umgeht in unzulässiger Weise die Schutzfunktion des Arbeits- und Sozialrechts. Die bisherigen Regelungen boten stets ein geeignetes Instrumentarium, einen derartigen Missbrauch zu unterbinden, etwa durch die Meldung an die Sozialversicherungsträger oder durch die Statusklage zum Arbeitsgericht. Sie wurden allerdings nicht in gebotener Weise genutzt. Schon insoweit ist das Bedürfnis nach einer Neuregelung zumindest zweifelhaft.

Das Korrekturgesetz hat die Wirkung einer Lawine

Es gibt zentrale Begriffe im Recht, die in ihrer Wirkungsweise an das „Window-Prinzip“ des Software-Herstellers Microsoft erinnern: Werden sie auf der Benutzeroberfläche „angeklickt“, so öffnen sich zahlreiche Unterfunktionen. So verhält es sich mit den Begriffen „Arbeitnehmer“ oder „Selbstständiger“ (Scheinselbstständiger). Diese Begriffe sind Schaltstellen, die den Zugang zum gesamten Sozialversicherungsrecht ermöglichen, also einem gesetzlichen Programm, das grundlegende Gesundheits- und Lebensrisiken absichern will (Unfall, Alter, Arbeitslosigkeit, Invalidität oder Tod eines Unterhaltspflichtigen). Darüber hinaus öffnet der Begriff das Tor für das gesamte Arbeitnehmerschutzrecht (Kündigungsschutzgesetz, Tarifvertragsgesetz, Arbeitszeitgesetz, Entgeltfortzahlungsgesetz usw.)

Auf diese Weise ist ein Sicherungssystem geschaffen worden, das Ergebnis einer mehr als 100-jährigen Entwicklung ist. Es ist das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, ein sorgfältig austarierter Regulationsmechanismus nach dem Prinzip: soviel Freiheit wie möglich, soviel Schutz wie nötig.

Wer – wie im Ergebnis geschehen – durch Vereinfachung des Arbeitnehmerbegriffs, durch seine statische Festlegung, das Zugangstor erweitert, löst eine Lawine aus. Er bezieht Vertragsverhältnisse oder Personenkreise ein, die des Schutzes häufig nicht bedürfen oder aus legitimen Gründen auf diesen Schutz bewusst verzichten wollen. Dabei gerät das System in eine gefährliche Schieflage, denn es sollte den Kreis der Berechtigten nicht unnötig erweitern, vielmehr nur dort greifen, wo der Schutz notwendig ist. Dem Patienten, das marode Sozialversicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland, wird ein Medikament verabreicht, das den Kranken kurzfristig belebt, weil es die Kassen klingeln lässt. Freilich ist das Medikament nicht mit einem Beipackzettel versehen. Mit den Risiken und Nebenwirkungen beschäftigen sich die Anwälte.

Exakt dies ist die Crux:

Vermutlich hat der von ehrenwerten Motiven geleitete Gesetzgeber die vielfältigen Auswirkungen eines mit „heißer Nadel“ gestrickten Gesetzes nicht gesehen.

Entsprechend heftig ist die Kritik von Verbänden, Interessengruppierungen und Unternehmern, die durch folgende – exemplarisch vorgetragene Sachverhalte – nachvollziehbar werden:

1. Ein mittelständisches Unternehmen aus der (problembehafteten) Frachtbranche beschäftigt laufend etwa 60 Spediteure, davon zur Hälfte Familienunternehmen, die ein beachtliches Einkommen erzielen, jedoch dem o. g. Kriterienkatalog des § 7 Abs. 4 SGB IV unterfallen. Aus der Neuregelung zieht der Unternehmer eine – aus seiner Sicht nachvollziehbare – Konsequenz: Er kündigt die Verträge und konzentriert die zu vergebenden Aufträge auf größere Unternehmen. Die Folge ist der Verlust der Existenzgrundlage zahlreicher Familien. Das Gesetz wirkt damit kontraproduktiv, indem es nämlich negative Auswirkungen für den vermeintlich „Schwächeren“ hat, dessen Schutz es eigentlich bezwecken soll.

2. Ein Unternehmer der Computerbranche erhält ständig von einem namhaften deutschen Konzern High-Tech-Aufträge, zu deren Bewältigung er hochspezialisierte Ingenieure, Physiker und Informatiker als Subunternehmer einsetzt. Die Auftragslage ist derart exzellent, ein Beleg für die Güte der Arbeit, dass die vorgenannten Subunternehmer ausschließlich für einen Auftraggeber tätig werden und vor allem damit dem Kriterienkatalog unterfallen, obwohl sie – verteilt im ganzen Bundesgebiet – eigene Betriebsstätten unterhalten und nicht das geringste Interesse daran haben, in einen Betrieb eingegliedert zu werden.

3. Vom Gesetz betroffen sind vor allem auch freie Journalisten, die sich häufig nicht den Weisungen eines „Arbeitgebers“ unterwerfen wollen und frei entscheiden möchten, welchen Medien sie ihre Beiträge anbieten. In einem Protestbrief an den Bundeskanzler kritisieren Zeitungs- und Zeitschriftenverleger die Gefahr der „Reduzierung des redaktionellen Angebots“ und die drohende „Verarmung der Presselandschaft“. Unterzeichner sind unter anderem der Präsident des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger, Wilhelm Sandmann, der Präsident des Zeitschriftenverlegerverbandes, Hubert Burda sowie weitere namhafte Verleger, darunter Rudolf Augstein, Heinz Bauer, August Fischer, Dieter von Holtzbrinck und Gerd Schulte-Hillen (Die Welt, 18.03.1999). Deren Kritik ist um so verständlicher, wenn man berücksichtigt, dass Journalisten vom Künstlersozialversicherungsgesetz erfasst werden, für die soziale Absicherung der Journalisten außerhalb des sonstigen Sozialversicherungssystems also bereits Sorge getragen wurde.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Nun ist es an sich kein ungewöhnlicher Vorgang, dass mächtige Interessenverbände – von welcher Seite auch immer – kollektive Betroffenheit artikulieren, wann immer Veränderungen vorgenommen werden, die die jeweiligen materiellen Interessen berühren. Dies mag Grund dafür sein, dass eine befriedigende Resonanz der Bundesregierung auf kritische Stimmen kaum auszumachen ist, wenngleich über gewisse Änderungen des Gesetzes bereits diskutiert wird (Frankfurter Rundschau, 17.03.1999).

Die Kritik aus sehr unterschiedlichen Branchen und von sehr unterschiedlichen Verbänden macht jedoch eine Besonderheit deutlich, die nachdenklich stimmen muss. Die Vielzahl kritischer Stimmen belegen wie die exemplarisch vorgetragenen Sachverhalte, dass hier offensichtlich ein Gesetz erarbeitet worden ist, das einer veränderten Lebenswirklichkeit nicht mehr entspricht. Das hier diskutierte Korrekturgesetz knüpft an einen überholten Begriff des „Arbeitnehmers“ oder des „Selbständigen“ an. Nicht nur in diesem Zusammenhang wird in der juristischen Literatur die „Überalterung des arbeitsrechtlichen Systems“ kritisiert (Heinze, Neue Zeitschrift für Arbeit und Sozialrecht 1997, 1). Bei allem Respekt vor den unzweifelhaften Verdiensten deutscher Obergerichte bei der Gestaltung der Rechtsordnung: Auf manche Herausforderung reagiert die Rechtsprechung so schwerfällig wie die Titanic vor dem Eisberg. Die Folgen sind bekannt. Mit Hümmerich lässt sich daher zutreffender formulieren: „Es gibt Zeiten, in denen die Gedankengebäude der Rechtswissenschaft zusammenbrechen, weil sie sich von dem Phänomen der realen Welt entfernt haben und der Wirklichkeit keinen ausreichenden Platz mehr bieten“ (Hümmerich, Neue Juristische Wochenschrift 1998, 2625 ff).

In der Tat ist der heutige Arbeitnehmerbegriff mit der Entstehung der Bismarck’schen Sozialgesetze verbunden, entstand somit zu Beginn der Industrialisierung vor über 100 Jahren. „Leitfigur war der (Fabrik)Arbeiter, der, in erbärmlichen Verhältnissen lebend, einen ganzen Tag lang unter harten Arbeitsbedingungen zu einem geringen Arbeitslohn schuftete“ (vgl. Hümmerich, Neue Juristische Wochenschrift 1998, a. a. O.).

1. Zu Recht ist in der juristischen Literatur darauf hingewiesen worden, dass menschliche Arbeit nicht selten nur betriebswirtschaftlich beurteilt wird, nämlich als ein Kostenfaktor bei der Gewinnerzielung. Vor diesem Hintergrund entscheiden Banken über Kreditvergaben im Rahmen von Investitionen, analysieren die Kosten, „ähnlich wie die Börse, ähnlich wie die Aktionäre“ (vgl. Hümmerich, Neue Juristische Wochenschrift 1998, a. a. O.). Man mag das Diktat von Preisen, Wettbewerb- und Marktchancen beklagen. Es ist und bleibt jedoch eine Realität, die zur Kenntnis genommen werden muss.

Allerdings bedeutet das Akzeptieren dieser Realität nicht notwendigerweise eine Abkehr vom Sozialstaatsprinzip. Wer in dieser Diskussion ernst genommen werden will, wird dieses fundamentale Verfassungsprinzip und die mit dem sozialen Sicherungssystem verbundenen historischen Leistungen nicht in Frage stellen. Eine dauerhaft stabile Wirtschaft ist ohne ausgeglichene Wirtschafts- und Sozialordnung nicht denkbar. Allerdings verlangen veränderte Bedingungen unter Umständen fundamental neue Strukturen.

2. Die Vermutung, dass Unternehmen herkömmliche Arbeitnehmer ausschließlich in den Status des Selbstständigen / Scheinselbstständigen „drängen“, um die Schutzfunktionen des Sozial- und Arbeitsrechts zu umgehen, verkennt, dass neue Bedürfnisse im Wirtschaftsleben entstanden sind, die sich teilweise nur sekundär mit dem Erfordernis der Kostensenkung erklären lassen. In der juristischen Literatur wurde darauf hingewiesen, dass die Dynamik technischer Entwicklungen Auswirkungen auf Organisations-, Fertigungs- und Kommunikationsstrukturen hat. Dies erfordert bzw. ermöglicht, „Eigenverantwortlichkeit zu stärken“ und die Weisungsunterworfenheit einzuschränken (vgl. Hümmerich, Neue Juristische Wochenschrift 1998, a. a. O.), und zwar, dies ist entscheidend, ungeachtet bestehender wirtschaftlicher Abhängigkeit.

Die Befürworter der Neuregelung werden diesem Argument entgegenhalten, die angesprochenen Personenkreise seien nicht tangiert, vielmehr könne, etwa bei angenommener wirtschaftlicher Abhängigkeit, der Beweis der Selbständigkeit erbracht werden. Exakt hier setzt jedoch die Kritik an, da die gesetzliche Regelung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen menschliche Dienstleistungen schwerpunktmäßig in den „Schoß des Arbeitsrechts“ einbetten will.

Daher ist mit Heinze (Heinze, Neue Zeitschrift für Arbeit und Sozialrecht 1997, 2) die Frage zu stellen, ob etwa das arbeitsrechtliche System seinen Segen über wirklich Gerechte wie Ungerechte, über Schutzbedürftige wie solche, die des Schutzes nicht oder nicht in jeder Hinsicht bedürfen, ausschütten muss, kurz: Wann werden die Wohltaten des Sozialstaats zur Plage?

Autor: Franz Dänekamp, veröffentlicht in „der neue vertrieb 5/99, S. 60 ff.“

Die Begriffe E-Commerce und Internet beflügeln die Fantasien der Menschen und haben eine Euphorie ausgelöst, die an den amerikanischen Goldrausch des 19. Jahrhunderts erinnert. Wir befinden uns auf dem Weg in die digitale Revolution. Längst hat die Thematik für die Staats- und Regierungschefs Europas oberste Priorität, wie sich unlängst auf dem Gipfeltreffen in Lissabon zeigte. Entsprechend entwickelt die Brüsseler EU-Bürokratie Initiativen, erarbeitet Studien und Richtlinien, die die nationalen Gesetzgeber nicht zur Ruhe kommen lassen.

Unternehmer ohne Internet-Ambitionen stellen sich die Frage, ob sie den Zug in das gelobte Land verpassen. Zweifler indessen sehen sich von manchen Entwicklungen an der Börse bestätigt. Allein der Begriff „Internetwerte“ löst dort Reaktionen aus, die mit dem Handeln vernünftiger Zeitgenossen nur noch wenig zu tun haben und Träume platzen, weil manche Aktien – gemessen an ihrem tatsächlichen Wert – eher der virtuellen, nämlich künstlich erzeugten Welt angehören. Wer allerdings die Initiativen der „Global Player“ als Marktbarometer interpretiert, muss über Handlungsbedarf nachdenken.

So hat sich beispielsweise die Bertelsmann AG wie kaum ein anderes Unternehmen dem Thema Multimedia verschrieben und in die eigene Internet-Präsenz investiert.

„Wer nicht schnell genug ist, den bestraft der Markt“, schreibt Bertelsmannschef Thomas Middelhoff in der Ausgabe Multimedia und Recht 2/1998.

Die Zahlen geben ihm Recht:

Weltweit haben über 200 Millionen Menschen Zugang zum Internet. Deutschland liegt mit fast 10 Millionen Nutzern auf Platz 2 im europäischen Vergleich; jeder achte Deutsche ist bereits online. Golem Network News (www.gnn.de) belegt unter dem 21.12.1999 mit einer Studie der Marktforscher Forrester, dass Deutschland spätestens im Jahre 2004 der größte E-Commerce-Markt in Westeuropa sein wird, und zwar mit großem Abstand vor Großbritannien, Frankreich und Italien. Prognostiziert wird ein Umsatz von 406 Milliarden Euro und eine jährliche Wachstumsrate von 100 %.

In Deutschland bestellen schon jetzt jährlich rund 3 Millionen Menschen Produkte via Internet.

Der WBZ kann sich dieser Entwicklung schon deswegen nicht verschließen, weil die Print-Medien die mit Abstand gefragtesten Artikel sind, Produkte also, die sich offenbar in besonderer Weise für den E-Commerce eignen.

Es verwundert daher nicht, dass die großen deutschen Verlage ebenso im Internet präsent sind wie viele Unternehmen im werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel.

Zunehmend – bei manchen allerdings reichlich spät – wird in der Internet-Euphorie die Frage gestellt, welchen rechtlichen Regeln das E-Commerce eigentlich unterworfen ist.

Kann ich bedenkenlos meine Domain, also meine individuelle Internetadresse, nutzen? Ist der via Internet geschlossene Vertrag wirksam? Wie lässt sich der Vertragsabschluss beweisen? Sind meine Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Internet-Geschäften wirksam in den Vertrag einbezogen worden? Ist meine Homepage wettbewerbsrechtlich zu beanstanden?

Wer solchermaßen sensibilisiert durch das World Wide Web surft, traut bald seinen eigenen Augen nicht mehr. Neben dem Outlook Express, dem E-Mail-Programm der Firma Microsoft, existiert offenbar auch ein Outlaw Express, auf den man nach dem Motto aufspringt: Erlaubt ist, was Spaß macht. Die Freiheit im Internet, so erscheint es auf den ersten Blick, gleicht derjenigen über den Wolken. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Neben dem kalkulierten Rechtsbruch ist eine derartige Sorglosigkeit im Umgang mit rechtlichen Fragen zu beobachten, dass sich der Schluss aufdrängt: Die virtuelle Welt ist so grenzenlos wie die Naivität derer, die sich darin bewegen.

Nicht ganz ohne Grund reagieren daher manche Branchen, die ebenfalls dem WBZ zuzurechnen sind, mit Zurückhaltung. So nutzen 90 % der Finanzdienstleister – mithin auch die Versicherer – die Möglichkeiten des Internets kaum aus, wie unlängst in einem Beitrag „Banken und Versicherungen – wie steht es um den Service im Netz?“, (Electronik Commerce InfoNet / www.ecin.de) dargestellt wurde. Die Versicherungen verfügen lediglich über ein beschränktes Angebot im Internet, das sich vorwiegend auf Produktbeschreibungen konzentriert. Die Furcht vor Datenmissbrauch bremst die Geschäfte ebenso sehr wie die bestehende rechtliche Unsicherheit.

Die Furcht ist insoweit berechtigt, als das Internet das Recht revolutionieren wird und der Gesetzgeber kaum in der Lage ist, mit den technischen Entwicklungen Schritt zu halten. Als eine der ersten Konsequenzen der Internet-Revolution sollen das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung abgeschafft werden, weil die Bundesrepublik eine weitere Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umsetzen muss. Danach wird beim elektronischen Handel zukünftig die Rechtsgrundlage desjenigen Landes gelten, in dem der Anbieter einer Ware oder Dienstleistung seinen Firmensitz hat. Dieses „Herkunftslandprinzip“ würde eklatante Nachteile deutscher Anbieter zur Folge haben, denn in keinem anderen Land gelten derart strenge Wettbewerbsregeln und nirgendwo sonst spielt der Verbraucherschutz eine derart große Rolle.

Zwangsläufig wird E-Commerce somit zur weiteren Rechtsvereinheitlichung in Europa beitragen. In der Zwischenzeit wird jedoch das deutsche Recht im E-Commerce ein Stolperstein sein.

Dies soll ein für die WBZ-Unternehmen relevantes Beispiel verdeutlichen:

Wer eine Zeitung oder Zeitschrift abonnieren will, kann dies via Internet tun. Alle großen deutschen Verlage und auch WBZ-Unternehmen bieten diese Produkte über das Internet an. Der Abonnent wählt das Produkt, trägt in einer vorgefertigten Maske seine persönlichen Daten ein, wird in der Regel über das Widerrufsrecht belehrt und sodann unter dem Vermerk „gezeichnet (Namenseintrag gilt als Unterschrift)“ nochmals aufgefordert, seinen Namen einzutragen.

Was offenbar den Unternehmen nicht bewusst ist: Der Vertrag ist unwirksam, das verwendete Formular wettbewerbswidrig. Abonnementbestellungen unterfallen dem Verbraucherkreditgesetz, denn der monatliche Bezug von Zeitungen oder Zeitschriften betrifft die regelmäßige Lieferung gleichartiger Sachen (BGH NJW 1987, 124, seinerzeit noch zu §§ 1 c Nr. 2, 1 b AbzG). Dies hat vor allem zwei Konsequenzen: Der Vertrag ist nach den §§ 2, 4 Abs. 1 S. 1 VerbrKrG schriftlich zu schließen. Ferner ist der Verbraucher in einer drucktechnisch deutlich gestalteten und gesondert zu unterschreibenden Belehrung auf das Widerrufsrecht hinzuweisen (§§ 2, 7 Abs. 2 VerbrKrG).

Der Schriftform des § 126 BGB genügt die elektronisch übermittelte Erklärung nicht, denn dies würde voraussetzen, dass eine Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet wird.

Damit ist der vorerwähnte Hinweis „Namenseintrag gilt als Unterschrift“ ein frommer Wunsch und schlicht falsch.

Selbstverständlich gibt es längst Verfahren, um Identitätsnachweise zu ermöglichen. Mit einem „secret key“ verschlüsselt der Aussteller der Erklärung seine Nachricht, die vom Empfänger sodann mit Hilfe eines allgemein zugänglichen „public key“ gelesen werden kann. Das Verschlüsselungsverfahren ist im Signaturgesetz (SigG) vom 22.07.1997 geregelt; allerdings hat sich der deutsche Gesetzgeber bisher nicht dazu entschließen können, die Signatur der Schriftform gleichzusetzen. Als Konsequenz aus diesen Problemen hat am 22.04.1999 der Europäische Rat eine Signaturrichtlinie erlassen, die innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden muss. Erst dann wird es möglich sein, Verträge via Internet zu schließen, die dem Schriftformerfordernis genügen.

Bis dahin besteht die Gefahr, dass derartige Internet-Formulare Gegenstand von Abmahnverfahren werden, ganz abgesehen davon, dass eine Inkassotätigkeit im Falle ausbleibender Zahlungen dann höchst problematisch sein dürfte, wenn der zu Grunde liegende Vertrag eindeutig unwirksam ist. Dass auch per Mausklick elektronisch abgesandte Zeitschriftenbestellungen in vollem Umfang den Erfordernissen des VerbrKrG genügen müssen, hat das LG München mit seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 13.08.1998 (7 O 22251/97) bestätigt. Ein Eldorado für Verbraucherschützer und abmahnwütige Advokaten tut sich auf; nur entdeckt wurde es offenbar noch nicht. An dieser Rechtslage wird sich auch dann nichts ändern, wenn bis zum Ablauf des 4.Juni 2000 die EG-Fernabsatzrichtlinie in nationales Recht umgesetzt wird. Der entsprechende Gesetzentwurf(Bundestagsdrucksache 14/2658) sieht eine Erweiterung des Widerrufsrechts vor; das Schriftformerfordernis ist in vollem Umfang beibehalten worden.

Es ist nicht Sinn dieses Beitrags, den E-Commerce-Skeptikern das Wort zu reden oder die Internet-Euphorie zu bremsen. Die moderne Telekommunikation bietet enorme Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten. Allerdings verlangt sie neben der Bereitstellung von technischem Know How und betriebswirtschaftlichen Überlegungen auch Sensibilität für rechtliche Rahmenbedingungen. Soweit noch Unsicherheiten bestehen, ist dies kein Grund, eine Internet-Präsenz zu verschieben. Es gibt durchaus Möglichkeiten, Lösungen im Rahmen des bestehenden Rechts zu finden – Kreativität vorausgesetzt!

Autor: Franz Dänekamp, veröffentlicht in „der neue vertrieb 6/00, S. 44 ff.“

Das Damoklesschwert über den Köpfen der Unternehmer – oder – des einen Freud des anderen Leid

Damokles, so erzählt uns Cicero, beneidete den Tyrannen Dionys um das Glück, mit allen Gütern der Erde gesegnet zu sein. Der Tyrann erteilte dem Neider eine drastische Lehre. Er räumte für Damokles seinen Platz an der fürstlichen Tafel, ließ aber gleichzeitig ein Schwert an einem Pferdehaar über dem armen Tropf aufhängen.

Die Metapher vom Damoklesschwert kennzeichnet anschaulich die Situation des Unternehmers, der seinen Vertriebspartner Woche für Woche mit den sog. Storni belastet. Je nach Umfang des Vertriebes kommen über die Jahre Beträge (entgangene Provisionen) zusammen, die – sollten sie Gegenstand eines Rechtsstreits werden – die „fürstliche Tafel“ des Unternehmers arg in Bedrängnis bringen könnten.

Des einen Freud des anderen Leid, dies gilt auch für die Akteure des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels, die sich durchaus in wechselnden Rollen wiederfinden. Sie treten als Unternehmer auf, wenn sie Verträge für sich vermitteln lassen, wechseln aber nicht selten in die Rolle des Vertriebspartners und werden dann für andere Unternehmen tätig, manchmal auch branchenübergreifend. Entsprechend sind die Stornierungen in einem Fall das Damoklesschwert, nämlich eine Gefährdung der mühsam erwirtschafteten Renditen, im anderen Fall können sie Quelle beachtlichen Reichtums sein, unentdeckte Schätze im Dickicht der Abrechnungen.

Stornierungsprobleme ergeben sich für nahezu alle AGA- bzw. WBZ-Mitglieder. Ob nun Abonnements, Buchclub- oder Vereinsmitgliedschaften, Versicherungen, Stromlieferungsverträge oder Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen (Telefonverträge) vermittelt werden, immer stellt sich die Frage, welcher Anteil dem Vertriebspartner am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmers zusteht: Welche Provisionen entfallen, welche nicht?

Zunächst verfolgen die Vertragspartner ein gleiches Interesse. Der Unternehmer ist am Zustandekommen des Vertrages mit dem Kunden interessiert und möchte die Vertragsbeziehung, die sich daraus ergebende Rendite, langfristig sichern (Haltbarkeit). Der Vertriebspartner verfolgt das gleiche Interesse, damit sein Provisionsanspruch entsteht und erhalten bleibt – so weit so gut.

Krach steht allerdings ins Haus, wenn dem Vertriebspartner die Stornierungsquote zu hoch erscheint, der Unternehmer die Sicherheitsleistung (Kautionskonto) erweitern möchte, das Kontokorrentverhältnis zwischen den Parteien ein Soll des Vertriebspartners ausweist oder sonstwie Streit entsteht, der das Bedürfnis weckt, sich mit den Details hinter den Kulissen zu beschäftigen. Nun stehen plötzlich Provisionsansprüche bis zur Verjährungsgrenze (vier Jahre) im Raum, Stornierungen werden bestritten und der Vertriebspartner bezweifelt, je eine ordnungsgemäße Abrechnung erhalten zu haben. Unmittelbar nach dem Prolog der Tragödie betritt sodann in der Regel der Advokat die Bühne des Geschehens. Während der Advokat als Deus ex machina des Vertriebspartners seine Folterwerkzeuge auspackt (in ihrer Reihenfolge: Abrechnung, Buchauszug, Auskunft, Bucheinsicht), sympathisiert der verunsicherte Unternehmer kurzfristig mit einer drastischen Maßnahme Friedrichs des Großen, – der hatte in einer berühmt gewordenen Cabinettsordre die Advokaten einfach abgeschafft. Dessen ungeachtet sucht auch er sich den Anwalt seines Vertrauens, erbittet eine einfache Antwort auf die Frage, wer denn nun Recht in dieser komplizierten Situation hat und verfällt nach der typischen Antwort des Juristen, das komme alles darauf an, endgültig in tiefe Depression.

In der Tat sind die Einzelheiten überaus kompliziert, und dieser Beitrag kann nicht mehr leisten, als dem Vertriebspartner und dem Unternehmer eine grobe Orientierungshilfe bei der Beantwortung der Frage zu vermitteln, ob die Euphorie oder die Depression berechtigt ist.

1. Abrechnung, Buchauszug, Auskunft, Bucheinsicht

Die in § 87 c HGB genannten Hilfsrechte des Vertriebspartners haben den Zweck, die Provisionsansprüche präzise zu ermitteln. Die Durchsetzung bisher nicht berücksichtigter Provisionsansprüche (auch WKZ-Ansprüche oder andere erfolgsbezogene Vergütungen) beginnt der gewissenhaft agierende Jurist mit diesem Instrumentarium, mit Hilfsansprüchen, die einklagbar sind und denen sich der Unternehmer nicht entziehen kann. Der Buchauszug muss alles enthalten, was die Unterlagen des Unternehmers über die fraglichen Geschäfte ausweisen und für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann, z. B. Namen und Anschrift der Besteller, Art, Menge, Preis des gelieferten Produkts, Rückgaben und Nichtausführung von Geschäften sowie die Gründe dafür (BGH NJW 81, 457, 96, 588; WM 82, 152; 89, 1073). Je nach dem, wie die Bücher geführt worden sind, ist bereits der klug eingesetzte Anspruch auf den Buchauszug eine kaum zu überwindende Klippe für den Unternehmer. Nicht selten ist sie für ihn Veranlassung, im Rechtsstreit die weiße Fahne zu hissen und in Form eines zumeist kostspieligen Vergleichs eine Teilkapitulation anzukündigen. Dies umso mehr, als er die (evtl. auch hohen) Kosten des Buchauszugs trägt (BGHZ 56, 296).

Gegen die Buchauszugs- und Abrechnungsansprüche ist kein Kraut gewachsen. Im Handelsvertreter- oder Vertriebsvertrag können diese Hilfsansprüche nicht ausgeschlossen werden (§ 87 c Abs. 5 HGB). Spätestens jetzt dämmert dem gebeutelten Unternehmer, dass die Kassandrarufe eines Heidelberger Rechtsanwalts ihren Sinn hatten. Dessen Empfehlung (vgl. Dänekamp, Handelsvertretervertrag und Unternehmerrisiko, Der Neue Vertrieb, Sondernummer April 1997, S. 30 ff.), Abrechnungen in regelmäßigen Zeitabständen mit einem Saldoanerkenntnis zu versehen und vom Vertriebspartner unterzeichnen zu lassen, verhallen zumeist ungehört wie die Warnungen der trojanischen Seherin Kassandra.

Das schriftliche Saldoanerkenntnis, also die rechnerische Feststellung des status quo durch schriftliche Vereinbarung, verbessert die Position des Unternehmers im Abrechnungsstreit ungemein, denn wenn sich die Parteien ausdrücklich darauf geeinigt haben, dass das Abrechnungsergebnis zutreffend ermittelt worden ist, kann eben dieses Ergebnis später nicht ohne weiteres in Frage gestellt werden; umgekehrt hat der Vertriebspartner Veranlassung, ein derartiges Anerkenntnis nicht unbesehen und ohne detaillierte Prüfung zu unterzeichnen, will er seine Ansprüche aus § 87 c HGB nicht verlieren.

2. Stornierte Verträge und Provisionsanspruch

Liegt das Ergebnis des Buchauszugs bzw. der Bucheinsicht vor, ist der Unternehmer seinen Informationspflichten nachgekommen, so beginnt die Detailarbeit.

Der Anwalt prüft, ob dem Vertriebspartner (Handelsvertreter) zu Unrecht Provisionen rückberechnet oder provisionspflichtige Geschäfte ignoriert wurden.

Wer nun hofft, das Durchforsten der Aktenberge werde schon den gleichen Erfolg haben wie die Bemühungen des Frevlers Sisyphus, um weiter aus den Bildern der griechischen Mythologie zu schöpfen, wird bald enttäuscht sein. Der findige Jurist arbeitet mit der gleichen Erfolgsaussicht wie der Pathologe auf der Suche nach dem ärztlichen Kunstfehler: Meistens findet man etwas.

Beschäftigt man sich ein wenig mit den vergleichsweise komplizierten Provisionsregelungen des HGB, wird man recht bald ein sicheres Gespür für die „Tretminen“ im Vertriebsgeschäft entwickeln.

Auf dem Weg von der Entstehung bis zur gefestigten Rechtsposition durchläuft der Provisionsanspruch mehrere Phasen. Im Folgenden soll auf die gesetzliche Situation abgestellt werden. Einzelvertragliche Vereinbarungen können, soweit sie wirksam sind, zu anderen Ergebnissen führen:

a) Erste Phase

Nach § 87 Abs. 1 HGB hat der Vertriebspartner (Handelsvertreter) Anspruch auf Provision für alle während der Vertragszeit von ihm vermittelten Geschäfte.

Ist also der Versicherungsvertrag, die Buch- oder Vereinsmitgliedschaft vom Unternehmer bestätigt worden, hat das Telekommunikationsunternehmen, das Unternehmen in der Stromwirtschaft den Vertrag durch eine entsprechende Willenserklärung gegenüber dem Kunden akzeptiert, so entsteht eine sog. Provisionsanwartschaft. Nicht selten entzündet sich bereits hier der Streit, weil die Vertragsbeziehung gar nicht erst entsteht.

Der Vertriebspartner (Handelsvertreter) wirft dem Unternehmer etwa vor, er habe aus nicht nachvollziehbaren Gründen den Kunden nicht akzeptiert, er habe durch eine unzureichende Betriebsorganisation dazu beigetragen, dass der Vertrag nicht zu Stande gekommen sei. Beispiele dafür sind vielfältig: Der Vertriebspartner (Handelsvertreter) kann das Ergebnis der Bonitätsprüfung nicht nachvollziehen, der Unternehmer reagiert zu spät auf den Lieferungswunsch des Kunden, das sog. Begrüßungsschreiben oder die Vertragsbestätigung erreicht den Kunden mit großen Zeitverzögerungen, die Erstbestellung (Buchclubgeschäft) erfolgt nicht rechtzeitig etc..

Im Grundsatz gilt: Der Vertriebspartner (Handelsvertreter) muss beweisen, dass er einen Vertrag erfolgreich vermittelt hat. Der Unternehmer entscheidet allein, ob er den Vertrag mit dem Kunden akzeptiert oder nicht; der Vertriebspartner (Handelsvertreter) kann grundsätzlich keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmers nehmen (BGHZ 26, 161; 49, 39; 93, 38).

Andererseits: Der Unternehmer hat gegenüber dem Vertriebspartner (Handelsvertreter) Rücksichtnahmepflichten, denn dieser erbringt teilweise recht hohe Aufwendungen für die Vermittlungstätigkeit. Es müssen daher vernünftige und einleuchtende Gründe vorliegen, wenn der Unternehmer durch Ablehnung des Geschäfts dem Vertriebspartner (Handelsvertreter) den Lohn für seine Bemühungen verkürzt (BGHZ, a. a. O.). Er hat außerdem seinen Betrieb so zu organisieren, dass Verträge mit an sich erwünschten Kunden auch zu Stande kommen. Verletzt der Unternehmer diese Verpflichtungen, so macht er sich schadensersatzpflichtig und haftet aus sog. positiver Vertragsverletzung (BGH, BB 59, 865; 60, 1222).

Ergeben sich also in der ersten Phase (Vorphase) Probleme, so stellt sich ausschließlich die Frage nach Schadensersatzansprüchen, denn für einen Provisionsanspruch fehlen die gesetzlichen bzw. vertraglichen Voraussetzungen.

b) Zweite Phase

Die zweite Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass der Vertrag zu Stande gekommen ist. Der Vertriebspartner (Handelsvertreter) hat nun einen aufschiebend bedingten Provisionsanspruch (Anwartschaft). Dieser wird dadurch zum „Vollrecht“, dass entweder der Unternehmer den vermittelten Vertrag erfüllt, also Zeitschriften, Bücher, Strom etc. liefert, oder der Kunde seine Leistung erbringt, nämlich zahlt (§ 87 a Abs. 1 HGB). Besonderheiten gelten in der Versicherungswirtschaft, denn hier ist der Anspruch auf Provision grundsätzlich von der Prämienzahlung abhängig (§ 92 HGB).

Ergibt sich also aus dem Buchauszug, dass entweder der Unternehmer oder der Dritte erfüllt hat, Versicherungsprämien gezahlt wurden, so steht zunächst der Provisionsanspruch fest. Für die Unternehmen des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels ist selbstverständlich von Bedeutung, dass die vermittelten Verträge sukzessiv erfüllt werden. Ein Provisionsanspruch entsteht zumindest, soweit die Verträge erfüllt wurden, und dieser „Teilprovisionsanspruch“ kann auch durch Vertrag nicht ausgeschlossen werden (§ 87 a Abs. 1 S. 3 HGB). Dies ist ein unabdingbarer Grundsatz, der auch für alle vermittelten Sukzessivlieferungs-, Bezugs- und Dienstleistungsverträge von Bedeutung ist. Aus diesem Grund sind auch die in den Verträgen regelmäßig vorgesehenen Haftungszeiträume problematisch (vgl. dazu Dänekamp, Der Neue Vertrieb, a. a. O., S. 32).

Von Bedeutung ist in der zweiten Phase ferner die Situation, dass der – etwa vorleistungspflichtige – Unternehmer den Vertrag nicht erfüllt. In dieser Situation muss nämlich der Unternehmer den Nachweis führen, dass die Nichtausführung nicht von ihm verschuldet wurde, eine Beweislastverteilung, die besonders für die Versicherungswirtschaft von Bedeutung ist (vgl. BGH DB 1983, 2135).

c) Dritte Phase

Gänzlich schwierig wird die Situation des Unternehmers – entsprechend günstig die des Vertriebspartners (Handelsvertreters) – wenn er im Rahmen des Streits über die Berechtigung von Stornierungen geltend macht, er habe seine vertraglichen Leistungen zwar erbracht, die Zahlungen des Kunden seien jedoch ausgeblieben.

In diesem Fall muss der Unternehmer den Beweis führen, dass er alles ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche durchzusetzen. Auch hier wirkt sich die Verpflichtung zur Rücksichtnahme gegenüber dem Vertriebspartner (Handelsvertreter) aus.

Für den Warenvertreter gilt, dass der Unternehmer grundsätzlich seine Rechte gegenüber dem Kunden einklagen muss (Baumbach/Hopt, HGB-Kommentar, § 87 a, Rdnr. 15; OLG Zelle, NJW 72, 879). Von diesem Grundsatz hat allerdings der BGH für die sog. „Massengüter des täglichen Bedarfs mit geringem Wert des Einzelstücks“ eine wichtige Ausnahme gemacht (BGH, BB 1971, 1430 ff.). Eine Klageerhebung ist in diesen Fällen unzumutbar. Allerdings ist es mit Rücksicht auf die Interessen des Vertriebspartners (Handelsvertreters) geboten, ein ordnungsgemäßes Mahnverfahren durchzuführen. Unmittelbare Konsequenz aus dieser Rechtsprechung ist also die Empfehlung, die Verfolgung der Zahlungsansprüche effektiv zu organisieren oder auf professionelle Verwaltungsfirmen zu übertragen, die EDV-gestützt und je nach Qualität ihrer Arbeit dazu beitragen, dass dem Unternehmer ein ganz erhebliches Prozessrisiko im Stornorechtsstreit abgenommen wird; die Bedeutung der Verwaltungsfirmen darf mithin nicht unterschätzt werden, insbesondere für die Zeitschriftenbranche.

Zumindest Nachlässigkeiten in diesem Bereich begründen die Verpflichtung des Unternehmers, dem Vertriebspartner (Handelsvertreter) die aus der Versicherungsbranche bekannte Stornogefahrmitteilung zukommen zu lassen. Über Umfang und Einzelheiten dieser Unterrichtungspflicht hat sich eine weitgefächerte Rechtsprechung entwickelt (z. B. LG Bochum, VW 1979, S. 191; LG Freiburg, VersR 1980, S. 329; LG Hildesheim, VersR 1980, S. 330; LG Baden-Baden, VersR 1981, S. 776; LAG Hamm, VersR 1981, S. 1054; OLG Karlsruhe, VersR 1982, S. 267; LAG Frankfurt, VW 1982, S. 238; OLG Karlsruhe, VersR 1989, S. 511). Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sind meines Erachtens auch auf andere Branchen anwendbar, und zwar umso eher, je intensiver der Kontakt des Vertriebspartners (Handelsvertreters) zum Kunden ist. Mit wachsender Kundennähe verbessert sich dessen Einflussmöglichkeit und damit auch die Chance, den „notleidenden“ Vertrag zu erhalten.

Fazit:

Die Handhabung der Storni muss umsichtig erfolgen. Wer Vermögensverluste vermeiden will, muss mit seinem Vertriebspartner den Konsens suchen und regelmäßig die Abrechnungsergebnisse durch schriftliche Stornoaner-kenntnisse bestätigen lassen. Dies gilt sowohl für das Verhältnis zwischen Unternehmer und Vertriebspartner als auch für das Verhältnis zwischen Vertriebspartner und Untervertriebspartner.

Bei allzu großer Sorglosigkeit droht an der „fürstlichen Tafel“ des Unternehmers ein existenzielles Problem, und unter dem Damoklesschwert bleibt dann nur die Erkenntnis:

„Bei aller Herrlichkeit stört ihn des Todes Schrecken, und lässt ihn nichts als teures Elend schmecken.“ (Christian Fürchtegott Gellert).

Autor: Wolfgang Lehner, veröffentlicht in „der neue vertrieb 6/00, S. 44 ff.“

Seit einem halben Jahr ist die UWG-Novelle in Kraft. Die Rechtsanwälte Christina Schmitt und Franz Dänekamp über erste Erfahrungen der Branche mit dem neuen Gesetz.

Bis zuletzt hatte die Branche gehofft, die von der Regierung im Zusammenhang mit Direktmarketing-Maßnahmen favorisierte Opt-In-Lösung würde in den Beratungen von Bundestag und Bundesrat gekippt werden (vgl. Artikel „Bei Anruf Anzeige?“, dnv 10/2004, 32 f.). Diese Hoffnung war durchaus berechtigt. Noch in der Begründung ihrer Empfehlung an den Bundesrat, den Vermittlungsausschuss anzurufen, haben sich der Rechts- und der Wirtschaftsausschuss gegen die vom Bundestag favorisierte Opt-In-Regelung ausgesprochen und unter dem Gesichtspunkt der Standortkonkurrenz im Vergleich zu den anderen EU-Staaten für eine Opt-Out-Regelung plädiert.

Die Hoffnung wurde allerdings enttäuscht. Seit Juli 2004 ist die Opt-In-Regelung Gesetz. Sie ist fortan von allen Akteuren im Telefonmarketing zu beachten, die nicht in das benachbarte Ausland abwandern.

§ 7 UWG (n. F.) verbietet die „unzumutbare Belästigung“ eines Marktteilnehmers, die bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern dann anzunehmen ist, wenn deren Einwilligung nicht vorliegt; sonstige Marktteilnehmer müssen zumindest ihre mutmaßliche Einwilligung erklärt haben.

Obwohl diese gesetzlichen Regelungen weitestgehend die über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten entwickelten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspiegeln (BGH, GRUR 1970, 523 f.; GRUR 1989, 753 ff.; GRUR 1990, 280 f.; GRUR 1995, 220 f.; GRUR 2000, 818 ff.; NJW-RR 2004, 978 ff.), ist seit der gesetzlichen Fixierung ein Wandel im Umgang mit dem Recht zu beobachten.

Seit Inkrafttreten der Gesetzesnovelle werden die Unternehmen der Branche deutlich häufiger als bislang mit Abmahnungen überzogen.

Neben Wettbewerbern, insbesondere Mitgliedern der Verbände der Lotto- und Totoverkaufsstellen, sind zunehmend auch Verbraucherverbände Urheber entsprechender Abmahnungen.

Dies scheint eine Konsequenz der breiten Diskussion des Themas in den Medien zu sein, durch die die Verbraucher sensibilisiert worden sind.

Wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung wettbewerbsrechtlicher Verfahren für die beteiligten Unternehmen ist es daher wichtiger denn je, den Rahmen des rechtlich Zulässigen zu kennen und rechtliche Nischen zu nutzen. Wer die Realität ignoriert, akzeptiert nicht unerhebliche Risiken. Allein die erstinstanzlichen Verfahrenskosten, die der zu Recht abgemahnte Unternehmer im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu tragen hat, erreichen mit etwa 4.000 bis 10.000,00 Euro eine Größenordnung, die umsichtiges Handeln erfordert.

In diesem Zusammenhang ist ein kürzlich ergangenes Urteil des LG Hamburg (Geschäfts-Nr.: 312 O 975/04) von richtungsweisender Bedeutung.

Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob der in der Branche vielfach verwendete Satz: „Ich bin damit einverstanden, dass mir die Firma XYZ telefonisch weitere interessante Angebote macht (ggf. bitte streichen).“ als – zumindest konkludente – Einwilligung eines Verbrauchers im Sinne von § 7 II 2 UWG (n. F.) zu qualifizieren ist, wenn der Verbraucher von der Aufforderung, eine etwaige Streichung vorzunehmen, keinen Gebrauch macht.

Im konkreten Fall wurde der Verbraucher von einer selbstständigen Vertriebsfirma per Telefon zu Zwecken des Abschlusses eines Zeitschriftenabonnementvertrages kontaktiert. Der Verbraucher hatte zuvor an einem Gewinnspiel teilgenommen, in dem ein Mittelklassefahrzeug ausgelobt worden war. Die Gewinnspielkarten sahen Rubriken für Namen, Anschrift und Telefonnummer des Verbrauchers vor. Der umstrittene Satz, der das Einverständnis des Verbrauchers zum Ausdruck bringen sollte, war unter der Abbildung des ausgelobten Fahrzeugs gedruckt. Nach Auffassung des Landgerichts Hamburg ist der verwendete Satz keine ausreichende Einwilligung des Verbrauchers im Sinne des § 7 II 2 UWG (n. F.). Die Entscheidung ist sorgfältig begründet. Einerseits bestimmt sie im konkreten Fall den Bereich dessen, was unzulässig sein soll. Andererseits sind den Gründen der Entscheidung aber auch Anhaltspunkte zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen von einer zulässigen Telefonwerbung auszugehen ist.

Folgende Überlegungen stehen dabei im Vordergrund:

1. Der beanstandete Satz läuft nach Auffassung des Landgerichts Hamburg, wäre er zulässig, auf eine Opt-Out-Lösung hinaus, weil er an das Schweigen oder die Passivität des Verbrauchers anknüpft und eine Zustimmung fingiert. Die – im europäischen Ausland überwiegend praktizierte – Opt-Out-Lösung geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Telefonwerbung aus, unterstellt gewissermaßen eine allgemeine Zustimmung der Verbraucher, räumt ihnen jedoch die Option ein, nicht mitzumachen, auszusteigen (to opt out). Seinen Ausstieg (Austritt) erklärt der Verbraucher beispielsweise dadurch, dass er sich in eine „Robinsonliste“ eintragen lässt, die alle „Aussteiger“ erfasst. Der Begriff „opt-in“ geht demgegenüber von der grundsätzlichen Unzulässigkeit des Telefonmarketings aus. Wer demgegenüber bei einer telefonischen Werbemaßnahme „mitmachen“ möchte (to opt in) muss ausdrücklich zustimmen, also für eine Werbemaßnahme ausdrücklich optieren. Weil der Gesetzgeber dem sog. Opt-In-Modell“ folgt, verlangt er ein aktives Handeln des Verbrauchers. Demgemäß kann aus einer Passivität – etwa aus der unterbliebenen Streichung des Einverständnisses – nicht auf eine Zustimmung geschlossen werden, denn andernfalls würde – so das Landgericht – das bestehende Opt-In-Modell in eine Opt-Out-Lösung umgekehrt werden.

2. Die Teilnahme am Gewinnspiel unter Verwendung der mit einem Zusatz versehenen Teilnahmekarte reicht nach Auffassung der Richter als Zustimmung nicht aus, wenn der Zusatz aufgrund der grafischen Gestaltung übersehen werden kann, etwa wenn er im Kleindruck erfolgt oder die Aufmerksamkeit des Verbrauchers durch die optische Hervorhebung des Gewinns abgelenkt wird. Ausreichend sei auch nicht, dass der Teilnehmer aktiv seine Telefonnummer eintrage, weil dies – den Gewinn vor Augen – in der Hoffnung geschehe, möglichst bald von der erfolgreichen Teilnahme unterrichtet zu werden.

Im Umkehrschluss ergibt sich aus diesen Argumenten für die Zulässigkeit des Telefonmarketing Folgendes:

Der Verbraucher muss der Telefonwerbung durch aktives Handeln (Ankreuzen, Unterschrift etc.) zustimmen. Das Einverständnis muss einen eindeutigen Bezug zur Telefonwerbung haben und sich von sonstigen Erklärungen – etwa von der Bereitschaft zur Teilnahme an einem Gewinnspiel – abheben.

Darüber hinaus muss die Werbung optisch so angelegt sein, dass eine in ihr enthaltene Zustimmungserklärung nicht „untergeht“.

Unter Berücksichtigung dieser Grenzen lassen sich durchaus Lösungen erarbeiten, die auch einen Marketingerfolg gewährleisten. Die Kunst der Gestaltung besteht darin, eindeutig unzulässige Werbemaßnahmen zu vermeiden und mit dem Mut zum Risiko die Grenze zulässigen Telefonmarketings auszuloten.

Die verbleibenden Unsicherheiten sind jenen Unwägbarkeiten zuzurechen, denen man bekanntlich „vor Gericht und auf hoher See“ ausgesetzt ist. Mit diesem Risiko lässt sich leben.

Autoren: Franz Dänekamp und Christina Schmitt-Zink, veröffentlicht in „der neue vertrieb 1-2/05, S. 56 f.“

Werden künftig die „Bestände“ im WBZ von der Erbschaftsteuer erfasst?

Der besteuernde Staat – so meinte ein angesehener Steuerrechtsexperte – „verhält sich heute wie ein Mückenschwarm. An jeder Ecke lauern die Mücken, um den Steuerpflichtigen Blut abzuzapfen. Bürger und Unternehmen weichen deshalb ständig aus und machen die unsinnigsten Umwege, um den Steuern zu entgehen. Statt sich auf ihr wirtschaftliches Fortkommen zu konzentrieren, sind die Bürger permanent damit beschäftigt, die Mücken zu verscheuchen. Einige hat – ob der zahlreichen Stiche – bereits lähmendes Entsetzen ergriffen“ (Prof. Paul Kirchhoff auf der Pressekonferenz zur Vereinfachung des Steuersystems am 24.10.2002 in Berlin).

Das „lähmende Entsetzen“ – wie es Prof. Kirchhoff beschreibt – ist bei besserbetuchten Zeitgenossen oft nur von kurzer Dauer, denn die Attacke der Finanzminister treibt sie vorzugsweise in das Paradies der Schweizer Eidgenossen, die ihre Steuergesetze aus jenem Stoff weben, aus dem die Träume sind, freilich mit kantonalen Unterschieden, denn die Steuersätze variieren beachtlich.

Prominentes Beispiel war vor Jahren der bayerische Milch-Baron Theo Müller (Müller-Milch), der um den Bestand seines Familienunternehmens im Erbfall fürchtete und dessen Bewertung deutscher Steuergerechtigkeit kurz auf den Satz zu reduzieren sein dürfte:

„Hier werden Sie gemolken“!

Über die Frage, ob derart drastische Betrachtungsweisen nach Maßgabe des gegenwärtigen Erbschaftsteuerrechts gerechtfertigt sind, lässt sich trefflich streiten. Dem Kanzler soll jedenfalls der Appetit auf den Joghurt vergangen sein. In der teilweise ideologisch geführten Debatte wollen die einen den zunehmenden Begrenzungen der Sozialtransferzahlungen ein „gerechtes“ Gegengewicht entgegensetzen. Andere verweisen auf die ohnehin niedrige Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen und sehen das Lebenswerk vieler Erblasser gefährdet.

In diesem Beitrag geht es nicht um eine ideologische Standortbestimmung. Gegenstand dieses Beitrags ist vielmehr die Auseinandersetzung mit einer in Kürze zu erwartenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die aller Voraussicht nach zu Konsequenzen des Gesetzgebers führen wird, verbunden mit einer drastischen Verschärfung des Erbschaftsteuerrechts. Mit Beschluss vom 22.05.2002 hat der Bundesfinanzhof (BFH) dem Bundesverfassungsgericht das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht zur Prüfung vorgelegt. Der BFH vertritt u. a. die Auffassung, dass die Regelungen in § 12 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) – Bewertung des Erwerbs – sowie diverse Regelungen im Bewertungsgesetz (BewG) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig seien. Nach Ansicht des BFH bezieht sich die Verfassungswidrigkeit insbesondere auch auf die Vorschriften zur Ermittlung des Betriebsvermögens.

Bisher haben die Erwerber von Betriebsvermögen allenfalls unterdurchschnittlich zum Aufkommen der Erbschaft- und Schenkungsteuer beigetragen. Maßgeblich dafür ist u. a. der Umstand, dass für die Bewertung des Betriebsvermögens nur die Steuerbilanzwerte von Bedeutung sind. Nicht aktiviertes Vermögen – stille Reserven etwa – wurden bisher von der Erbschaftsteuer nicht erfasst.

Zu den stillen Reserven der im WBZ tätigen Unternehmen gehören vor allem die sogenannten „Bestände“, Vermögenswerte, die in der Praxis börsengleich gehandelt werden und den eigentlichen – in der Bilanz nicht aktivierten – Wert eines WBZ-Unternehmens ausmachen.

Steuerlich werden die „Bestände“ zu Recht bilanziell nicht aktiviert, und zwar aus folgendem Grund:

Der „Bestand“ eines WBZlers besteht aus einer Vielzahl von einzelvertraglichen Belieferungsrechten, die steuerrechtlich als sog. immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu qualifizieren sind (BFH BStbl. 1989 II S. 830). Gemäß § 5 II EStG sind immaterielle Wirtschaftsgüter nur dann bilanziell zu aktivieren, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Entgelt für den Erwerb des Wirtschaftsguts erbracht wird, das nach den Vorstellungen beider Vertragsteile eine Gegenleistung für die erlangten Vorteile darstellt (BFH BStbl. 1994 II S. 444).

In den Fällen, in denen ein Unternehmen Abonnements originär – d. h. im Wege des Ersterwerbs – selbst bzw. durch Einsatz von eigenen Mitarbeitern oder Handelsvertretern wirbt, liegt ein solcher entgeltlicher Erwerb nicht vor. Die vom Unternehmen im Zusammenhang mit dem Erwerb des Belieferungsrechts getätigten Aufwendungen (Provisionszahlungen etc.) sind nicht als Entgelt sondern vielmehr als Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anschaffung zu qualifizieren und daher als Betriebsausgaben sofort abziehbar (BFH BStbl. II 1994 S. 444). Die so geworbenen Bestände sind daher in der vom Unternehmer zu erstellenden Bilanz nicht anzusetzen.

Exakt auf die beschriebenen stillen Reserven, für die die Bestände im WBZ ein Beispiel sind, zielt der BFH im zitierten Vorlagenbeschluss ab und vertritt die Auffassung, dass die gegenwärtig praktizierte Übernahme von ertragssteuerlichen Werten (vgl. § 109 Abs. 1 und 2 BewG) nicht dem Gleichheitsgrundsatz entspricht, weil die Erben von Betriebsvermögen in nicht sachgerechter Weise begünstigt würden, etwa durch die Möglichkeit, sich durch Bilanzierungswahlrechte „arm zu rechnen“.

Jede Beurteilung der Frage, wie und mit welcher Begründung ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht enden wird, ist in gewisser Weise ein Blick in die Kristallkugel.

Sollte aber der Vorlagenbeschluss die Zulässigkeitshürde nehmen, gehört zu den wahrscheinlichsten Varianten, dass das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgibt, die vom BFH monierte Ungleichheit bis zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu beseitigen. Wer dabei allerdings spekuliert, der Gesetzgeber werde sich im Gestrüpp des zeitraubenden Willensbildungsprozesses im Parlament verfangen, dürfte einem Irrtum erliegen:

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist eine Ländersteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG), und auch die Haushalte der Länder – von welcher politischen Couleur sie auch immer dominiert werden – sind chronisch unterfinanziert. Darüber hinaus gibt es einen durchaus parteiübergreifenden Konsens in der Frage der Bewertung von Betriebsvermögen, nämlich dahingehend, dass diese zu ihrem sog. Teilwert erfasst werden sollen. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass das Finanzamt den Verkehrswert des Betriebsvermögens ermittelt, so, als würde der Betrieb im Ganzen veräußert.

Die zeitliche Brisanz des Problems ergibt sich vor allem aus einem Umstand, der nur wenigen bekannt ist: Der Gesetzgeber hat bereits den Entwurf eines komplett ausgearbeiteten neuen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes in der Schublade liegen. Am 11.06.2004 hat das Land Schleswig-Holstein eine entsprechende Vorlage unter dem Namen „Gesetz zur Reform der Erbschaftsteuer (ErbStRefG)“ in den Bundesrat eingebracht (Bundesrat – Drucksache 422/04). Diesem Entwurf zufolge soll zukünftig das Betriebsvermögen für erbschaftsteuerliche Zwecke zum Teilwert berücksichtigt werden. § 45 Abs. 1 BewG in der Fassung des o. g. Entwurfes geht also von einer verkehrswertbezogenen Betrachtung unter Einbeziehung stiller Reserven aus.

Für den WBZ-Unternehmer bedeutet dies die Erfassung der Bestände im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Freilich geht auch der Gesetzesentwurf in seiner Begründung davon aus, dass die Liquidität kleiner und mittelständischer Unternehmen regelmäßig geschont werden soll (vgl. Bundesrat – Drucksache 422/04, S. 66). Über die Frage, wie die Entlastung erreicht werden soll, wird schon seit Jahren heftig gestritten. Die Vorschläge reichen von der Beteiligung des Staates als „Stiller Gesellschafter“, über Stundungsmöglichkeiten bis zur Einräumung großzügiger Freibeträge. Der Vorschlag aus Schleswig-Holstein sieht einen auf den ersten Blick großzügigen Freibetrag von 2 Millionen Euro vor. Allerdings steckt die Tücke im Detail, denn die Begünstigung gilt nur für inländische Betriebe, in denen der Erwerber einen Einfluss auf die Geschäftsführung hat. Steht also für den Erblasser der Versorgungsgesichtspunkt im Vordergrund – und nicht die Firmenfortführung – wird es unter Umständen teuer.

Berater haben nach der Vorstellung des Bundesgerichtshofs auch die Pflicht, auf sich abzeichnende Rechtsänderungen hinzuweisen. Es ist ein seit Jahrhunderten bestehender Wunsch von Menschen, den sozialen Aufstieg der Familie generationsübergreifend zu sichern. Wer für seine Nachkommen sorgen möchte, muss sorgfältig planen, die Nachfolge gestalten und die Tretminen im Steuerrecht kennen, auch solche, mit denen zukünftig zu rechnen ist.

Die Uhr tickt, denn nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird die Reaktion des Gesetzgebers vermutlich nicht lange auf sich warten lassen. Schnelles Handeln tut also not.

Autoren: Franz Dänekamp und Christina Schmitt-Zink, veröffentlicht in „der neue vertrieb 9/05, S. 38 ff.“

Generalagenturen erfolgreich vor dem Landgericht Köln (Az.: 89 O 15/11 u. a.)

Nichts ist für die Ewigkeit, heißt es. Eines Besseren musste sich ein weltweit führendes Versicherungsunternehmen im Konflikt mit 3 Generalagenturen vom LG Köln belehren lassen. In den Urteilen des LG Köln vom 25.11.2011 (Az.: 89 O 15/11; Az.: 89 O 7/11; Az.: 89 O 11/11) stellt das Gericht fest, die Versicherung könne den Generalagenturen das Recht zum Inkasso nicht durch ordentliche Kündigung entziehen, das Inkassorecht stehe den Generalagenturen vielmehr dauerhaft zu. Auf den ersten Blick mag verblüffend erscheinen, dass eine Partei im Wirtschaftsleben der anderen Partei eine Art „Ehe“ antragen kann, Scheidung – abgesehen vom groben Treuebruch – ausgeschlossen. Doch, meint das LG Köln übereinstimmend mit den Klägern, – das geht!

Der „Treuebund“ zwischen Generalagenturen und Versicherungen im Familienschutzgeschäft

Wer das Vertragsverhältnis zwischen Generalagenturen und Versicherungen im Familienschutzgeschäft verstehen will, wer zu ergründen versucht, weshalb der dnv ein solches Thema aufgreift, muss sich mit der Historie des WBZ auseinandersetzen. Der Rückblick ist auch erforderlich, um den vor dem LG Köln ausgetragenen Konflikt zu verstehen:

Querverkäufe, also das, was man heute als Cross-Selling oder Up-Selling bezeichnet, gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Ein findiger Verleger aus Leipzig kombinierte den Verkauf einer Zeitschrift mit einem Versicherungsvertrag (vgl. Brummund, Struktur und Organisation des Pressevertriebs, München 2006, S. 394 ff.). Das war die Geburt der „Versicherungszeitschrift“, die auch deshalb so erfolgreich war, weil der „Sprung“ und die Kündigungsquoten erheblich reduziert wurden (vgl. Brummund, a. a. O., S. 394). Später wurde die Koppelung der Produkte verboten, den Versicherungsschutz übernahmen Versicherungsgesellschaften und das Familienschutzgeschäft etablierte sich als selbstständiger Zweig innerhalb des WBZ, wobei die Versicherungen auch weiterhin „Vertriebskanäle“ nutzten, die sich bewährt hatten. Die mit dem Vertrieb betrauten Unternehmen überlebten den erzwungenen Prozess der Umstrukturierung nur, weil ihnen das „Inkasso“ belassen wurde. Das „Inkasso“ ist historisch eine Art „Überlebensgarantie“ der Generalagenturen. Mit der Inkassoprovision wird einerseits eine entsprechende Dienstleistung der Generalagenturen vergütet, andererseits soll mit der fortlaufenden Zahlung einer Inkassoprovision auch der Beitrag der Generalagenturen zum Aufbau von Versicherungsbeständen honoriert werden.

Was hat die Geschichte der Versicherungs-Zeitschrift mit dem Urteil des LG Köln zu tun?

Wer die Vorgänge in der Gegenwart richtig verstehen will, muss sich bisweilen mit der Historie beschäftigen. Vertragsparteien beziehen sich oft auf Verträge, die vor Jahrzehnten geschlossen wurden, im konkreten Fall etwa auf einen Vertrag aus dem Jahre 1958, der folgende Klausel enthält.

„Wir verpflichten uns, Ihnen den Beitragseinzug auch über die Dauer des obigen Vertrages hinaus solange zu belassen, wie Sie dazu bereit sind und Ihren Verpflichtungen aus diesem Vertrag nachkommen.“

Das war 1958, aber 2008/2009 fusionierte der Vertragspartner von 1958 mit einem großen Versicherungskonzern, der kein Interesse mehr an dieser Sparte hatte und nunmehr versuchte, die Generalagenturen durch Kündigung „loszuwerden“.

Die Generalagenturen bezogen sich indessen auf die zitierte Klausel im Vertrag, auf eine „Ewigkeitsgarantie“, die zumindest das Inkasso erfasste.

Bei der Auslegung eines Vertrages kommt es auf den wirklichen Willen der Parteien an, auf das, was nach Treu und Glauben maßgeblich sein soll (§§ 133,157 BGB). Aber wer weiß, was die Vertragsparteien vor 50 Jahren gewollt haben? In solchen Fällen helfen die Archive des Bundesverbandes der Medien- und Dienstleistungshändler e. V., mit dessen Hilfe belegt werden konnte, was die Parteien seinerzeit veranlasst hatte, den Generalagenturen ein dauerhaftes Inkasso einzuräumen, das Recht der Versicherungen zur ordentlichen Kündigung auszuschließen.

Entsprechend war die Klage der Generalagenturen gegen die Versicherung erfolgreich. Das Landgericht Köln stellte fest, die Kündigung führe nicht zur Beendigung des Generalagenturvertrages, soweit die Klägerinnen zum Inkasso für die Beklagte berechtigt und verpflichtet seien.

Das Gericht wies auch das Argument der Beklagten zurück, die Inkassotätigkeit sei der Klägerin ab dem 01.01.2012 nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) untersagt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt – so das Argument der Versicherung – ende zumindest die Vertriebstätigkeit der Klägerin durch ordentliche Kündigung, folglich sei das Inkasso nicht mehr Neben- sondern Haupttätigkeit, und zwar mit der Folge, dass es erlaubnispflichtig werde. Über eine entsprechende Erlaubnis – so das Argument der Beklagten – verfügten die Generalagenturen nicht.

Das Landgericht Köln folgte indessen auch insoweit der Rechtsauffassung der Klägerinnen und stellte fest, die Inkassotätigkeit sei gem. § 5 RDG erlaubnisfrei. Sie sei Nebenleistung zum Berufs- bzw. Tätigkeitsbild der Generalagenturen als Versicherungsvertreterinnen.

Fazit:

Das Recht zur „ordentlichen Kündigung“ kann in Verträgen dauerhaft ausgeschlossen werden, und zwar mit der Folge, dass sich die Parteien „ewig“ binden. Nur die „außer-ordentliche“ Kündigung bleibt zulässig, setzt aber voraus, dass ein grober Pflichtverstoß nachgewiesen werden kann. Vermitteln Generalagenturen Versicherungsverträge und üben sie gleichzeitig eine Inkassotätigkeit bezüglich der vermittelten Verträge aus, so ist die Inkassotätigkeit erlaubnisfrei i. S. d. § 5 RDG.

Autor: Franz Dänekamp, veröffentlicht in „der neue Vertrieb 10/12, S. 34 f.“

LG Hamburg (Az.: 402 HKO 79/08) entscheidet über die Zulässigkeit der „Sprunghaftung“

In einem Urteil vom 23.12.2011 hat das Landgericht Hamburg (Az.: 402 HKO 79/08) richtungsweisend über die Wirksamkeit einer „Stornohaftungsklausel“ entschieden. Die – vor allem auch wirtschaftliche – Bedeutung des Rechtsstreits ist erheblich. Während die Beklagte – die Tochtergesellschaft eines namhaften Verlages – die Rückzahlung von Provisionen für vermittelte Abonnements in 6-stelliger Höhe beanspruchte, machte die Klägerin – ein Vertriebsunternehmen im Telemarketing – eine Gegenrechnung auf. Der Verlag habe, so das Argument der Klägerin – eine Klausel zur „Sprunghaftung“ in den Vertrag aufgenommen, die unwirksam sei. Das habe zur Folge, dass der Verlag seinem Vertriebspartner Provisionen in 7-stelliger Größenordnung vorenthalten habe.

Was war passiert?

Die Klägerin (Vertriebsunternehmen) hatte für die Beklagte (Verlag) ein sog. „8 für 6“-Abo (8 Monate lesen, 6 Monate zahlen) vertrieben. Der Abonnent erhielt also die Zeitschrift 2 Monate kostenlos, zahlte 6 Monate, und nach 8 Monaten sollte ein sog. „offenes Lesen“ beginnen, das das Recht des Abonnenten vorsah, das Abonnement ohne Einhaltung von Kündigungsfristen zu beenden. Für die Vermittlung des Abonnements „8 für 6“ bot der Verlag nach eigenem Bekunden „hohe Provisionen“, – soweit so gut. Ungewöhnlich – und von den Gepflogenheiten der Branche abweichend – war allerdings die lange „Haftungsdauer“ von 27 Wochen. Wurde das Abonnement nicht mindestens 27 Wochen bezahlt, so wurde dem Vertriebspartner die gezahlte Provision zurückbelastet. Wer ein wenig rechnet, erkennt den Trick, der sich hinter dem Angebot „hoher Provisionen“ versteckt. Wenn 27 bezahlte Wochen Voraussetzung dafür sind, dass der Vertriebspartner seine Provision behalten darf, so muss der Abonnent länger zahlen, als es das Angebot „8 für 6“ vorsieht. 6 bezahlte Monate sind nämlich 25,5 Wochen. Die Mindesthaftungszeit von 27 Wochen wird nicht erreicht. Ergo: Provisionen sind nur endgültig verdient, wenn der Abonnent mit dem „offenen Lesen“ beginnt, die Zeitschrift also länger als 8 Monate (Mindestbelieferung) bezieht und auch die nächste Rechnung zahlt. Zu Beginn des Vertragsverhältnisses mit dem Verlag sprudeln die vorab gezahlten Provisionen beim Vertriebspartner, dessen Vertriebslust und Aktivitäten werden „geteasert“, aber das „Kartenhaus“ sprudelnder Provisionen bricht zusammen, wenn der Verlag nach längerer Zeit seine Gegenrechnung aufmacht. Bei inzwischen hoher Produktion sinkt der Ertrag des Vertriebspartners auf „0“, weil eine Vielzahl von Abonnenten sich nicht für das dauerhafte Abo entscheiden und deshalb neu entstehende Provisionsansprüche mit Rückzahlungsansprüchen verrechnet werden.

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen

Dem konsternierten Vertriebspartner wird an dieser Stelle erklärt, weshalb seine Produktion „schlecht“ sei. Die „guten“ Abonnements sind ausschließlich solche, die in einem Dauerbezug des Abonnenten münden. Alle anderen Abonnements seien „schlecht“, und zwar mit der Folge, dass der Vertriebspartner keine Provision verdiene, auch nicht anteilig, nicht einen einzigen Cent, obwohl der Abonnent alle Zahlungsverpflichtungen erfüllt hatte. Keine (Teil-)Provision trotz des unternehmerischen Erfolgs?

Auf den ersten Blick erscheint die Logik des Verlags verblüffend. Die Kalkulation des Abonnements ist generell so angelegt, dass sich die Kosten – folglich auch die Provisionen – erst im Laufe einer möglichst langen Haltbarkeit amortisieren. Es verwundert deshalb nicht, dass sich der Verlag vor dem LG Hamburg mit einer Art „Break-Even-Mathematik“ verteidigte. Wenn die Klägerin für die erfolgreiche Vermittlung des Abonnements „8 für 6“ eine (Teil-)Provision verlange, so stelle sie anerkannte Kalkulationen in der Branche auf den Kopf, der Verlag verdiene nicht mehr ausreichend. Mag sein, aber wann ist der „Break-Even“ erreicht? Wann verdient der Verlag „ausreichend“?

Das Argument der Beklagten verkürzt die Sicht der Dinge, denn neben der Laufzeit gibt es auch andere wertbildende Faktoren wie etwa die IVW-Fähigkeit des Abonnements, der Wert der „Adresse“ und die Chance der „Kündigerrückgewinnung“. Ein Abonnent, der 8 Monate vertragstreu ist und 6 Monate zahlt, eignet sich durchaus für die „Kündigerrückgewinnung“. Die „Schlechten“ aus dem Kröpfchen bekommt ein anderer Vertriebspartner zur Vermittlung. Aus den solchermaßen „angeteaserten“ Abonnenten werden solche, die – Ende gut alles gut – doch noch ins Töpfchen kommen.

An dieser Stelle zeigt sich die Findigkeit der Vertriebsstrategen im Verlag. Der Abonnent zahlt 6 Monate, der Vertriebspartner verdient keinen Cent. Das Risiko liegt beim Vertriebspartner, wenn im ersten Schritt kein dauerhaftes Abonnement entsteht. Scheitert das Abonnement nach 8 Monaten, kann das „Warm-Up“ des ersten Vertriebspartners von einem weiteren Vertriebspartner genutzt werden. Ergo: Doppelter „Traffic“ im Vertrieb, garantierter Teilertrag durch 6-monatige Abo-Zahlung und nur eine Provision, wenn das „Warm-Up“ erfolgreich ist.

Die Rechnung ohne den Wirt

Was da in der „Kreativabteilung“ der Vertriebstochter eines Verlags erdacht wurde, nötigt – vordergründig betrachtet – einen gewissen Respekt ab. Wie so oft macht allerdings die Rechnung ohne den Wirt, wer ausschließlich den eigenen Vorteil im Auge hat. Einen Stolperstein für das pfiffige Vertriebskonzept des Verlags hat der Gesetzgeber nämlich im Handelsgesetzbuch versteckt. § 87 a Abs. 1 S. 3 lautet: „Unabhängig von einer Vereinbarung hat jedoch der Handelsvertreter Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Dritte das Geschäft ausgeführt hat“.

Der Satz hat es in sich, war er doch in der Lage, aus einer 6-stelligen Forderung des Verlags eine 7-stellige Forderung des Vertriebspartners zu machen, und das geht so:

Wenn der Abonnent 6 Monate zahlt, so hat der „Dritte“ (Abonnent) das Geschäft auch 6 Monate ausgeführt. Unter dieser Voraussetzung hat der Handelsvertreter einen (Teil-)Provisionsanspruch, denn er hat zumindest teilweise den unternehmerischen Erfolg herbeigeführt. Liegt der vom Prinzipal (Unternehmer) definierte wirtschaftliche Erfolg bei 27 Wochen (Haftungsregelung), zahlt sodann der Abonnent 26 Wochen, so hat der Handelsvertreter 26/27stel der (vollen) Provision verdient.

Soweit die vereinbarte Stornohaftung den Anspruch ausschließt, ist die Klausel unwirksam, denn der Anspruch auf Teilprovision besteht „unabhängig von einer Vereinbarung“ (§ 87 a Abs. 1 S. 3 HGB).

So sah es – übereinstimmend mit der Klägerin – auch das Landgericht Hamburg im zitierten Urteil und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Teilprovisionen, wobei es feststellte, auch die von der Klägerin gewählte Berechnung sei zutreffend, denn der Teilprovisionsanspruch sei nach dem Urteil des OLG Stuttgart vom 12.03.1976 (Az.: 2 U 146/75) linear zu berechnen.

Was will „der Dichter damit sagen“?

Führt der vermittelte Vertrag zumindest teilweise zum Erfolg, muss zwingend eine (Teil-)Provision gezahlt werden. Das zitierte Urteil des LG Hamburg ist nicht rechtskräftig. Das Hanseatische Oberlandesgericht wird im Berufungsverfahren darüber entscheiden, ob der Prinzipal im Verhältnis zum Handelsvertreter frei über die Stornohaftung disponieren und den Teilprovisionsanspruch ausschließen kann. Wie die Beklagte die Klippe des § 87 a Abs. 1 S. 3 HGB nehmen will, bleibt abzuwarten. Das Problem der „Stornohaftung“ ist nicht neu (vgl. Dänekamp, Handelsvertretervertrag und Unternehmerrisiko, der neue Vertrieb 4/97, S. 30 ff.). Der WBZ (BMD) hatte Mitte der 90’er Jahre „Musterverträge“ entwickeln lassen, die „Haftungsklauseln“ vorsehen, freilich keine derart unangemessenen Regelungen zu Lasten des Vertriebspartners. Der im Rechtsstreit vor dem LG Hamburg erhobene Einwand der Beklagten, die Stornohaftung sei in der Branche üblich, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe gar an der Entstehung der „Musterverträge“ mitgewirkt, ist deshalb nur die halbe Wahrheit. Zum einen bemühen sich die „Musterverträge“ um jene Ausgewogenheit, die Voraussetzung für eine funktionierende Kooperation im Vertriebsgeschäft ist, zum anderen wird in der Kommentierung zu den Musterverträgen das Problem der Haftungsklausel dezidiert erläutert. Wer deshalb großzügig mit Gestaltungsvorschlägen umgeht, muss schon das „Kleingedruckte“ lesen.

Autor: Franz Dänekamp, veröffentlicht in „der neue Vertrieb 10/12, S. 28 f.“

Das Verbraucherprivatrecht ist ständigem Wandel unterworfen. Aktuell ist das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (VRRLUmsG), das ab 13.06.2014 in kraft tritt, eine Herausforderung für den Direktvertrieb, relevant auch für alle Akteure, die Presseprodukte vertreiben. Dabei geht es um eine umfassende Neuregelung des Fernabsatzrechts und des Rechts der „Haustürgeschäfte“. Der folgende Beitrag erläutert – zugeschnitten auf den Pressevertrieb – den wesentlichen Änderungsbedarf bei der Gestaltung von Vertragstexten, Web-Shop-Inhalten und Widerrufsbelehrungen.

I. Ausgangslage

Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie transformiert die im November 2011 verkündete Richtlinie 2011/83 EU über die Rechte der Verbraucher in nationales Recht. Die Harmonisierung ist gerade für die Betreiber von Web-Shops ein Vorteil, soweit sie auch im EU-Ausland mit E-Commerce-Angeboten agieren. Das neue Recht sieht für das „Haustürgeschäft“ und für Fernabsatzverträge teilweise identische, teilweise unterschiedliche Regelungen vor. Neu konzipiert wird das Widerrufsrecht, das nunmehr ausnahmslos für alle Vertriebsformen gelten dürfte, also auch für die Werbung via Internet. Das neue Recht findet Anwendung auf B2C-Verträge (Unternehmer/Verbraucher).

II. „Haustürgeschäft“

Der Begriff „Haustürgeschäft“ wird ersetzt durch den weitergefassten Begriff des „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages“ (§ 312 b Abs. 1 BGB n. F.). Schon nach altem Recht (§ 312 BGB a. F.) waren nicht nur Vertragsschlüsse in der Privatwohnung erfasst. Auch Verträge, die etwa im Bereich öffentlicher Verkehrsflächen (z. B. Standwerbung in Fußgängerpassagen) geschlossen wurden, waren dem Recht des „Haustürgeschäfts“ unterworfen. Erfasst werden nunmehr auch Geschäfte auf privaten Messegeländen und auf privaten Märkten, denn es kommt nur darauf an, dass der Unternehmer seine Tätigkeit außerhalb des Gewerberaumes ausübt, den er für Zwecke seines Gewerbes dauerhaft einsetzt. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber im Bereich der sog. „face-to-face-Geschäfte“ keine Lücke mehr gelassen hat, soweit Verbraucherrechte gelten. Hatte der Unternehmer den Verbraucher beim „Haustürgeschäft“ bisher grundsätzlich nur über sein Widerrufsrecht und die Widerrufsfolgen zu belehren (§ 312 Abs. 2 BGB a. F.), treffen ihn nach neuem Recht (§ 312 d BGB n. F. i. V. m. Art. 246 a § 1 EGBGB n. F.) umfassende Informationspflichten. Dazu gehören u. a. Angaben über seine Identität und die Identität seines Auftraggebers. Wegen der weiteren Einzelheiten kann an dieser Stelle nur auf Art. 246 a § 1 EGBGB n. F. verwiesen werden, denn der Pflichtenkatalog ist umfassend. Der in der Branche verwendete „Bestellschein“, der häufig die Vertragskonditionen nur rudimentär erfasst, dürfte hinsichtlich seiner Gestaltung den vielfältigen Anforderungen kaum noch gerecht werden. § 312 f Abs. 1 BGB n. F. sieht ein Bestätigungsschreiben vor, das den Vertragsinhalt wiedergibt und zusätzlich alle Info-Pflichten des § 246 a § 1 EGBGB n. F. berücksichtigen muss, sofern die Info-Pflichten nicht vorvertraglich erfüllt wurden. Auf diese Anforderungen müssen die WBZ-Akteure in Absprache mit ihren Dienstleistern (Abo-Verwaltern) Rücksicht nehmen. Die Info-Pflichten können grundsätzlich nur in Papierform erfüllt werden.

III. Fernabsatzverträge (§ 312 c BGB n. F.)

Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen Fernkommunikationsmittel (Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telefaxe, E-Mails, SMS, Telemedien) verwendet werden. Tangiert sind insbesondere das Telemarketing und Angebote via Internet (Web-Shops, Web-Sites, Informationsdienste, Werbeportale etc.). Bestand nach altem Recht im elektronischen Geschäftsverkehr die Möglichkeit, das Widerrufsrecht bei Einhaltung der Bagatellgrenze (€ 200,00) auszuschließen (§ 510 Abs. 1 Nr. 2 BGB i. V. m. § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB), dürfte diese Ausnahme nunmehr entfallen (Argument aus § 312 g Abs. 2 Nr. 7 BGB n. F.). Daraus folgt, dass das Widerrufsrecht ausnahmslos im Direkt-Abo-Vertrieb Gültigkeit hat. Auch im Fernabsatz gelten die vorvertraglichen Informationspflichten des Art. 246 a § 1 EGBGB, darüber hinaus zusätzliche Informationspflichten bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr (Art. 246 c EGBGB n. F.). Bestimmte Info-Pflichten müssen dem Bestellbutton vorangestellt sein (§ 312 j Abs. 2 BGB n. F.) Die Verpflichtung zur Vertragsbestätigung ist beim Fernabsatzvertrag (§ 312 f Abs. 2 BGB n. F.) ähnlich geregelt wie beim „Haustürgeschäft“, wobei die Bestätigung auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen kann. Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass im elektronischen Geschäftsverkehr die Verträge unwirksam sind, wenn der Bestellbutton nicht die Aufschrift „zahlungspflichtig bestellen“ oder eine andere eindeutige Formulierung trägt (§ 312 j Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 BGB n. F.). Die sog. „Buttonlösung“ war im alten Recht bereits verankert (§ 312 g Abs. 3 BGB a. F.).

IV. Widerrufsrecht im Abo-Geschäft

Das Widerrufsrecht gilt einschränkungslos. Die Belehrungspflicht ist vorvertraglich zu erfüllen (Art. 246 Abs. 2 EGBGB n. F.) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage und beginnt im Pressevertrieb – neue Rechtslage – nach Erhalt der ersten Ware (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 d BGB n. F.), soweit der Vertrag – wie zumeist – auf Lieferung über einen festgelegten Zeitraum gerichtet ist. Über die Möglichkeit und Ausübung des Widerrufs hat der Unternehmer gem. einem neuen Muster-Widerrufsformular zu belehren (Art. 246 a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB), das europaweit Gültigkeit hat. Der Widerruf kann neuerdings auch mündlich erfolgen.

V. Folgen von Gesetzesverstößen

Bedeutsam dürften vor allem drohende Abmahnungen, einstweilige Verfügungen und Klagen von Verbraucherverbänden – ggf. auch von Mitbewerbern – sein, wenn gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen wird (§ 2 UKlaG, §§ 3, 5 a Abs. 4 UWG i. V. m. § 8 Abs. 3 UWG). Im elektronischen Geschäftsverkehr kommt der Vertrag nicht zustande, wenn – wie ausgeführt – die sog. „Buttonlösung“ nicht umgesetzt wird (§ 312 j Abs. 4 BGB n. F.). Wer die Info-Pflichten nicht umsetzt, muss ggf. auch mit Vertragsanfechtungen rechnen.

VI. Regelungsbedarf

Die Akteure im Pressevertrieb, die das „Haustürgeschäft“ betreiben oder betreiben lassen, müssen die „Bestellscheine“ umgestalten. Die Identität des Unternehmers und des in seinem Auftrag Handelnden (z. B. Handelsvertreter) darf nicht mehr verschwiegen werden. Sämtliche Web-Shops bedürfen der Überprüfung hinsichtlich Ort und Umfang der einzuhaltenden Info-Pflichten. Die Widerrufsbelehrungen und die Vertragsbestätigungen sind anzupassen. Bei der Einschaltung von Call-Centern ist darauf zu achten, dass die vorgegebenen Leitfäden die Verbraucherrechte berücksichtigen. Erleichterte Bedingungen ergeben sich im Telemarketing aus Art. 246 a § 3 EGBGB n. F..

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